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Gartenschläuche, BDSM und Bayern: Das Festival de Hyères 2022

Von Florence Julienne

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Mode

Das Festival de Hyères 2022. Foto: Florence Julienne

Die Talente der 37. Edition des Festival de Hyères, das in Zusammenarbeit mit der Messe Première Vision stattfindet, habe ein neues textiles Vokabular vorgestellt.

Die junge Generation wird nicht ewig die Altkleider (dead stocks oder upcycling) der Vorgängergeneration durchforsten müssen. Zumal diese, die sozialen und ökologischen Spuren eines Systems tragen, das seine besten Zeiten hinter sich hat. Für die jungen Designenden, die als Preisträger:innen und Finalist:innen im Bereich Mode und Modeaccessoires auf dem diesjährigen internationalen Festival für Mode, Accessoires und Fotografie in Hyères ihre Kollektionen präsentierten, ist "Nachhaltigkeit", im traditionellen Sinn, keine Option mehr. Für sie ist Upcycling der letzte Akt eines Modesystems, das sich am Ende seines Lebens befindet. „Ich werde nicht mein ganzes Leben lang Gartenschläuche recyceln", sagt Lora Sonney. Die junge Designerin hat trotzdem ihre ganze Energie darauf verwendet, ein neues Material zu entwickeln, das aus Gartenschläuchen hergestellt wird. Diese schneidet und erhitzt sie, bevor sie diese flach drückt, um eine Platte zu erhalten. Aus diesem Material fertigte die Designerin anschließend Taschen, Hüte, einen Minirock und einen Regenmantel.

Jenny Hytönen. Foto: Florence Julienne

Festival von Hyères 2022: Neuerfindung des Rohmaterials – die Herausforderung der Gen Z

Neben einer finanziellen Unterstützung von 20.000 Euro, Visibilität und Kontakten zu teilnehmenden Firmen spielt die Fachmesse Première Vision eine entscheidende Rolle, da sie den Schlüssel zu entscheidenden Energiequellen in der Hand hält. Philippe Pasquet, der Vorstandsvorsitzende der Stoffmesse wies anlässlich der Preisverleihung darauf hin, dass ohne das Thema "Rohstoffe" zu überdenken, keine (modische) Zukunft möglich ist. Interessant also, wie die Finalist:innen sich die Garne zu eigen machten, um das Feld der neuen Möglichkeiten neu aufzubauen.

Sie möge "Stricken und bdsm". Die Finnin Jenny Hytönen gewann den Hauptpreis der Jury von Première Vision und den Publikumspreis 2022. Sie interpretiert Materialien und Kleidungsstücke (wie eine Lederjacke) neu, indem sie Metallstifte angebracht oder einen durchsichtigen Maschenstoff mit Glasperlen verziert. Glenn Martens, der Präsident des 37. Festivals von Hyères, erklärte FashionUnited nach der Preisverleihung: „Jenny Hytönen hat eine Kollektion entworfen, die Kreativität, Know-how, Prêt-à-porter und Persönlichkeit vereint, ihre Arbeit ist vollständig".

In Bezug auf die Innovation von Materialien ist auch die Arbeit einer anderen Finnin zu loben – die übrigens mit vier von zehn Kandidat:innen stark vertreten waren – nämlich Priss Niinikoski. Dank der Unterstützung des europäischen Verbands für Flachs und Hanf (CELC), einem neuen Partner des Festivals, hat die junge Designerin die Fasern von Flachs (aber auch von Papier, Bast und Wolle) als Grundlage für ein neuartiges Gewebe genutzt. „Ich verwende eine sehr alte Schlingentechnik, die dem Stricken sehr ähnlich ist. Ich gehe wirklich von der gekämmten Leinenfaser aus und verwandle sie durch Handarbeit in ein Seil", erklärt sie. Ihr Ansatz ist aus modischer Sicht noch konzeptionell, setzt aber ein Zeichen. Aber auch deutsche Designer:innen waren mit dabei. Antonia Schreiter erfindet die Kunst des Strickens auf alten Webstühlen neu.

Valentin Lessner. Foto: Florence Julienne

Festival de Hyères 2022: Bayrischer Designer überzeugt bei Nachhaltigkeitspreis

Valentin Lessner erhielt den Preis le 19M des Métiers d'Art, den Preis für ökologisch verantwortliches Design von Mercedes-Benz und auch die Hochachtung von Maïda Gregori-Boina, der künstlerischen Leiterin des Festival de Hyères. Lessner beherrscht das Schneiderhandwerk, das er aus einer Familientradition übernommen hat, perfekt – und verleiht ihr mit recycelten Materialien und Entwürfen (eine Hose aus Leinenresten) seine ganz persönliche Note. Die Silhouetten der Kollektion sind von seiner Heimat Bayern und einer mystischen Gestalt, dem Perchten, inspiriert. Diese erinnert optisch an eine menschliche Bestie. Lessners Fähigkeit, eine Verbindung zwischen der alten und der Neuen Welt herzustellen, findet sich auch in der Arbeit von Joshua Cannone, dem Gewinner des Accessoirepreises wieder. Cannone lässt uns mit seinen Ledertaschen mit erstaunlichen und überdimensionalen Formen in das Metaverse eintauchen. Auch Adele Dendaletche macht mit Accessoires auf sich aufmerksam. Sie stellt Formen aus Plexiglas her, in die sie ein Bad aus PT Flex eintaucht, einem Harz, das aushärtet und es ihr ermöglicht, Sohlen herzustellen, ohne von den Mindestbestellmengen eines Herstellers abhängig zu sein.

Die 37. Ausgabe des Festivals von Hyères hat mit den präsentierten Kollektionen gezeigt, dass man auf einem neuen Fundament aufbauen kann. Einen Hafen für Träume, Schönheit und Freiheit zu schaffen, ganz nach dem Vorbild der stark vertretenen Schwulengemeinschaft, die sich hier von nicht immer wohlwollenden Blicken befreien kann. Dies ist zum Beispiel der Fall von Pierre Éon, einem Künstler, der von der Villa Noailles eingeladen wurde und der mit den Vorurteilen aufräumen möchte, die besagen, dass es im Breakdance keine Schwulen gibt. Vorurteile, die manchmal in Aggressivität umschlagen. So wurde eine der riesigen aufblasbaren Puppen von Glenn Martens auf dem Gelände der Villa Noailles mutwillig beschädigt. Die 38. Edition des Festivals von Hyères, das 2023 das 100-jährige Jubiläum dieses illustren architektonischen Bauwerks feiert, wird möglicherweise darauf bedacht sein, die Tür des Traums zu durchschreiten, um ihn vor Ort Wirklichkeit werden zu lassen.

Von links nach rechts: Lora Sonney, Priss Ninikoski, Juha Vehmaanperä. Foto: Florence Julienne

Die Gewinner des 37. internationale Mode- und Fotofestival von Hyères:

Jenny Hytönen: Grand Prix du Jury Première Vision und den Publikumspreis 2022

Valentin Lessner: Prix le 19M des Métiers d’Art und der Mercedes-Benz Nachhalitgkeits-Preis

Sini Saavala: Prix l’Atelier des Matières

Joshua Cannone: Grand Prix du Jury Accessoires

Lola Mossino und Indra Eudaric: Prix Hermès für Accessoires und den Publikumspreis

Rala Choi: Grand Prix Du Jury für Fotografie und den Publikumspreis

Adeline Care: Mention Spéciale Du Jury Photographie

Chiron Duong: Prix De La Photographie American Vintage

Dieser übersetzte und angepasste Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.fr.

Lola Mossino & Indra Eudaric, Adèle Dendaletche, Antonia Schreiter. Foto: Florence Julienne
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