Hosenanzüge: Der Modetrend, der den arbeitenden Frauen huldigt
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Der mehr oder weniger lange, weit geschnittene Blazer, der mit einem Rock, einer Hose, oder Shorts getragen wird, ist der unumgängliche Trend für die Herbst/Wintersaison 2023/2024. Der Trend ist auf dem gesamten Modemarkt zu finden, von Luxushäusern bis hin zu Fast-Fashion-Marken, die wie immer schnell sind, wenn es um die Adaptation eines Verkaufsschlagers geht.
Der Ursprung der Silhouette liegt, wie so häufig, bei Yves Saint Laurent. Nicht bei der Marke, sondern dem Mann. Saint Laurent lies sich in den Sechzigerjahren vom androgynen Look von Model Betty Catroux, die er in einem Nachtclub kennengelernt hatte, inspirieren, um den Hosenanzug populär zu machen. „Die Amerikanerinnen werden ihre Garderobe anzünden wollen, wenn sie das sehen. [...] Saint Laurents neue männliche Stoffanzüge sind die Sensation der Saison in Paris“, schrieb die Branchenzeitung Women's Wear Daily 1967 am Tag nach der Show.
Dieser neue, von der Männergarderobe inspirierte Look gibt den Frauen Macht: Macht über ihren Körper, aber auch finanzielle Unabhängigkeit. Es dauerte jedoch bis in die 1980er Jahre, bis dieser Look wirklich auf der Straße ankam. Die Ära der ‚Working Girls‘, die durch das Kostüm, das Melanie Griffith im gleichnamigen Film trug, perfekt illustriert wird und dem Dolly Parton mit dem Song ‚9 to 5‘ ein Denkmal setzte, hatte begonnen. Viele Jahre später kehrt das ästhetische Ideal der Power-Frau nun zurück.
Der Working-Girl-Look
Im sozialen Netzwerk Instagram, das häufig als Modekompass fungiert, versammelt das Hashtag #tailleurfemme (also Damenkostüm) fast 55.000 Posts von jungen Mädchen bis Frauen mittleren Alters gleichermaßen. Ähnlich erfolgreich ist das Hashtag auf TikTok. Kommt der Working-Girl-Trend von der Straße? Diese Frage stellt sich, wenn man bedenkt, dass das weibliche Kostüm bei Zara bereits weit verbreitet ist, wie die Fotos der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2023 zeigen. Das Bild mit einer grünen Jacke und den Minishorts erinnert an die Miu Miu Herbst/Winter 2023 Show. Wer lässt sich hier von wem inspirieren?
Auffällig ist auch, dass die Fast-Fashion-Marke Shein Ende Februar 2023 ein sogenanntes ‚Creative House‘, einen neuartigen Raum für Kreativität, im zweiten Pariser Arrondissement eröffnete. Zu diesem kreativen Hub gehört die Bizwear-Kollektion, die „die klassischen Looks von Working Girls mit kräftigen und unerwarteten Farben neu interpretiert. Hier wird die Bürouniform modernisiert und kann nun zu jedem Anlass getragen werden“, heißt es dazu von der Ultra-Fast-Fashion-Marke.
Ein weiteres Beispiel sind die Kollektionstexte der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2023 der Massenmarktmarke Don't Call Me Jennyfer: „Der Anzug ist ein Synonym für Macht, er wird von Frauen als Zeichen der Gleichheit mit den Männern getragen, um ihre Seriosität nach außen zu zeigen. Er ist schick, bequem und leger, und das perfekte Outfit, um einen Arbeitstag mit einer After-Work-Party mit Freundinnen zu verbinden“. Für den Frühling und Sommer 2023 hat Don't Call Me Jennyfer daher eine Spring Tailoring Kollektion herausgebracht, die vom klassichen dreiteiligen Anzug bis hin zu farbenfrohen Modellen reicht.
Von der Bürouniform zu den privilegierten sozialen Klassen
Anthony Vaccarello für Saint Laurent erhob in seiner Herbst/Winter-Kollektion 2023/2024 den Anzug- und Kostümtrend auf den Laufstegen der Pariser Fashion Week zu einem Sakrileg. Das Magazin Numéro titelte: „Das Kostüm, fataler als je zuvor auf dem Laufsteg von Saint Laurent“. Breite Schultern, Blazer, einfarbig oder mit Nadelstreifen, geschlitzter Bleistiftrock, tiefes Dekolleté – der Ton für die nächste Saison ist vorgegeben.
Nachdem die Luxusmarke Valentino das Bonbonrosa des letzten Winters hinter sich gelassen hat, besinnt sie sich neu auf den Begriff Empowerment: „die Macht des Individuums, die sozialen, wirtschaftlichen, politischen oder ökologischen Bedingungen, mit denen es konfrontiert ist, zu beeinflussen“. Das Stilargument, das dafür herangezogen wird, ist der Anzug mit Krawatte. Für die Saison Herbst/Winter 2023 rückt Pierpaolo Piccioli die schwarze Krawatte in den Mittelpunkt einer Kollektion, die sich um Stücke aus dem Alltag dreht.
„Als Instrument der gesellschaftlichen Konformität wird die Uniformität zu einem Objektiv, das die Menschlichkeit hervorhebt, um die Persönlichkeiten zu betonen“, heißt es bei Valentino. Anstatt die Individualität zu unterdrücken, kann die Homogenität einen Rahmen für jeden Menschen bilden, der die Ähnlichkeiten und Unterschiede hervorhebt und deren Nuancen verstärkt. „So wie die Bedeutung der schwarzen Krawatte aufgebrochen und in einer neuen Definition wieder zusammengesetzt. So wird unsere Wahrnehmung der formellen Kleidung überdacht und Konventionen werden gebrochen“.
Das überraschendste Element dieser neuen Ästhetik bildete vielleicht die Balmain Herbst/Winter 2023/2024 Show. Der kreative Kopf, Olivier Rousteing, hatte zwar schon häufiger das Bild von Kriegerinnen bemüht, aber er war noch nie in den Archiven von Pierre Balmain gewesen, um den berühmten „Jolie Madame“-Look auszugraben: schmale Taille, breite Schultern, perfekte Bundfalten, ausgeklügelte Volumen – der den Erfolg des Modehauses 1945 begründete.
Wenn Stars und Influencer das Tailoring für Frauen tragen
Schließlich, und das ist die größte Überraschung, zeigten die Bilder der roten Teppiche und Events der Luxusmarken, die meist noch viraler als die Bilder vom Laufsteg sind, dass viele Stars und Influencerinnen diesen Trend übernehmen. So zeigten sich Alexandra Pereira (2,3 Millionen Follower:innen auf Instagram), Christine Sun (59 Millionen Follower:innen) und Didi Sun (1,6 Millionen Follower:innen) in Balmain, während Lena Mahfouf (4 Millionen Follower:innen) Dior wählte und Chiara Ferragni (29 Millionen Follower:innen) sowie Emma Stone (656.000 Follower:innen) auf Louis Vuitton setzten. Carla Bruni (773.000 Follower:innen) wiederum zeigte sich in Saint Laurent. Wenn so viele Stars und Berühmtheiten das Kostüm beziehungsweise den Anzug für sich entdecken, muss es wohl das Must-have für den Herbst und Winter 2023/2024 sein.
Dieser Artikel wurde auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ