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Esprit: „Wir hatten den Faden verloren”

Von Anne Buis

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Mode|INTERVIEW

Die Neupositionierung von Esprit fängt an Früchte zu tragen. Nach schweren Jahren scheint die Modemarke wieder aus dem Tal herauszukommen, nachdem sie sowohl die Kollektionen, das Management als auch das operative Geschäft unter die Lupe genommen hatte. „Der Ansatz ist jetzt ganz anders als vor drei, vier Jahren“, sagt Dieter Messner, General Manager für Europa, Nahost und Südamerika und seit kurzem auch für Deutschland. FashionUnited sprach mit ihm über die neuen Kollektionen, die Neupositionierung und seine Vision für die Zukunft.

War bei Esprit in den letzten Jahren nicht einfach die Luft raus? „Wir waren ungefähr fünf Jahre lang etwas verloren; in Bezug auf das Produkt hatten wir keine eindeutige Identität“, bekennt Messner. Ein offenes Geheimnis: Seit der Einstellung des CEO José Manuel Martínez, vorher Spitzenmann bei Inditex, wurden an die 40 Personen für das Designteam eingestellt, die alle von Inditex kommen. „Diese Designer haben eine andere Vision und andere Arbeitsmethoden, Genau das, was wir brauchten. Sie verstehen es Trends schnell aufzugreifen und auf den Markt anzuwenden. Diese Erfahrung mit dem Fast Fashion-Markt hatten wir verpasst“, so Messner. „Wir haben vorher viele unterschiedliche Wege eingeschlagen, die Kollektion schwankte hin und her. Mit dem neuen Designteam verfolgen wir eine ganz andere Strategie, trendiger mit mehr Fashion, aber immer noch Casual. High Fashion werden wir nie.”

Esprit fehlte die Erfahrung mit Fast Fashion

Ein Besuch eines Esprit-Geschäfts in einer durchschnittlichen Einkaufsstraße ist in vielerlei Hinsicht anders als ein Besuch einer der Fast Fashion-Ketten, wie Forever 21, Primark oder H&M, die oft in derselben Straße ansässig sind. Die Kollektion wirkt immer noch casual, aber doch trendiger. Wer die Ständer und Regale durchschaut, erkennt durchaus einen Unterschied zum Anblick, der sich noch vor einigen Jahren bot. Der „Casual Focus“ ist noch immer da, aber die Artikel wurden mit mehr Details ausgestattet. Beispiele dafür sind zusätzliche Spitzensäume, Pompons an Kordeln und raffinierte Prints. Eine cremefarbene Bluse wird aus luftigem Leinen mit einer großen, blauen Stickerei gefertigt, während eine weiße Bluse mit einem Spitzensaum an der Schulter veredelt wird. Die zusätzlichen Details (die auch oft an der Kleidung der Inditex-Marken, wie Zara, auftauchen) machen einen Artikel wieder etwas spannender. Die Stoffe sind edler, hochwertiger und es gibt in einer einzigen Kollektion auch viel mehr unterschiedliche Stoffe. Da mehrere Prints kombiniert werden, ist der Eindruck modischer als noch vor einigen Jahren.

Die Artikel sind auch besser an das Modebild angepasst: Bei Esprit sind unter anderem Bomberjacken im Streetwear-Style zu finden, ebenso wie Jeansjacken mit coolen Patches. Zudem sind im Geschäft viele schulterfreie Tops zu finden. Diese sieht man auch in anderen Fast Fashion-Ketten, aber die Stoffe wirken deutlich robuster. Sie halten zweifellos so einige Waschgänge aus. Auch auffallend: Im gesamten Geschäft ist kein Artikel zu finden, der schief aufgehängt ist oder lose Fäden aufweist. Ebenso wenig finden sich Staubflocken. Das ist in Geschäften im niedrigen Preissegment ganz anders.

Dieter Messner: „Wir wollen diesen entscheidenden Moment, in dem man überrascht wird, festhalten“

Seit vorigem Jahr wählt Esprit auch im Marketing einen moderneren Ansatz. 2015 startete die Marke mit der #ImPerfect-Kampagne, bei der Social Media eine große Rolle spielen. Die Esprit-Kampagne sollte die Marke auffallender und jünger darstellen. Inzwischen führt die Modemarke bei den Frühlingskollektionen dieses Jahr auch Hashtags wie „#ImEsprit“ und „#ImChange“.

Letztes Jahr vereinte Esprit ihre Kräfte mit Opening Ceremony für eine Capsule-Kollektion. „Klassiker, die sie früher selber getragen hatten, bekamen dabei ein Makeover (ausgestattet mit dem Esprit-Logo, Red.) von den Designern, in der Hoffnung, dass sich die neue Generation auch für Esprit begeistern würde”, erläutert Messner. „Promis trugen auf einmal Esprit-Shirts. Eine totale Überraschung. Diesen entscheidenden Augenblick, in dem Esprit überrascht, wollen wir festhalten.” Die Kampagne der Kooperationskollektion wurde nicht auf breiter Front lanciert. Eine bewusste Entscheidung von Messner. „Man muss sich mal von den Massenmedien lösen, um der Langeweile zu entfliehen. Wie ich bereits sagte: Man muss etwas Überraschendes tun. Dieses muss man zusammen mit Menschen machen, die das repräsentieren und mit der Zielgruppe Kontakt halten“, sagt er.

Esprit: „Vor fünf Jahren hatte die Marke keine eindeutige Identität

In den 90er Jahren erlebte das Modelabel Esprit seine Hochphase. Die Kollektionen waren angesagt und viele Konsumenten hatten mindestens einen Artikel der Modemarke im Schrank hängen. Auch zwischen 2000 und 2008 gingen die Geschäfte bei Esprit gut“, betont Messner. Aber danach ging es bergab mit der Marke; die Ergebnisse waren rückläufig, die Kunden liefen ihnen davon und das Management wurde mehrmals drastisch umstrukturiert. „Wir hatten ein bisschen den Faden verloren”, bekennt der General Manager. Er schreibt das der zu schnellen Expansion zu, in Kombination mit den vielen Verlagerungen an der Spitze des Managements. Dadurch verlor die Marke an Kundenbindung. „Unsere Kollektionen berührten den Kunden nicht und den Produkten fehlte eine durchgehende Linie”, sagt Messner. In den darauf folgenden vier Jahren ging es Esprit schlecht. Die Marke verzeichnete 2013 einen Verlust von 408 Millionen Euro.

Der neue CEO José Manuel Martínez erstellte einen Neupositionierungsplan, der sich auf ein neues, vertikales Businessmodell konzentrierte. Dabei sind Design, Produktion, Vertrieb und Verkauf komplett in Händen von Esprit. Im Juli 2015 wurde das Modell aktiviert. Laut Esprit wurde der Prozess der Entwicklung und Fertigung von Kollektionen sofort beschleunigt und führte zu konkurrenzfähigen Preisen. So ist der Fertigungsprozess jetzt stromlinienförmig gestaltet. „Zuerst konzentrierten wir uns vorwiegend auf den Großhandel. Jetzt haben wir uns für eine vertikale Integration und eine deutliche Multi-Channel-Strategie entschieden. Wir entscheiden uns für den Push-Ansatz”, erzählt Messner. Dieser Prozess dauerte bestimmt 2 Jahre (2013 und 2014, Red.). „In den ersten 2 Jahren waren die Ergebnisse wirklich schlecht. Erst Anfang 2015 erlebten wir die ersten Erfolge.”

Unvermeidlich war eine Überarbeitung des Geschäftsnetzwerks. „Das musste aber sein, denn die Kosten mussten gesenkt werden“, nickt Messner. Es wurden 20 europäische Geschäfte geschlossen und ebenfalls 50 Franchise-Filialen. „Man geht durch den Bestand, Geschäft für Geschäft. Das eine hat eine gute Lage, ist aber viel zu groß. Das andere hat eine zu hohe Miete oder eine falsche Einteilung für das besondere Einkaufserlebnis.” Er fährt fort:„Esprit wird kleiner, aber erfolgreicher. Manchmal muss man erst schrumpfen, alle verlustbringenden Teile herausschneiden. Im ersten Quartal 2016 bekamen wir das noch zu spüren, aber jetzt steigt die Rentabilität. Der Umsatz pro Quadratmeter zieht an.”

Die Geschäfte im Benelux-Raum sind fast alle nach der Multi-Channel-Strategie eingerichtet. Dieser Prozess dauerte sechs bis acht Monate, schätzt Messner. „95 Prozent wurde implementiert. Jetzt müssen wir diesen Prozess einfach erst wirken lassen.” Die Kunden können dank Multi-Channel unter anderem das Click & Collect und Click & Reserve nutzen. Zusätzlich zu den neuen Strategien erhalten die Esprit-Geschäfte auch ein Update. In den Niederlanden werden das 4 bis 5 sein, aber in ganz Europa werden 300 Geschäfte umgebaut. Vorläufig wird es keine neuen niederländischen Geschäfte geben, aber man arbeitet intensiv an neuen Plänen, die im April fertig sein sollen. Außerdem will Esprit zusätzlich zu den monatlichen Kollektions-Updates zwischendurch „Drops“ realisieren.

Esprit: „Unsere Chancen liegen ja gerade im Mittelsegment”

Der General Manager betrachtet das Timing der Neupositionierung als großen Vorteil. „Die gesamte Branche kämpft, aber wir haben schon vor 5 Jahren mit einer neuen Strategie begonnen. Der Markt verändert sich nicht und bleibt flach. Die Preiskämpfe werden immer härter. Unsere Chance liegt gerade im Mittelsegment”, sagt Messner begeistert. „Es geht um eine gute Qualität zu einem guten Preis. Unsere Zielgruppe ist 30 bis 45 Jahre alt und will schon lange keinen Artikel mehr kaufen, den man nach dreimaligem Tragen wegwerfen kann. Aber sie wollen auch nicht 100 Euro für ein Premiumprodukt ausgeben. Außerdem glaube ich auch, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren zunehmen wird. Menschen wollen ihre Kleidung länger tragen.” Was muss Kunden von ihrem Besuch eines Esprit-Geschäfts im Jahr 2017 im Gedächtnis bleiben? Messner antwortet selbstbewusst: „Kommen Sie ins Geschäft und lassen Sie sich überraschen.”

Bild: Esprit

dieter messner
Esprit