„German Fashion Footprint“ verdeutlicht globale Auswirkungen der deutschen Modeindustrie
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Nachdem der Fashion Council Germany im Januar 2021 die Studie „Status Deutscher Mode“ veröffentlichte, folgt jetzt wie angekündigt die Fortsetzung: Die am 31. März 2022 veröffentlichte zweite Studie namens „German Fashion Footprint“ verfolgt, wie der Titel vermuten lässt, die globalen Auswirkungen der deutschen Modeindustrie. 38 Millionen Tonnen CO2 wurden von ihr weltweit für die Produktion von Bekleidung und Schuhen freigesetzt - davon mit 2 Millionen Tonnen knapp 5 Prozent innerhalb Deutschlands.
„Diese Studie für den Fashion Council Germany trägt dazu bei, die Tatsache zu verdeutlichen, dass der überwiegende Teil der Treibhausgasemissionen und Umweltauswirkungen der Modeindustrie außerhalb Deutschlands entsteht. Die Messung dieser Auswirkungen ist jedoch ein wichtiger Schritt, um Maßnahmen zu ergreifen. Es ist ermutigend zu sehen, dass die deutsche Regierung einige Initiativen ins Leben gerufen hat, die darauf abzielen, eine nachhaltigere Mode zu unterstützen, und dass Unternehmen in Deutschland Schritte unternehmen, um ihre globalen Emissionen zu verfolgen und zu reduzieren“, kommentiert Rob Harbron, Associate Director von Oxford Economics.
GIZ-Projektmanagerin und Umweltexpertin Rahel Lemke weist darauf hin, dass die Studie die Umweltbilanz der Branche und ihre Auswirkungen über die Grenzen Deutschlands hinaus verdeutlicht. „Deswegen unterstützt die GIZ im Auftrag des BMZ Initiativen wie das Bündnis für Nachhaltige Textilien, den Grünen Knopf, aber auch globale und bilaterale Projekte der Entwicklungszusammenarbeit wie die Initiative für Globale Solidarität oder FABRIC in asiatischen Produktionsländern, um die sozialen und ökologischen Bedingungen in der weltweiten Textilproduktion zu verbessern“, erklärt Lemke.
„Wir müssen uns gleichermaßen für ökologische und soziale Gerechtigkeit dort einsetzen, wo die Auswirkungen tatsächlich stattfinden“, schließt sich Magdalena Schaffrin an, Co-Owner und Creative Strategist bei Studio MM04.
Wie auch die erste Studie wurde auch der „German Fashion Footprint“ vom Institut Oxford Economics durchgeführt und von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) begleitet sowie vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beauftragt. Die Berliner Strategieberatung für Innovation und Nachhaltigkeit Studio MM04 stand beratend zur Seite und ist mitverantwortlich für die Auswahl der veröffentlichten Fallstudien zu About You, Hessnatur, Regenerate Fashion, Drip by Drip e.v. und Fashion Revolution Germany.
Was ist die Umweltbilanz der deutschen Modeindustrie?
Die Studie untersucht die Umweltbilanz der Branche anhand von fünf Hauptfaktoren: Treibhausgasemissionen, Luftverschmutzung, Wasserverbrauch, Energiebedarf und landwirtschaftlicher Flächenbedarf, stützt sich jedoch auf Daten aus dem Jahr 2019, also vor dem durch die Corona-Pandemie ausgelösten Produktionsrückgang.
„Unsere Studie „Status deutscher Mode“ zeigt, dass die deutsche Modeindustrie ein enormes wirtschaftliches Schwergewicht ist. Der Gesamtbeitrag der Modeindustrie zum deutschen Bruttoinlandsprodukt beträgt im Jahr 2019 66 Milliarden Euro. Die Modeindustrie in Deutschland mitsamt aller ihr Querschnittsbranchen umfasste 2019 1,3 Millionen Beschäftigte. Dabei fehlt es der Modeindustrie an gesellschaftlicher Akzeptanz und politischer Unterstützung wie zum Beispiel in anderen europäischen Modenationen wie Frankreich, Italien oder Großbritannien. Hierbei muss betont werden, dass Deutschland in Sachen Produktion von Modeerzeugnissen in Europa auf Platz zwei – noch vor Frankreich oder Großbritannien liegt“, fasst Fashion Council Germany Managing Director Scott Lipinski im Interview mit FashionUnited zusammen.
Wasserverbrauch und Flächenbedarf
Lipinski stellte in der Einleitung zum jüngsten Bericht auch die Frage, wie viel Wasser es braucht, damit Deutschlands Modebranche nicht auf dem Trockenen sitzt (Antwort: rund 6,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr) beziehungsweise welche Fläche an Land benötigt wird, um Deutschland zu bekleiden und sogenannte „deutsche“ Textilien herzustellen (2,5 Millionen Hektar, was fast der Fläche von Belgien mit 3 Millionen Hektar entspricht).
Luftschadstoffe und Treibhausgase
Auch die Emissionen der fünf Luftschadstoffe Kohlenmonoxid, Stickoxide, Schwefeldioxid, Feinstaub und flüchtige organische Verbindungen wurden kalkuliert und mit 740.000 Tonnen pro Jahr veranschlagt. Produktion und Transport schlagen mit 38 Millionen Tonnen an Treibhausgasen pro Jahr zu Buche, was den durchschnittlichen jährlichen Emissionen von 1,9 Millionen deutschen Haushalten entspricht.
Energieverbrauch
„Wir schätzen, dass die deutsche Modeindustrie im Jahr 2019 für ihre direkten Tätigkeiten sowie im Rahmen ihrer Lieferkette einen Energiebedarf von insgesamt 535.000 Terajoule hatte“, heißt es zum Energieverbrauch. Dies entspricht in etwa dem gesamten Stromverbrauch in den Niederlanden (510.000 Terajoule im Jahr 2018). Der größte Teil (83 Prozent) wurde durch fossile Brennstoffe gedeckt, der Rest durch Kernkraft und erneuerbaren Energiequellen.
Fazit
Der erste Schritt zur Reduzierung der eigenen Umweltbilanz besteht in ihrer Ermittlung und Veröffentlichung, so der Internationale Währungsfond in einem Leitfaden zum Management von CO2-Emissionen. Dieser wurde mit dem „German Fashion Footprint“ getan.
„Außerdem zeigen unsere Analysen sehr deutlich, in welchem Maß die deutsche Modeindustrie global operiert: Die größten Auswirkungen der in Deutschland verkauften Bekleidung sind aufgrund der Auslagerung der inländischen Produktion heutzutage vor allem im Ausland sichtbar“, resümiert die Studie.
Was sind die nächsten Schritte?
Der Bericht verweist auf Zusicherungen der größten deutschen Modemarken, ihre Lieferketten bis 2050 klimaneutral zu gestalten, beziehungsweise auf staatliche Unterstützung und Partnerschaften wie das Bündnis für nachhaltige Textilien und Initiativen wie das staatliche Textilsiegel Grüner Knopf, das Verbraucher:innen bei Kaufentscheidungen als Orientierung dienen soll.
„Es bedarf weiterer staatlicher Unterstützung, um den Unternehmen die erforderlichen Instrumente und das Wissen zur Berechnung ihrer Umweltauswirkungen an die Hand zu geben. Insbesondere kleine Unternehmen können dies nicht aus eigener Kraft bewältigen“, so das Fazit.
„Wir müssen an den Punkt kommen, an dem der Fußabdruck der deutschen Modeindustrie kontinuierlich gemessen wird, um eingeleitete Maßnahmen und Initiativen der Branche, Industrie und Politik besser ganzheitlich bewerten zu können. Nur indem wir von einem solchen Instrument Gebrauch machen, werden wir zukünftig in der Lage sein, richtige Entscheidungen zu treffen und neue Ideen zu entwickeln. Es hat uns doch sehr überrascht, wie wenig Transparenz entlang der Wertschöpfungskette vorliegt. Das müssen wir gemeinsam ändern“, fügt Lipinski hinzu.
Dementsprechend nennt der Bericht im Anhang Organisationen und Initiativen, die einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Transparenz im deutschen Modesektor legen, darunter das Beneficial Design Institute mit Sitz in Berlin, die Berliner Agentur für Kreislaufwirtschaft Circular.fashion, die Clean Clothes Campaign, Drip by Drip, die erste NGO, die sich der Wasserproblematik der Branche widmet, Transparenz-Software-Anbieter Retraced, die Good Garment Collective sowie Fair Wertung, der deutsche Verband für faire Wiederverwertung.