Interview mit Mode-Dokumentarfilmerin Charney Magri: „Kleidung muss geschätzt werden“
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Charney Magri ist eine preisgekrönte ethische Fotografin, Regisseurin und Produzentin, die jüngst einen Kurzfilm mit dem Titel „Catwalk to Creation“ inszeniert hat, der Ende des Jahres erscheinen wird. Sie ist auch eine Autorin, Rednerin, Mentorin und Aktivistin. Mit fast 20 Jahren Erfahrung in der Modebranche hat Charney mit einigen der Größten gearbeitet: der British Vogue, Nick Knight, Ralph Lauren und der Estée Lauder Group - um nur einige zu nennen. Sie ist außerdem Sprecherin der Global Fashion Exchange (GFX) und Mitgründerin und CEO von Fashion 4 Change. FashionUnited sprach mit ihr über ihre spannenden Aktivitäten und wie es ist, nachhaltig zu leben.
FashionUnited: Charney, wie ging es bei Dir mit der Nachhaltigkeit los?
Charney Magri: Seit über 20 Jahren habe ich in den Branchen Mode, Schönheit und Werbung gearbeitet. Vor ungefähr vier Jahren kam ich an meinen moralischen Kreuzweg, an dem ich neu bewerten musste, wie ich meinem Leben mehr Wert hinzufügen und meinen Grundwerten besser entsprechen könnte. Ich bin in Australien aufgewachsen, wo Nachhaltigkeit eine Selbstverständlichkeit war: Wasserbeschränkungen waren in Kraft, also haben wir kein Wasser verschwendet. Wir haben unseren Müll getrennt und Essensreste als Kompost für das Gemüsebeet verwendet; Recycling war normal und die normale Art zu leben. Es gab auch nachhaltige Mode, aber Nachhaltigkeit überspannte wirklich den gesamten Lebensstil von Mode bis hin zu allen Einkäufen, Essen, Reisen; jeden Bereich meines Lebens. Jetzt wird alles in größerem Umfang durchgeführt und ich suche wirklich aktiv nach Marken und Unternehmen, die daran arbeiten, eine positive Veränderung zu bewirken.
Vor langer Zeit bin ich dann von Australien nach Großbritannien gezogen. Ich hatte zwei Jobs, arbeitete tagsüber in Magazinen wie der britischen Vogue und fotografierte am Abend, was meine Leidenschaft war. Ich hatte das Glück, dem berühmten Modefotografen Nick Knight Vollzeit zu assistieren und konnte meinen Portfolio so aufbauen.
Wann hast Du Dein Interesse für die Fotografie entdeckt?
Ich fotografiere, seit ich 13 bin. Es ist so eine witzige Branche, weil man eine Kamera in die Hand nehmen und anfangen kann. Aber wann nennt man sich Fotograf? Ich bekam meinen ersten Auftrag mit 19 und beendete die Universität, als ich 21 war.
Wann hast Du Deine beiden Leidenschaften, die Fotografie und Nachhaltigkeit, miteinander verbunden?
Das war vor vier Jahren, als ich die Richtung in Frage stellte, in die ich mich bewegte, und mich dafür entschied, eine nachhaltigere Richtung einzuschlagen. Zu dieser Zeit verbanden sich meine Hobby-Projekte mit meiner kommerziellen Arbeit und ich konzentrierte mich darauf, Veränderungen im Verhalten zu beeinflussen und weltweit einen positiveren Einfluss zu haben. „Catwalk to Creation“ ist das erste große Projekt, das noch in diesem Jahr erscheinen wird. Wir werden es auf Facebook, Instagram und anderen Kanälen der sozialen Medien veröffentlichen. „Catwalk to Creation“ steht unter dem Dach der globalen Plattform Fashion 4 Change (F4C) mit dem zentralen Anliegen, Nachhaltigkeit modischer zu machen.
Bitte erzähl uns etwas mehr über „Catwalk to Creation“.
Der Dokumentarfilm zeigt den umgekehrten Weg zweier nachhaltiger Kleidungsstücke; eines aus Naturfasern (Wolle) und eines aus Fasern der nächsten Generation aus der Viskose-Familie. Wie der Titel andeutet, ist es die umgekehrte Reise vom fertigen Kleidungsstück auf dem Laufsteg bis zu seinen Anfängen als ein Gedanke, eine Idee, die den gesamten Produktionsprozess vom Design bis zur Herstellung in der Fabrik begleitet. Es ist ein Blick hinter die Kulissen, um wirklich alles zu zeigen, was dazu gehört, ein Kleidungsstück zu produzieren. Er richtet sich sowohl an die Verbraucher im Alltag als auch an B2B- und B2C-Zielgruppen.
Als Ko-Produzentin geht es um die Verantwortung, die wir alle übernehmen müssen, um zu sagen „das ist meine Aufgabe“. Wir müssen Verantwortung übernehmen; es ist Zeit, hinter die Kampagnen zu schauen, die ich früher gedreht habe, und das Bewusstsein in der Branche zu erhöhen. Als Verbraucher, wenn Sie Ihre Wahl treffen und ein Kleidungsstück kaufen, möchten wir, dass Sie ein aufgeklärter Verbraucher sind, der eine gut informierte und fundierte Wahl treffen kann. Im Moment sind die benötigten Informationen nicht ohne weiteres verfügbar; man muss gezielt danach suchen und es gibt oft widersprüchliche Nachrichten, daher kann man sich leicht verwirren lassen. Derzeit ist es zeitaufwändig, auf dem Laufenden zu bleiben, was nicht jeder tun kann. Es gibt eine Verantwortung für alle: Wir müssen alle aktiv werden.
Wie ist „Catwalk to Creation“ entstanden?
Ich hatte vor langer Zeit die Idee, den Weg eines Kleidungsstücks zu beschreiben. Dann kamen mein kreativer Partner Ramzi Moutran und ich zusammen und erkundeten diese Idee weiter. Wir haben verschiedene Ansätze bearbeitet, und dann kamen verschiedenen Ideen zusammen und wir entwickelten eine Dokumentarserie, in der jede Episode über verschiedene Themen in der Branche spricht, während sie die umgekehrte Reise nachhaltiger Kleidungsstücke verfolgt, um zu beweisen, dass Nachhaltigkeit schön sein kann. Gemeinsam sind Ramzi und ich dann nach Indien, Österreich und Großbritannien gereist, um die Dokumentarserie zu erstellen; „Catwalk to Creation“ ist die erste Folge. Darüber hinaus wird der Film Ende dieses Monats im Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York gezeigt, um unser Engagement für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu zeigen. Auf einer noch breiteren Ebene sollen sie auch in das Arbeitsleben der Menschen einfließen, damit Nachhaltigkeit nicht nur ein Schlagwort und Trend ist, sondern zur Norm wird, die Menschen in ihr Leben integrieren.
Lass uns zum Schluss noch über Burberry & Co. reden. Wessen Problem ist die Vernichtung einwandfreier Ware?
Es ist ein branchenweites Problem, das auch die Verbraucher angeht. Es ist aber auch eine positive Chance, etwas dagegen zu tun. Ich verstehe, warum Unternehmen das tun, was sie tun, aber es gibt Lösungen der nächsten Generation: Stoffe, die komplett auseinandergenommen und dann zu etwas ganz anderem gemacht werden können. Es geht nur darum, etwas zu tun und Verantwortung zu übernehmen.
Wenn wir erkennen, dass wir mit der vorherigen Lösung durch sind, sind wir bereit, Veränderungen herbeizuführen und etwas gegen die Probleme zu unternehmen. Verbraucher müssen zum Beispiel Kleidung kennenlernen, die für ein ganzes Leben entworfen wird, nicht nur für eine Saison. Uns wird gesagt, dass wir jedes Mal, wenn wir ausgehen, ein neues Outfit brauchen. Verbraucher müssen aktiv werden und Verantwortung übernehmen, auch Regierungen. Sie können die Regeln ändern; nur Schuld zuzuweisen, ist keine Lösung. Und Verbraucher werden durch Initiativen wie „Fashion Revolution“, „Who Made My Clothes“ und „Catwalk to Creation“ dazu inspiriert, die richtigen Fragen zu stellen. Fragen sind der erste Schritt und sie können Angebot und Nachfrage verändern. Kleidung muss geschätzt werden; wir müssen sie kaufen, tragen, lieben, reparieren und miteinander teilen.
Fotos: Hinter den Kulissen von ‘Catwalk to Creation’; mit freundlicher Genehmigung von Charney Magri