ENG: Wie der chinesische Concept Store Kundschaft in Krisenzeiten anzieht
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Junge Modehändler:innen wie der chinesische ENG Concept Store schaffen es, trotz der schwierigen Wirtschaftslage weltweit Kund:innen anzulocken. Sie bieten ein Sortiment und Einkaufserlebnis, die nicht nur für die lokale Kundschaft attraktiv sind, sondern auch international am Puls der Zeit liegen.
Im stationären Handel der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt kreieren konzeptionelle Läden und junge Marken ein besonderes Einkaufserlebnis. Neben einem Sortiment mit trend-setzenden Labels – von GmbH bis Juun.J – werden Besucher:innen durch riesige Installationen und kreativen Ladenbau angezogen und so zur treuen Kundschaft. Der Avantgarde-Markenmix mit internationalen Brands wie Rick Owens und spannende lokale Entdeckungen lockt derweil auch Kund:innen weltweit an.
Der ENG Concept Store startete mit einem Laden kurz vor der Pandemie und ist nun in den “wichtigsten Städten” Chinas vertreten. Er trotzt dem stockenden Wirtschaftswachstum Chinas, bei dem selbst Luxuskonzerne wie LVMH und Kering die verhaltenen Konsum-Ausgaben zu spüren bekommen. Der kurz bevorstehende Single's Day, der als größter Online-Shopping-Tag gilt und mit Angeboten sowie exklusiven Kollektionen lockt, zählt als wichtiger Indikator für die Nachfrage in diesem Bereich.
Im Interview blickt Buying Director Laura Darmon auf das kommende Shopping-Ereignis, gibt Einblicke in Trends, die chinesische Konsument:innen begeistern und wie ENG mit den wirtschaftlichen Entwicklungen umgeht. Sie ist seit Oktober 2020 bei ENG und war zuvor für die chinesische Marke Didu im Bereich Geschäftsentwicklung und Großhandel sowie für den französischen Concept Store L'Insane tätig.
SS25 liegt hinter uns, was haben Sie aus der Saison mitgenommen?
Ich fand diese Saison viel 'cleaner' und erfrischender, da sich jede Marke auf ihre Kernkompetenzen konzentriert hat. Es kann schwierig sein, externen Trends zu widerstehen, wenn man eine Kollektion entwirft, aber SS25 hob Kernstücke statt flüchtiger Trends hervor, was ich sehr schätze.
Wir bewegen uns auch weg von der Logomanie, was eine willkommene Abwechslung ist, nachdem sie so lange dominiert hat. Ich bin begeistert von Oversize-Stücken und gut geschnittenen Produkten mit Mustern und bequemen Stoffen, die den Schwerpunkt auf das Tragen im Alltag legen.
Auf welchen Modewochen und Messen waren Sie?
Normalerweise gehe ich vor allem nach Mailand und Paris, aber seit kurzem besuche ich auch die London Fashion Week und natürlich die in Shanghai.
Was die Messen angeht, so hat Collective 6 in dieser Saison in China einen starken Eindruck hinterlassen, indem sie sich mit On Time, einer der größten Messen in Shanghai, zusammengetan haben. Collective 6 ist eine unabhängige Gruppe von sechs bis sieben aufstrebenden Top-Designern – darunter Didu, Yueqiqi, Ximon Lee, Untitlab und Karmuel Young –, die sich zusammengeschlossen haben, um das traditionelle Großhandelssystem zu hinterfragen. Das ist eine aufregende Bewegung.
Hat sich eine Veranstaltung besonders hervorgetan?
Sehr gut gefallen hat mir auch die Laufstegshow von Ximon Lee, die vom Kollektiv Heim veranstaltet wurde, für das ich eine persönliche Vorliebe habe. Der einfache Aufbau betonte die Kleidungsstücke, mit einer erhöhten Bühne, die das Publikum nah heran brachte und an die alten Margiela-Shows erinnerte. Dieses Design ermöglichte es, den Fokus ganz auf die Kleidung zu legen und Ablenkungen durch die Umgebung zu minimieren.
Haben Sie neue Marken entdeckt, die Sie in Ihr Sortiment aufnehmen wollen?
Hodakova hat mir in dieser Saison sehr gut gefallen; die Marke war stärker als zuvor. Nachdem sie den LVMH-Preis gewonnen haben, haben sie wahrscheinlich ihre Handwerkskunst und die allgemeine Qualität verbessert.
Our Legacy ist zwar keine Neuentdeckung, aber sie passt perfekt zu dem, was das chinesische Publikum heute wünscht.
Welche Stücke laufen derzeit gut bei ENG?
Es kann eine Herausforderung sein, zu skalieren, weil wir verschiedene Marken vertreten, jede mit einzigartigen Stärken in ihrer Kategorie und ihren Designelementen. Insgesamt sind Strickwaren, Jersey und Denim starke Bereiche für uns. Derzeit entwickeln sich Hosen, Oberteile, Pullover und Polos gut, und wir sehen einen positiven Trend bei Jacken, da das Wetter kälter wird.
Welche Trends werden künftig das chinesische Publikum begeistern?
Der Corporate- und Intellektuellen-Trend, der von Miu Miu vorangetrieben wird, ist nach wie vor voll im Kommen. Außerdem ist der wachsende Einfluss der koreanischen Mode auf das chinesische Publikum zu spüren.
Marken wie Open YY haben in dieser Saison ein aufgeschlossenes Publikum gefunden. Die jüngste Shushu Tong-Laufstegshow hat diesen Wandel perfekt veranschaulicht. Die Leute scheinen sich von Streetwear und auffälligen Prints wegzubewegen und sich stattdessen auf gut geschnittene Kleidungsstücke aus hochwertigen Stoffen und maßgeschneiderte Stücke zu konzentrieren.
Gerade bei einer jüngeren chinesischen Zielgruppe scheinen auch lokale Marken immer beliebter zu werden…
Das jüngere Publikum ist stolz auf seine lokalen Designer:innen und unterstützt sie gerne, da diese Designenden verstehen, wie wichtig es ist, neben dem Markenimage und dem Merchandising auch eine Gemeinschaft aufzubauen.
Welche Rolle spielen lokale Marken für ENG?
Die Unterstützung aufstrebender Designer:innen aus Asien ist für uns seit dem ersten Tag ein zentraler Wert, insbesondere da wir ein chinesisches Geschäft sind. Wir haben viele exklusive Kooperationen mit Designer:innen wie Didu und Rui Zhou geschlossen und waren eines der ersten Geschäfte, das Windowsen in China verkauft hat.
Das Konsumverhalten im chinesischen Luxussegment ist aktuell gedämpft. Nehmen Sie dies bei Ihren Kund:innen auch wahr?
Ich sehe das nicht nur in der Modebranche, sondern auch in der Lebensmittel-, Kunst- und Immobilienbranche – alle diese Sektoren stehen aufgrund des derzeitigen Wirtschaftsklimas vor Herausforderungen. Wir haben jedoch hart daran gearbeitet, eine Gemeinschaft unter unseren Kundschaft aufzubauen. Indem wir exklusive Produkte präsentieren und uns auf das Erzählen von Geschichten und die Aufklärung über die von uns geführten Marken konzentrieren, überwinden wir aus der Marketingperspektive Grenzen. Wir investieren viel Zeit und Analysen, um zu verstehen, was unser Publikum sehen will.
Welche Rolle spielt der bevorstehende “Singles’ Day” für ENG?
Der “Singles' Day” oder “Double 11” ist der größte Verkaufstag der Welt, und seine Auswirkungen in China sind enorm. Für uns ist es ein wichtiges Online-Ereignis. Wir haben unsere Verkaufskanäle mit Sonderangeboten und Rabatten gut vorbereitet und werben seit Anfang November aktiv für unsere Produkte, was zu erheblichen Gewinnen geführt hat.
Sind besondere Aktionen geplant?
Am 8. November werden wir eine exklusive Kapselkollektion mit Mowalola und Miss60 herausbringen, die nur bei ENG in China erhältlich sein wird. Wir freuen uns darauf, Mowalola nach China zu bringen, um mit ihrem Publikum während einer kleinen Party im Laden zu sprechen, die sich auf Medien, Presse und unsere VIP-Kund:innen konzentriert.
Online liefern Sie weltweit. Wie ist das Verhältnis zwischen heimischen und internationalen Kund:innen?
Wir haben inländische Online-Kanäle wie Tmall und eine internationale E-Commerce-Plattform. Als ich 2020 zu dem Unternehmen stieß, war der Aufbau eines-Kanals für das Ausland eine meiner ersten Prioritäten. Mir fiel auf, dass kein chinesischer Concept Store außerhalb des Landes präsent war, obwohl das Angebot für Europa sehr attraktiv schien.
Es dauerte eine Weile, bis wir unser Instagram organisch ausbauen konnten, aber etwa ein Jahr später begannen sich die Ergebnisse zu verbessern. Während des Lockdowns in China, als die Menschen nicht physisch einkaufen konnten, florierten unsere Online-Verkäufe. Jetzt sehen wir fast täglich einen stetigen Strom von Bestellungen.
Aus welchen anderen Märkten wird häufig bestellt?
Die USA und Korea sind unsere beiden größten internationalen Märkte, was wahrscheinlich auf unseren einzigartigen Markenmix zurückzuführen ist. Was das Volumen betrifft, so sind unsere inländischen Kanäle stärker, da wir mehrere Optionen haben und Online-Shopping tief in den Gewohnheiten der chinesischen Verbraucher:innen verwurzelt ist.
Wie ist das Verhältnis zwischen physischen und E-Commerce-Einnahmen?
Die Online-Kanäle machen etwa 60 Prozent unseres Umsatzes aus, während der physische Verkauf 30 bis 40 Prozent ausmacht, was für den Offline-Einzelhandel in China recht stark ist, zumal das Online-Shopping in China stärker verbreitet ist. Zusätzliches Live-Streaming ermöglicht es den Kund:innen Kleidungsstücke aus allen Blickwinkeln zu betrachten, was ihr Verständnis für die Produkte verbessert.
Über ENG Concept Store:
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Der ENG Concept Store wurde von Sherry Huang mit der Vision gegründet, “mehr als nur eine Verkaufsfläche zu schaffen”. Der Name steht für “Explore, Navigate, Generate” (dt. “Erkunden, Navigieren, Erschaffen.” Im Juni 2019 eröffnete sie den ersten Store in Shanghai. Mittlerweile gibt es auch Läden in Peking, Chengdu, Nanjing und Hangzhou. Dazu kommt eine kürzlich eröffnete Fläche für ‘Haus by’ der koreanischen Brillenmarke Gentle Monster in Shenzhen. Zunächst richtete sich die Händlerin an ein jüngeres Nischenpublikum, das an aufstrebenden Modemarken interessiert war, die in Shanghai noch nicht weit verbreitet waren. Durch die Expansion in andere Städte und den Ausbau des Online- und Offline-Geschäfts, zog sie auch eine ältere Kundschaft um die 40 an, die sich vom Massenmarkt abheben will.
Sind weitere Läden geplant?
Wir denken definitiv strategisch über das unsichere wirtschaftliche Klima in China nach. Statt weitere Standorte zu eröffnen, ziehen wir es vor, unsere Standorte zu stärken und das Merchandising auf der Grundlage der Verbrauchendengewohnheiten der jeweiligen Stadt zu verbessern. In den meisten wichtigen Städten Chinas sind wir bereits vertreten.