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Für Female Empowerment ohne Sex Sells

Von Jackie Mallon

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Mode |MEINUNG

Während das Echo von #metoo immer noch in unseren Ohren widerhallt und immer mehr Beweise ans Licht kommen, die belegen, dass Machtmissbrauch in Hollywood, in den Medien und der Modefotografie - die Bilder, die wir jahrzehntelang konsumiert haben - an der Tagesordnung sind und waren, haben Frauen hinlänglich bewiesen, dass Misogynie teil ihrer Lebensrealität ist. Das weibliche Selbstverständnis, kultiviert, aber verzerrt von systematischer männlicher Unterdrückung, ist nun bereit, endlich neu überdacht zu werden. Aber es ist nicht klar, ob alle von uns bereit sind, ihren Teil dazu beizutragen.

In den 80ern, als Frauen es satt hatten, aus den Vorstandsetagen ausgeschlossen zu sein, zogen sie Hosenanzüge und Schulterpolster an und ahmten die Männer nach, um in deren Welt weiter zu kommen. Nun, wo der Kampf um Gleichberechtigung im Jahr 2018 wieder auflebt, gibt es eine vorhersehbare Rückkehr dieses Looks auf den Laufstegen zu beobachten. In dieser neuen Ära des Protestes sind es Slogan T-Shirts auf Catwalks, Anstecker am Revers und Red-Carpet-Dress-Codes, die Protest ausdrücken. Gehört damit eine bestimmte Art von männerfreundlicher "Femininität" - die hautenge, tief ausgeschnittene, hoch geschlitzte, viel Haut preisgebende - der Vergangenheit an?

Die Bekanntgabe des Weggangs von Phoebe Philo bei Céline löste allgemeine Betroffenheit aus. Eine solche Betroffenheit, wie sie seit Mitte der 2000er Jahre nicht mehr zu spüren war, als Jil Sander und Helmut Lang aus ihren jeweiligen Unternehmen ausschieden. Ihre Kleidung, ähnlich wie die Philos, ermutigte Frauen, sich als mehr als die bloße Summe ihrer Körperteile zu fühlen. In den Nähten einer Sander-Jacke, eines Lang-Jersey-Kleides oder einer Céline-Bluse, waren Codes von Kultur, Rebellion, Humor und Sexappeal eingenäht. Helmut Lang wob regelmäßig Bondage-Elemente, Latex und BH-Träger in seine Stücke, aber die Ergebnisse waren weit mehr und subversiver als das, was Worte wie ‚sexy‘ oder ‚feminin‘ ausdrücken können. Der zerebrale Stolz, den die Trägerin eines solchen Stückes empfand, brachte Fanatismus hervor und machte Céline zu einer der erfolgreichsten Marken von LVMH. Laut Analysten stieg der Umsatz des Labels in den letzten zehn Jahren von 236 Millionen Dollar auf 828 Millionen Dollar.

Sex sells

Aber Sex sells lautet das alte Werbe-Motto (der Männerwelt). Stimmt nicht, legt nun eine Studie der University of Illinois dar, die im International Journal of Advertising im Juni 2017 veröffentlicht wurde. Sie analysierte knapp 80 Werbestudien über drei Jahrzehnte hinweg und stellte fest, dass sexualisierte Bilder in der Werbung nicht zu höheren Verkaufszahlen führten - obwohl festgestellt werden konnte, dass Männer stärker und positiver auf sexuelle Inhalte reagierten als Frauen. (Wer hätte das gedacht?)

In Bezug auf Philo schrieb die erfahrene Modejournalistin Cathy Horyn im Online-Magazin The Cut, "Wenn ich über ihre Kollektionen geschrieben habe, hatte ich nie das Gefühl, dass ich sie zu meiner Zufriedenheit in Worten erfasst hatte - ein Gefühl, das ich bei Shows von Miuccia Prada oder Rei Kawakubo oder Nicolas Ghesquière nicht habe. In jedem dieser Fälle gab es mindestens ein oder zwei Saisons, in denen ich das Gefühlt hatte, mit meiner Kritik richtig vermittelt zu haben, was die Kollektion so erfüllend (oder schwer zu fassen) machte.“ Könnten ihre Worte nicht auch die wundervoll erfüllende und schwer zu fassende Natur der Weiblichkeit selbst beschreiben - schwierig zu greifen, sich ständig weiterentwickelnd, nicht offensichtlich?

Repräsentation in den Medien ist wichtig, aber was ist, wenn es sich um eine vermeintliche Repräsentation handelt, die sich bloß als Repräsentation tarnt, weil wir sie gewöhnt sind? Emily Ratajkowski, die sich der Idee verschrieben hat, für den Feminismus zu brennen, sagte in der Januarausgabe der arabischen Harper's Bazaar: „Ich denke, viele Leute glauben, dass die Vorstellung von einer sexuellen oder sexualisierten Frau, das Gegenteil von Feminismus sei: Ich finde, dass diese Argumentation in mancher Hinsicht die freie Entfaltung von Frauen unterdrückt, weil man ihnen sagt, wie sie sich kleiden und wie sie sich verhalten sollen, was eigentlich das Gegenteil von Feminismus ist.“ Aber was, wenn diese vereinfachende, binäre Entweder-Oder-Weltsicht das eigentliche Gegenteil von Feminismus ist?

An diesem heutigen Wendepunkt beginnen intelligente Frauen zu erkennen, dass sie einer Form von ‚Staat im Staate’ ausgeliefert sind, ein geladenes politisches Konzept. So steht den Frauenbewegungen eine über Jahrzehnte und wohl Jahrhunderte hinweg gewachsene Kraft entgegen, die Frauen beeinflusst und ihnen eine äußerst komplizierte Eigenwahrnehmung verpasst hat. Sie ist heimtückisch, tief verwurzelt und hat ihre Tentakel in alle Lebensbereiche ausgebreitet, sie zieht all ihre Kraft aus der obsessiven und selbstzerstörerischen Beziehung, die Frauen zu ihren Körpern haben. Es ist sicherlich jederfraus Recht, Haut zu zeigen und damit auf Instagram 17 Millionen Follower viral zu beeinflussen, aber es ist nur eine Ablenkung, wenn es um den enormen Neustart geht, der für eine gleichberechtigte Gesellschaft vonnöten ist. Das unerschlossene Potenzial des ‚female gaze’ zu untersuchen ist eine Möglichkeit, eine andere ist es, “Slut Shamern", die Stirn zu bieten, doch beides scheint im aktuellen Klima schon fast rückwärtsgewandt. Wir brauchen eine innovative Perspektive neuer Disruptoren, dann werden die Gen Z-Emmeline-Pankhursts den Emily Ratajkowskis dieser Welt den Marsch blasen, während sie hartnäckigen patriarchalen Standards den Kampf ansagen.

Wendepunkt für die Gesellschaft

56 Prozent der US-Gen-Z'ers kennen jemanden, der geschlechtsneutrale Pronomen verwendet, so eine Studie aus dem Jahr 2016 von dem internationalen Trendforschungsunternehmen J. Walter Thompson Innovation Group. Bei den 28- bis 34-jährigen sind es immerhin noch 43 Prozent. Diejenigen, die der Generation Z angehören, lehnten die binäre Geschlechtertrennung beim Einkaufen ab - nur 44 Prozent sagten, dass sie immer Kleidung für ihr eigenes Geschlecht gekauft hätten, im Vergleich zu 54 Prozent der Millennials. Ein gesellschaftlicher Wandel ist im Gange, und wenn wir über „sie und er" hinausgehen, werden wir hoffentlich zu einer individualistischeren, instinktiveren, weniger vorgeschriebenen Darstellung unserer Sexualität und unseres Geschlechts gelangen.

Viele von uns lehnen eine übermäßige Vereinfachung dessen ab, was es bedeutet, weiblich zu sein. Wir sind nicht auf der Suche nach einer billigen Mitleidsbekundung, die vom dem Boden des Fasses der Medien der Werbebranche kommt, sondern nach einem gut konstruierten Fundament, das fest im Boden verankert wird und einen Hoover-Staudamm des weiblichen Selbstvertrauens trägt. Wir sind nicht länger mit unserem Selbsthass beschäftigt, mit reduktionistischen Diskussionen, clever gesponnenen binären Narrativen, bestehend aus Victoria-Secret-Engeln und all den anderen Masken und Verkleidungen eines kommerziellen Feminismus.

Stattdessen wenden wir uns einem anderen Ziel zu: Dem Drang, unzureichende politische Maßnahmen und Politiker zu ersetzen, Gesetzeslücken zu füllen und den Fortschritt voranzutreiben - die hinter ihrer Mode stehende Philo-sophie wird also auch ohne Philo bei Céline weitergehen. Aber wer wird dort ihren Platz einnehmen, um Frauen mit Substanz anzuziehen?

Dies ist eine Übersetzung eines englischen Beitrags von Jackie Mallon. Jackie Mallon lehrt Mode in NYC und ist die Autorin des Buches ‚Silk for the Feed Dogs’, ein Roman, der in der internationalen Modeindustrie spielt. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

Fotos: Emily Ratajkowski, Twinset campaign; Celine.com; arrest of Emmeline Pankhurst My Own Story by Emmeline Pankhurst. London: Virago Ltd., 1979. Originally printed 1914 by Hearst's International Library Co. USA. ISBN 0-86068-057-6; Victoria’Secret, Jewel Samad / AFP

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