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Haute Couture: Über Transparenz und die Zensur weiblicher Körper

Von Barbara Russ

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Mode
Bild: Florence Pugh in Valentino via PR

Die Haute Couture Schauen sind mit einer - für die letzten Jahre - ungewohnt hohen Prominenzdichte zurückgekehrt. Nach den Celebrity-besetzten Schauen in Paris ging es mit Dolce&Gabbana nach Siracusa, danach zu Valentino in Rom, wo auf der spanischen Treppe posiert wurde. Mit dabei: Florence Pugh in einem bodenlangen Abendkleid aus transparentem, neonpinkem Seidenorganza, das sie ohne BH darunter trug. Ein mutiger Look, für den sie viel Beifall - und leider auch viele negative Kommentare erhielt.

Die Schauspielerin teilte ihre Gedanken zu diesen Kommentaren auf Instagram mit einer langen Bildunterschrift. Darin kritisierte sie, dass es auf den sozialen Medien noch immer gang und gäbe zu sein scheint, den Körper von Frauen auf beleidigende und vulgäre Weise zu kritisieren. Kommentierende hatten Anstoß an ihren „kleinen Brüsten“ gefunden, sie als „flachbrüstig“ bezeichnet. Sie schrieb: „[I]ch wusste, als ich dieses unglaubliche Valentino-Kleid trug, dass es auf jeden Fall einen Kommentar dazu geben würde. […] Es war interessant zu beobachten, wie leicht es für Männer ist, den Körper einer Frau völlig zu zerstören, öffentlich, stolz und für jeden sichtbar.“

Y2K-Trend macht den Kulturwandel deutlich

Die Kultur wandelt sich, doch offenbar haben einige das nicht mitgeschnitten. Mit dem Comeback der 2000er Jahre in der Mode gerät auch die Kultur der damaligen Zeit auf den Prüfstand. Die Generation, die heute die knappen Outfits trägt, ist eine andere, als die damalige. Die Millennials, die in den 2000er Jahren in ihren Teens und Twens waren, waren es gewohnt, dass weibliche Stars aufs Härteste kritisiert und auf Basis ihres Aussehens und Körpergewichts kritisiert wurden. Nicht selten wurden weibliche Stars im Fernsehen gewogen. Das Idealgewicht war das von Kate Moss und Ikone Paris Hilton, die bekannterweise Kleidergröße 0 trug. Wer nicht diesem Ideal entsprach, wurde in der Klatschpresse zerrissen. Die Medien und die Modelandschaft waren gnadenlos im Verriss weiblicher Körper.

Zurück zum Heute: Gen Z lebt in einer Post-Me-Too Gesellschaft, in der Scham nicht mehr ganz so einfach als Waffe gegen Frauen eingesetzt werden kann. Junge Frauen haben gezeigt bekommen, dass sie sich zur Wehr setzen können, dass die Scham beim Schämenden liegt, nicht bei der Geschämten. So auch Florence Pugh, die das öffentlichen Bodyshaming nicht annahm, sondern die Schmähung postwendend an die Absender zurückgab: „Es ist nicht das erste Mal und wird sicher auch nicht das letzte Mal sein, dass eine Frau von einer Horde Fremder zu hören bekommt, was mit ihrem Körper nicht stimmt, aber es ist beunruhigend, wie vulgär einige von Ihnen sein können“, schrieb sie weiter.

Bild: Pinterest PR

Inklusivität und Plus-Size

Prominente, Publikationen und Plattformen gleichermaßen sind heute daran beteiligt und interessiert, Schönheit weniger eng zu definieren. Laut Allied Market Research wird der Markt für große Größen bis 2027 voraussichtlich 697 Milliarden US-Dollar erreichen. Der Markt für Plus-Size-Mode ist groß, aber das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist die der Kultur.

So kritisieren Aktivist:innen die Worte, die zum Verkauf von Mode genutzt werden. Laut Marktanalyseunternehmen Edited ergab eine Auswertung der Laufstegshows und der sozialen Medien vom Januar 2022, dass die Beschreibung „figurschmeichelnd“ 22 Prozent häufiger zur Beschreibung von Kleidung für Frauen in Übergrößen verwendet wird, als für normale Größen und „schlank machend“ 19 Prozent häufiger.

Obwohl der Anteil der Plus-Size-Mode auf dem Laufsteg von Saison zu Saison zunahm, machten Plus-Models bei den Frühjahrsshows 2022 nur 1,81 Prozent aller Gecasteten aus. Dieser Mangel an Größenvielfalt wird von der Generation Z durchschaut, und im viralen TikTok-Clip „Ist es ein Look, oder ist sie einfach nur dünn?“ kritisiert. Darin wird angeprangert, dass in der Modeindustrie dünne Menschen, egal was sie tragen, als modisch angesehen werden, obwohl es eigentlich ihr Körper ist, der als modisch wahrgenommen wird. Diesen toxischen Trendkreislauf wollen sie durchbrechen.

Ein gutes Beispiel für den Umgang mit diesem Thema liefert die Bilderplattform Pinterest, die vor einem Jahr ein Werbeverbot für Inhalte zum Thema Gewichtsverlust eingeführt hat. Es wolle seine Plattform zu einem „sicheren und positiven Umfeld zu machen, in dem sich alle Nutzer*innen frei fühlen, so zu sein, wie sie sind“, so Sarah Bromma, Head of Policy bei Pinterest. In einem diese Woche veröffentlichten Body Neutrality Report zog Pinterest das Fazit, dass Suchanfragen mit dem Inhalt „Gewichtsverlust“ seit Einführung des Verbots von Anzeigen zum Thema Gewichtsverlust um 20 Prozent gesunken seien.

Bild: Victoria Strukovskaya auf Unsplash

Zensur weiblicher Körper und #Freethenipple

Und dennoch gibt es sie, die Internet-Trolle, die ihre Meinung offen und ohne Skrupel kundtun, ganz so als wäre es selbstverständlich, dass sie die Deutungshoheit über den Körper eines anderen Menschen haben. Ein Faktor, der dabei sicherlich eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass die Bilderplattform selbst eine diskriminierende Regelung beibehält. Nämlich, dass die Brustwarzen von Frauen zensiert werden, die von Männern jedoch nicht. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass Frauenkörper kulturell eben sexualisiert sind, Männerkörper nicht. So reproduziert sich die Kultur, die zu dem Problem geführt hat. Ein strukturelles Problem, das den Trollen scheinbar Recht in dem gibt, was sie tun.

Von Instagram heißt es dazu, dass die Richtlinien sicherstellen sollen, „dass Inhalte auf unseren Plattformen für Menschen ab 13 Jahren geeignet sind. Außerdem möchten wir, dass sich unsere globale Community, die verschiedenste Länder, Kulturen und gesellschaftliche Normen umfasst, auf unseren Plattformen sicher fühlt und frei ausdrücken kann. Um hier eine Balance zu finden und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden, überprüfen wir unsere Richtlinien ständig und passen diese an,“ so eine Meta Sprecherin auf Anfrage von Fashion United. Eine Gratwanderung zwischen natürlichem Körperbild und pornografischen Inhalten, die sicherlich nicht einfach ist. Der Aktivismus rund um das Hashtag #Freethenipple, auf das sich auch Florence Pugh bezog, hat in den letzten Jahren schon zu einem Aufweichen dieser Regelungen geführt. So werden mittlerweile Brustwarzen in bestimmten Kontexten, wie beim Stillen oder bei Protesten, auf Instagram nicht mehr zensiert.

Bild: Pinterest PR

Physische und mentale Gesundheit

„Zum Glück habe ich mich mit den Feinheiten meines Körpers abgefunden, die mich zu dem machen, was ich bin. Ich bin glücklich mit all den 'Mängeln', deren Anblick ich mit 14 Jahren nicht ertragen konnte“, schrieb Pugh weiter.

Dass es einem egal sein kann, was andere über den eigenen Körper denken, ist eine Erkenntnis, die viel für die mentale Gesundheit bewirken kann. Zu lange Zeit wurden Frauenköper, insbesondere auch von der Modeindustrie, gemaßregelt und in eine Form gepresst. Die Modeindustrie versuchte – und versucht noch immer – den Frauen einen Norm-Körper zu verkaufen, anstelle von Kleidung. Bodypositivity, Self-Love und Bodyneutrality, sind Schlagworte, die für einen hart erkämpften Kulturwandel stehen. Gegen den Widerstand von Gatekeepern in Modelagenturen, Modezeitschriften und den Modehäusern selbst, werden heute endlich auch Frauen als schön angesehen, die dem verstaubten Idealen aus dem letzten Jahrhundert nicht entsprechen. Damit es so bleibt, braucht es mehr mutige Frauen wie Florence Pugh.

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