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HUND HUND: Wegbereiter für “radikale” Transparenz in der Modebranche

Von Vivian Hendriksz

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Mode|INTERVIEW

Wenn es um Transparenz und Nachhaltigkeit in der Modebranche geht, gehört die deutsche Modemarke HUND HUND zu den Vorreitern für positive Veränderungen. HUND HUND wurde 2016 von Rohan Michael Hoole und Isabel Kücke online gegründet und hat es sich zum Ziel gesetzt, den Kunden stilvolle, zeitlose und langlebige Mode für die ultimative “minimale Garderobe” zu bieten. Die Marke bietet zeitgemäße Damen- und Herrenmode sowie Accessoires für Hunde an, wobei alle Artikel vor Ort auf ehrliche Weise und zu einem fairen Preis in Europa hergestellt werden. Das ethisch ausgerichtete Label glaubt auch an radikale Preistransparenz und bietet den Kunden einen Einblick in ihre Lieferkette, indem es die Kosten für jedes Kleidungsstück angibt - vom Ursprung des Stoffes bis hin zu den Herstellungskosten und der Gewinnspanne.

Seit seiner Gründung hat das junge Label loyale Unterstützung in ganz Europa gewonnen und um mit seinen Kunden direkt in Kontakt treten zu können, hat HUND HUND seinen ersten Pop-Up-Store im Ausland in Amsterdam eröffnet. FashionUnited traf Kreativchef Rohan Michael Hoole, um mehr über seine Haltung zu Transparenz, nachhaltiger Mode und den Zukunftsplänen für HUND HUND zu erfahren.

FashionUnited: Woher kam die Idee, HUND HUND in Bezug auf Kosten und Preisgestaltung radikal transparent zu machen?

Hoole: “Menschen mögen Transparenz. Gerade Deutschen ist Transparenz ein Anliegen. Aber wir haben das radikale Kostentransparenzkonzept nicht erfunden. Es gibt andere Marken wie Honest By und Everlane, die es sehr gut machen. Als ich zum ersten Mal darüber gelesen habe, war ich sehr daran interessiert. Ich denke, die Maskierung dessen, was passiert, wenn man ein Kleidungsstück herstellt, ist der Grund, warum all diese schlimmen Dinge in der Modeindustrie passieren. Weil gute Leute Dinge kaufen, die beschmutzt sind. Die Tatsache, dass wir im Wesentlichen andere dazu auffordern, den ökologischen und sozialen Preis unserer Kleidung zu zahlen, macht es logisch, transparent dabei zu sein. Je mehr beleuchtet wird, wie Artikel hergestellt werden, desto mehr Menschen stellen den Prozess in Frage und die größeren Unternehmen werden unter Druck gesetzt, ihre eigenen Prozesse zu verbessern.”

“Wir sind keine teure Marke; wir sind eine Marke im mittleren Preissegment, weil unsere Designs langlebig sind und vor Ort hergestellt werden. Ich denke, es muss erschwinglichere und nachhaltigere Designs geben, denn Nachhaltigkeit sollte nicht nur für Reiche sein.”

Glauben Sie, dass alle Verbraucher interessiert daran sind zu wissen, wer ihre Kleidung gemacht hat?

“Nicht jeder Kunde möchte wissen, woher die Baumwolle für sein T-Shirt kommt. Aber weil wir nur zu zweit sind, dauert es manchmal ein bisschen, bis ich durch jeden meiner Belege durch bin, um den Transparenzpreisindex für jeden Artikel zu berechnen. Dies ist unglaublich zeitintensiv, aber ich bekomme Beschwerden von Kunden, wenn es zu lange dauert! “Das ist seit einer Woche online; es gibt keinen Transparenzindex. Ich möchte wissen, wieviel es kostet, es herzustellen!” Unsere Kunden sind also wirklich interessiert; das ist toll. Oft bohren Kunden bei bestimmten Nachhaltigkeitsthemen oder beim Tierschutz nach, wie etwa Mulesing bei Strickwaren, und mir wird klar, dass ich selbst mehr herausfinden muss. Wir versuchen, offen zu sein und Gespräche mit unseren Kunden zu führen.”

Was glauben Sie, warum immer mehr Menschen aufstrebende, nachhaltige Modemarken wie HUND HUND unterstützen?

“All diese schlimmen Dinge passieren in der Branche aufgrund ihrer globalen Skalierung und Lieferkette und ich denke, dass viele Leute sich dafür entscheiden, kleinere Labels zu unterstützen, die mit kleineren Werkstätten arbeiten, weil dies etwas Sinnvolles ist, was man als Verbraucher tun kann. Viele größere Marken entwerfen wirklich schöne Kleidung und schaffen ein sehr schönes Einkaufserlebnis, aber unter der Oberfläche gibt es viele ökologische und soziale Probleme. Die Marken sind gut darin, diese zu verbergen, aber mehr Menschen werden sich dessen bewusst und suchen nach Alternativen, die mit ihren Werten übereinstimmen.”

“Wir sind ein kleines Zwei-Personen-Unternehmen, und wenn Leute eine E-Mail bekommen, dann ist sie meistens von mir. Meine Telefonnummer steht auf der Website und wenn jemand uns anrufen und Fragen stellen will, dann bin ich es, der antwortet. Die Leute sind super unterstützend und verständnisvoll, solange wir es richtig machen und zu unserer Überzeugung stehen; das ist ein Teil der Anziehungskraft der Marke. Aber ich glaube, der größte Einfluss, den wir ausüben, ist dass wir die Denkweise der Menschen ändern. Je mehr Menschen über Nachhaltigkeit und die Folgen schlechter Lieferketten nachdenken, desto mehr müssen andere Unternehmen ihre Praktiken verbessern.”

HUND HUND für seine langlebigen und hochwertigen Designs bekannt. Woher beziehen Sie Ihre Stoffe?

“Wir beziehen sie aus verschiedenen Standorten. Wir haben zwei Stofflieferanten, die Extramaterialen von Traditionsfabriken in Italien, Deutschland und der Schweiz beziehen. Sie erhalten Stoffe von den gleichen Tuchfabriken wie Jil Sander, Armani oder Gucci, die vielleicht 50.000 Meter Stoff bestellen, und dann sind noch 1.000 Meter übrig. Man braucht 16.000 Liter Wasser, um einen Meter Jersey herzustellen, also bedeuten 1.000 Meter Stoffreste eine Wahnsinnsverschwendung von Wasser.Wir glauben fest an dieses Modell, weil es auf verschiedenen Eben funktioniert. Auf Nachhaltigkeitsebene hilft es uns, unseren CO2-Fußabdruck und unseren Verbrauch zu reduzieren. Zudem sind die Stoffe wirklich erstaunlich. Man muss durch Tausende von Stoffen suchen, um die vier oder fünf zu finden, die man will, aber eine Menge der Stoffe, die wir finden, sind etwas ganz Besonderes.”

“Wir arbeiten auch mit zwei größeren Lieferanten zusammen; einer in Portugal und einer in Italien, die ihre eigenen nachhaltigen Stoffe produzieren. Kleine Teile ihrer Kollektionen sind dem Experimentieren mit Tencel oder Biobaumwolle gewidmet. Wir glauben, dass das Anbieten nachhaltiger Sonderkollektionen für die Branche sehr positiv ist. Und dann arbeiten wir auch mit ein paar Lieferanten zusammen, die nur nachhaltige Stoffe herstellen.”

Haben Sie jemals das Gefühl, dass Produkte oder Designs begrenzt sind, wenn Sie nur nachhaltige, organische oder übriggebliebene Materialien verwenden?

“Nun, zunächst muss man schöne Kleidung schaffen, die die Leute tragen wollen; nichts ist wichtiger als dieser erste Schritt. Wir haben nicht für alles nachhaltigen Lösungen gefunden, aber man muss weiter suchen. Wenn wir auf eine Textilmesse gehen, ist es das gleiche wie überall sonst - man muss durch Tausende Stoffe suchen, um 50 zu finden. Uns ist aufgefallen, dass man von Saison zu Saison Lieferanten finden kann, die einen mit fünf bis sieben ganz speziellen Stoffen versorgen können, die einem eine Identität für die kommende Produktgruppe bieten, das ist wichtig.”

“Als junge Marke muss man zu seiner Qualität stehen. Wir mussten beispielsweise im vergangenen Jahr eine unserer beliebtesten Hosen zurückrufen, weil die Qualität des Materials am Ende nicht unseren Ansprüchen entsprach. Der Stoff wurde überfärbt und davon so spröde, dass er zerriss. Also mussten wir unsere Kunden kontaktieren, die Artikel zurückrufen und Kosten erstatten. Aber das sind die Dinge, von denen man lebt und von denen man lernt.”

HUND HUND hat in dieser Woche sein erstes Pop-up-Geschäft im Ausland eröffnet. Warum haben Sie sich für Amsterdam entschieden?

“Wir wollen unseren Kunden HUND HUND vorstellen und sie persönlich begrüssen. Amsterdam ist unsere zweitwichtigste Stadt nach Berlin; wir haben hier mehr Besucher und Umsätze als in Hamburg oder Köln. Es war eine völlige Überraschung für uns. Wir haben die Marke vor zwei Jahren in Deutschland auf den Markt gebracht, und die Dinge liefen gut. Damals dachte ich noch nicht mal an Marketing oder ähnliches, aber plötzlich fing Amsterdam an, Interesse zu zeigen und jetzt fahren wir täglich nach Amsterdam, was verrückt ist. Es ist wirklich toll. Als Michelle (eine von HUND HUNDs ersten Angestellten) den Ort vorschlug, schien es ein glücklicher Zufall zu sein und wir waren sofort einverstanden.”

“Ich mag es hier sehr; der Laden hat eine wirklich gute Atmosphäre. Die Niederländer kommen herein und zeigen wirklich Interesse und Verständnis für das, was wir tun. Sie nehmen das Label sehr positiv auf und ich kann mir vorstellen, hier dauerhaft einen Laden zu eröffnen.”

Das wäre sicher sinnvoll. Können Sie uns etwas mehr über die Eröffnung eines ersten Ladens in Berlin später in diesem Monat erzählen?

“Das Geschäft in Berlin wird ein bisschen anders sein. Transparenz ist das Kernstück unseres Handelns. Wir wollten unsere Preistransparenz noch einen Schritt weiter bringen, so dass der Standort in Berlin unser Atelier, Showroom und Geschäft in einem sein wird. Es ist in diesem wirklich erstaunlichen, nachhaltigen Gebäude, das 20 kreative Unternehmen beherbergt, die alle nachhaltige Werte haben. Es ist nicht im Einkaufsviertel; es ist in Wedding, einem aufstrebenden kreativen Zentrum. Wir wollen unsere Kunden in unser Studio einladen und ihnen die Marke zeigen - es gibt keine Wände im Raum, also ist es wirklich total durchsichtig. Die Regale sind an einer Wand und Isabel hat ihren Schneidetisch in zehn Metern Entfernung. Wer hereinkommt, kann genau sehen, was wir machen.”

“Der Standort wird nicht den regulären Ladenöffnungszeiten folgen; wir werden wahrscheinlich zwei bis drei Tage pro Woche geöffnet haben. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, an zwei Wochentagen nachmittags und einen halben Tag an einem Samstag geöffnet zu sein, um Kunden eine Anlaufstelle zu bieten. Wir möchten, dass unsere Kunden unsere Designs sehen und anfassen, weil dies in vielerlei Hinsicht eine unserer größten Herausforderungen beim Online-Verkauf von Kleidung ist - unsere Kunden können den Stoff nicht ansehen oder fühlen und wissen nicht, wie ein Artikel passt. Wir möchten auch Vorträge halten und andere interessante nachhaltige Marken an einem Tag pro Woche vorstellen - je mehr Fäden der Zusammenarbeit gesponnen werden, umso besser.”

Wir haben auch gehört, dass Sie planen, im Laufe des Jahres mehr Pop-up-Stores zu eröffnen, stimmt das?

“Ja, wir kommen Ende August für zwei Tage ins Hoxton Hotel nach Amsterdam zurück. Wir planen, so viele Pop-ups wie möglich in der zweiten Jahreshälfte zu eröffnen, etwa in Hamburg, Malmö und Zürich. Das ist der erste Test; wenn es in diesen Märkten gut läuft, dann planen wir, ein längeres Pop-up für zwei oder drei Monate zu machen und zu sehen, wie es weitergeht.”

“Als ich die Marke gegründet habe, hatte ich die Idee, dass wir ein reines Online-Unternehmen sein könnten, aber mir ist sehr klar, dass die Marke in der wirklichen Welt besonders gut funktioniert. Wenn Menschen die Stoffe anfassen und die Kleidungsstücke anprobieren - die auch nicht die konventionellsten Schnitte aufweisen - ist es viel einfacher, etwas Neues auszuprobieren, besonders wenn man es sieht und fühlt. Wenn die Pop-ups erfolgreich sind, bin ich mir sicher, dass wir auch ein stationäres Geschäft sowie online haben werden. Sobald man eine Marke kennt, ist es auch einfacher, sie online zu kaufen. Aber ich denke, dass der Online- und der stationäre Handel gut miteinander harmonieren, denn die Geschäfte bieten den Verbrauchern eine Möglichkeit, die Ästhetik einer Marke wirklich zu erkennen und zu verstehen.”

Können Sie uns etwas mehr über weitere Pläne für die Zukunft erzählen?

“Wenn wir hoffentlich wachsen und mehr Ressourcen bekommen, wollen wir Taten auf Worte folgen lassen und mehr tun, wie etwa Pflegeetiketten und Recycling. Ich möchte eine Möglichkeit finden, bei HUND HUND das Recycling von Kleidungsstücken möglich zu machen. Wir möchten zudem auch mehr erzählen; etwa gerne mehr Informationen darüber geben, woher die Stoffe kommen, die wir verwenden, und über alle Prozesse, die zur Herstellung unserer Kleidung notwendig sind. Wir würden gerne mehr Geschichten über die Fabriken erzählen, mit denen wir arbeiten, da wir das für wichtig halten. Wir möchten auch gerne mehr Artikel pro Saison produzieren und die Kollektion monatlich wechseln.”

“Wir versuchen auch, mit Marken zu sprechen, die an diesen Themen arbeiten und Wege zu finden, zusammenzuarbeiten. Je mehr wir zusammenarbeiten können, um diese Probleme zu lösen, desto bessere Chancen haben wir, auch Lösungen für sie zu finden. Zum Beispiel war ich vor ein paar Wochen in Peru und las über dieses Label, das mit Gefängnisinsassen arbeitet, was ich wirklich cool finde und wir unterhalten uns jetzt. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass wir zusammenarbeiten; es gibt viel zu tun in Bezug auf Logistik, Distanz und Nachhaltigkeit, aber wir sollten alle bereit sein, es zu versuchen.”

Wo sehen Sie HUND HUND in fünf Jahren?

”Nun, fünf Jahre sind eine wirklich lange Zeit. In zwei Jahren möchte ich, dass wir fünf oder sechs Geschäfte in fünf europäischen Städten haben, die wir mögen. An diesem Punkt wird das Unternehmen aus der Anfangsphase heraus sein und wir werden hoffentlich eine solidere Basis haben, um die Kollektionen zu erweitern. Wir haben nicht unbedingt den Ehrgeiz, HUND HUND zu einem multinationalen Einzelhändler zu machen, aber ich kann mir vorstellen, dass wir eine Lifestyle-Marke werden. Wir stellen gerne Dinge her. Ich versuche gerade, Isabella davon zu überzeugen, dass eines unserer Projekte für die zweite Jahreshälfte Bienenstöcke sein sollten, die auf Balkons passen. Dies ist nachhaltig, Bienen sterben, und es hilft, ihre natürliche Flora und Fauna zu erhalten. Zudem sind wir beide Hobby-Imker. Ich kann mir vorstellen, dass wir ein paar merkwürdige Sachen machen werden, aber insgesamt möchten wir, dass es persönlich bleibt und wir uns treu bleiben.”

Das Pop-Up von HUND HUND in Amsterdam befindet sich im De Merkenwinkel, Huidenstraat, 13-H Amsterdam und ist noch bis Sonntag, dem 17. Juni 2018, geöffnet.

Dieser Text erschien zuvor auf FashionUnited.uk. Übersetzung und Bearbeitung: Simone Preuss

Fotos: HUND HUND FS18

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