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Grüne Labels unter der Lupe: Nur 5 von 21 sind laut Greenpeace „vertrauenswürdig“

Wie stark können sich Verbraucher:innen auf sogenannte Nachhaltigkeitslabels verlassen und wann ist es Greenwashing? Die Umweltschutzorganisation Greenpeace untersuchte die bekanntesten.
Mode
Kann Polyester umweltfreundlich sein? KI-generiertes Bild zur Illustration. Credits: FashionUnited
Von Simone Preuss

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120 Millionen Tonnen Textilabfall wird derzeit von der Textil- und Bekleidungsindustrie pro Jahr generiert, der nicht weiterverwendet wird und auf Müllkippen landet, Tendenz steigend. Statt die Produktion zu drosseln und damit Emissionen und Rohstoffverbrauch drastisch einzuschränken, verstecken sich viele Modeunternehmen hinter sogenannten „Nachhaltigkeitslabels“, die Kund:innen suggerieren sollen, dass ihr Kauf okay ist, dass sie mit gutem Gewissen weiter Neuware kaufen können.

Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace war dies Grund genug, die 21 bekanntesten Labels für Bekleidung unter die Lupe zu nehmen und zu bewerten. „Besonders im Fokus lag dabei, wie vertrauenswürdig die Zertifizierungen sind. Denn ohne unabhängige Vorgaben und regelmäßige transparente Audits, die sicherstellen, dass die Versprechen über lange Zeit tatsächlich und verlässlich eingehalten werden, sind Gütezeichen unglaubwürdig“, erklärt die Organisation.

„Viele Mode-Labels nutzen Siegel heute gezielt zum Greenwashing, so können sie die ungebremste Überproduktion von Kleidung rechtfertigen und Konsument:innen ein vermeintlich gutes Gefühl beim Kauf vermitteln. Wir empfehlen daher, jede Kaufentscheidung und jedes Etikett kritisch zu hinterfragen. Wirkliche Nachhaltigkeit bedeutet, konsequent auf Langlebigkeit zu setzen und Alternativen wie Tauschen, Leihen oder Reparieren immer dem Neukauf vorzuziehen“, kommentiert Moritz Jäger-Roschko, Greenpeace-Experte für Kreislaufwirtschaft.

Welche Labels wurden untersucht?

Bei den 21 untersuchten Labels handelt es sich um 18 der bekanntesten und am verbreitetsten Gütesiegel und -zeichen im Modebereich sowie drei Labels von Modekonzernen. Zehn der 18 Gütesiegel betrachten die Lieferkette ganzheitlich; sie wurden anhand von fünf Bereichen untersucht: Unabhängige Kontrollen und transparente Berichterstattung, Nutzung von Chemikalien, weitere Umweltauswirkungen (Rohstoffe, Energie-, Wasserverbrauch, etc.), Umfang (welche Teile der Lieferkette sind erfasst) und Entschleunigung (langsame Produktionszyklen und Reduktion des Materialverbrauchs). Bei den acht Gütezeichen, die nur einen Teil der Lieferkette betrachten, konnten die letzten beiden Bereiche nicht bewertet werden.

Die Bewertung erfolgte entlang von fünf Einstufungen: „sehr vertrauenswürdig“, „vertrauenswürdig“, „bedingt vertrauenswürdig“, „wenig vertrauenswürdig“ und „absolut nicht vertrauenswürdig“.

„Als ‘vertrauenswürdig’ wurden nur jene Gütezeichen eingestuft, die erhebliche beziehungsweise deutliche Vorteile für die Umwelt bieten, indem sie unter anderem einen großen Teil der Lieferkette umfassen sowie einen hohen Anteil an (Bio-)Naturfasern und strenges Chemikalienmanagement voraussetzen“, erläutert Greenpeace.

Beim Chemikalienmanagement wurde beurteilt, ob die Gütezeichen eine Liste verbotener Chemikalien für die Herstellung (z. B. ZDHC – Zero Discharge of Hazardous Chemicals), Tests der Abwassereinleitung in den Fabriken sowie Einschränkungen für Chemikalien in den Endprodukten (RSL – Restricted Substances List) vorgeben. Entscheidend war „ein nachvollziehbares und wirksames transparentes Kontrollsystem mit strengen Kriterien“.

Vertrauenswürdige Labels

Keines der untersuchten Label bekam die Bewertung „sehr vertrauenswürdig“; vier schafften es immerhin zur Einstufung als „vertrauenswürdig“: Darunter GOTS (Global Organic Textile Standard) als eines der wenigen Gütezeichen, das sowohl soziale als auch ökologische Kriterien über die gesamte Textil-Lieferkette berücksichtigt. Zudem schreibt es das Verwenden von Fasern aus Bio-Produktion vor und die Standards werden regelmäßig aktualisiert und angepasst. Selbst keines der vertrauenswürdigen Labels bezieht jedoch Vorgaben zur Entschleunigung der Produktionskreisläufe ein.

IVN Best ist das derzeit strengste Gütezeichen für Naturfasern am Markt; Stoffe und Produkte aus Kunstfasern oder Mischfasern dürfen das Zeichen nicht tragen. Während der Bioanbau verpflichtend ist und chemisch-synthetische Pestizide somit verboten sind, verlangt das Label keine ausreichenden Tests des Abwassers auf gefährliche Chemikalien in den Fabriken, die Textilien färben oder waschen und die Kontrollen zu gefährlichen Chemikalien im Endprodukt sind in einigen Fällen „vergleichsweise schwach“ was Umfang und Grenzwerte angeht, so Greenpeace.

Oeko-Tex Made in Green ist ebenfalls ein strenger Standard für Textilproduktion und Endprodukt, hier jedoch mit Fokus auf umfangreichem Chemikalienmanagement. Jedoch werden Textilien aller Materialarten ohne Vorgaben für deren Nachhaltigkeit zertifiziert, das heißt auch Mischfasern und synthetische Fasern.

Das Naturland Gütezeichen wird vom unabhängigen Naturland Verband vergeben und ist vor allem bei Lebensmitteln bekannt; bei Bio-Textilprodukten ist es relativ streng. Wie bei IVN Best verlangt das Label aber keine ausreichenden Tests des Abwassers auf gefährliche Chemikalien in Färbe- und Waschbetrieben und die Kontrollen zu gefährlichen Chemikalien im Endprodukt sind in einigen Fällen „vergleichsweise schwach“.

Das einzige vertrauenswürdige Unternehmenslabel ist Vaudes Green Shape, da es regelmäßig aktualisiert wird und zeitloses Design, längere Nutzbarkeit und Möglichkeiten für Reparatur, Rücknahme, Wiederverwendung und Recycling zur Voraussetzung macht. Zudem verlässt es sich auf geprüfte Sozialstandards (Vaude erlangte den Leader-Status der Fair Wear Foundation). Verbesserungswürdig ist noch, dass Angaben zur Reduktion von Kunststofffasern in den Kollektionen fehlen.

Label, Label in der Hand - wer ist das vertrauenswürdigste im ganzen Land? KI-generiertes Bild zur Illustration. Bild: FashionUnited

Bedingt vertrauenswürdige Labels

Sechs Gütezeichen wurde in diese Kategorie eingestuft; darunter drei ganzheitliche - Blauer Engel, Cradle to Cradle Platin und Gold und das EU Ecolabel sowie Cotton made in Africa, Oeko-Tex Standard 100 und Organic 100 bei den Gütezeichen für Teilbereiche.

Der Blaue Engel vom deutschen Umweltministerium berücksichtigt die Umweltauswirkungen im gesamten Lebenszyklus der Produkte und wird für Kleidung aus allen Arten von Fasern vergeben. Auch hier mangelt es an Abwassertests auf gefährliche Chemikalien in Färbe- und Waschbetrieben und die Kontrolle zu gefährlichen Chemikalien im Endprodukt umfasst nur zehn Chemikaliengruppen.

Cotton made in Africa der Aid by Trade Foundation gilt nur für die Baumwollproduktion und macht keine Umweltvorgaben für die Verarbeitung der Kleidung. Es gibt keine Umwelt- oder Sozialvorgaben für andere Teile der Lieferkette, außer für den Baumwollanbau und die Entkörnung. Zudem gilt kein allgemeines Verbot von chemisch-synthetischen Pestiziden.

Cradle to Cradle ist ein komplexes Zertifizierungssystem, bei dem der Kreislaufgedanke im Vordergrund steht. Die Gold- und Platin-Stufe verbietet gefährliche Chemikalien in der Herstellung gemäß der ZDHC-Liste. Es mangelt jedoch an Abwassertests auf gefährliche Chemikalien in Färbe- und Waschbetrieben und an Kontrollen zu gefährlichen Chemikalien im Endprodukt.

Das EU Ecolabel berücksichtigt die Umweltauswirkungen im gesamten Lebenszyklus der Produkte. Es gibt jedoch keine Vorgaben, dass präferierte Naturfasern genutzt werden.

Der Oeko-Tex Standard 100 prüft die Schadstoffbelastung der Komponenten des fertigen Produkts und kontrolliert die Endproduzierenden sowie die Zertifizierung von Zulieferbetrieben. Es gibt jedoch keine weiteren Umweltvorgaben für die Produktion der Kleidungsstücke entlang der Lieferkette.

Der Organic Content Standard „OCS 100“ bestätigt den Anteil von zertifizierten Bio-Fasern in einem Kleidungsstück, umfasst jedoch nur die Menge und die Nachverfolgbarkeit der Fasern.

Wenig vertrauenswürdige Labels

Als „wenig vertrauenswürdig“ wurden Bluesign, Cradle to Cradle Bronze und Silber, der Grüne Knopf, Global Recycling Standard, Organic Content Standard, „OCS blended“, und der Recycled 100 Claim Standard eingestuft.

Bemängelt werden immer wieder die mangelnde Kontrolle von Chemikalien im Endprodukt, verschiedene Standards unter einem Dach, was für die Verbraucher:innen verwirrend sein kann, mangelnde Offenlegung von Lieferant:innenlisten und die Vergabe bereits bei einem geringen Prozentanteil.

Absolut nicht vertrauenswürdige Labels

Hierunter fallen der Recycled Claim Standard „RCS blended“ und die Better Cotton Initiative sowie einige Unternehmenslabels (s.u.). Zu den Mankos gehören etwa die Vergabe von einem Recyclinganteil von nur 5 Prozent des Rohmaterials (RCS blended), verschiedene Standards mit unterschiedlichen Anforderungen, nur teilweise unabhängige Kontrollen und keine Kontrolle von Chemikalien im Endprodukt sowie keine Umweltvorgaben für die Produktion entlang der Lieferkette.

Am meisten Vorsicht ist bei unternehmenseigenen Labels geboten: „Oft werden auch Produkte auf Basis schwacher Gütezeichen gekennzeichnet. Die „Schein-Standards“ sorgen dafür, dass sich die Fast-Fashion-Giganten nicht an die strengen Regeln unabhängiger Standards halten müssen, sondern sich die Regeln selbst schreiben können. So versuchen sie mit einer teils kleinen „Grünen Nische“, ihr gesamtes umweltschädliches Geschäftsmodell „Grün“ zu waschen“, so Greenpeace.

Hierunter fallen die noch aktuellen Labels Peek & Cloppenburg We Care Together und Primark Cares ebenso wie C&A Wear the Change, H&M Conscious, Mango Committed und Zara Join Life, die jedoch nicht mehr auf dem Markt sind.

Nachhaltige Entscheidung oder nicht? Labels können in die Irre führen. KI-generiertes Bild zur Illustration. Credits: FashionUnited

Soziale Gütezeichen

Zusätzlich zu Umwelt-Gütezeichen sollten Verbraucher:innen auch auf soziale Standards und Kontrollen achten. Diese legen Wert auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Fabriken und auf Farmen, die Rückverfolgbarkeit von Produkten und Rohstoffen, Fairtrade- und Bio-Produktion und unabhängige Kontrollen entlang der Produktionskette.

Expert:innen der Organisationen Inkota und Clean Clothes Initiative bewerten die folgenden vier als umfangreicher und vertrauenswürdiger als andere: Fair Labor Association, Fair Trade Certified Cotton, Fair Trade Textile Production und Fair Wear Foundation.

Empfehlung: weniger Konsum

Auch das beste Label kann eins (noch) nicht garantieren: keine Verwendung neuer Rohstoffe. Deshalb sollten Verbraucher:innen den Neukauf von Bekleidung, Schuhen und Accessoires gut abwägen.

„Die wichtigste Empfehlung für Konsument:innen ist deshalb ganz unabhängig von Gütezeichen: weniger Kleidung und dafür bewusster kaufen, auf Langlebigkeit und Qualität achten, vorhandene Kleidung durch schonendes Waschen länger erhalten, wenn möglich reparieren und statt neu zu kaufen Kleidung tauschen oder Second Hand tragen“, rät Greenpeace.

Beim Neukauf - sollte er unvermeidlich sein - können Gütezeichen helfen; sie sind prinzipiell eine gute Idee. Es gibt jedoch auf internationaler Ebene noch keine rechtlichen Rahmenbedingungen. Deshalb fordert Greenpeace ein starkes EU-Lieferkettengesetz „für hohe Umwelt- und Sozialstandards, verbindliche Vorgaben für Langlebigkeit und ein Verbot für Nachhaltigkeits-Behauptungen, die nicht über die gesetzlichen oder marktüblichen Vorgaben hinausgehen und nicht durch unabhängige Audits kontrolliert werden“.

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