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Ist die Berlin Art Week die bessere Fashion Week?

Von Barbara Russ

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Die Berlin Art Week, die ebenso wie die Fashion Week eigentlich keine ganze Woche ist, sondern nur fünf gut gefüllte Tage, ging am Sonntag zu Ende. Das Fazit: Die Kunst-Crowd ist mindestens ebenso gut gekleidet wie die Fashion-Crowd und Marken inszenieren sich heute lieber im Kunstumfeld als bei einer Modewoche, die dem Kommerz zu nahe steht - wie kürzlich insbesondere New York durch einen Designer-Exodus erfahren musste. So ist es kaum verwunderlich, dass Marken wie Louis Vuitton sich zur Kunstwoche für Berlin entscheiden, anstatt zur Modewoche.

Berlins Appeal war lange Zeit: arm, aber sexy. Es wurde gefeiert, getanzt und zwischendrin ein bisschen gearbeitet. Heute muss, alleine wegen der steigenden Mieten, deutlich mehr gearbeitet werden. Auch die Künstler, die einst wegen der günstigen Studios nach Berlin kamen, müssen heute ihre Kunst an den Mann bringen, um sich das Leben dort leisten zu können. „Inzwischen haben rund 42 Prozent der selbständigen Bildenden Künstler in Deutschland, 30 Prozent der selbständigen Fotografen und rund 17 Prozent der Galerien ihren Sitz in Berlin. Die Galerienszene konnte ihre Umsätze innerhalb von drei Jahren um rund 100 Mio. Euro auf 335 Mio. Euro erhöhen,“ heißt es im 3. Kreativwirtschaftsbericht auf dem Stadtportal BerlinOnline, Stand 2013. Berlin ist laut Einschätzung des Stadtportals Berlin.de „international attraktivster Produktionsort für Kunst und der Standort mit der höchsten Galerien-Dichte Europas. Über 40 Prozent der auf der Biennale in Venedig und der Documenta in Kassel vertretenen Künstler leben und arbeiten in Berlin“. Weil Berlin so eine hervorragender Nährboden für junge Kunst war und ist, lockt sie auch Sammler, Galerien und Kunstmessen an: „Seit 2003 hat sich Berlin kontinuierlich zum größten Galerienstandort in Europa mit inzwischen über 440 Galerien entwickelt.“

Kunst als Wirtschaftsfaktor

Eine Studie der Investitionsbank Berlin (IBB) hat exemplarisch die Entwicklung des Fotokunstzentrums C/ O Berlin beobachtet: „Von 30.000 Besuchern im Jahr 2000 stiegen die Besucherzahlen auf 250.000 im Jahr 2015 an. Nach Berechnungen mit einem Simulationsmodell für die Berliner Wirtschaft generiert allein die gemeinnützige C/O Berlin Foundation im Schnitt jährlich rund 14,5 Mio. EUR zusätzliche Wertschöpfung. Zudem hängen mehrere Arbeitsplätze direkt oder indirekt von dem Fotokunstzentrum ab“. Der Bereich der privaten Kunstgalerien in Berlin werde auch weiter an Bedeutung gewinnen, heißt es in der Studie der IBB. „Bereits 2015 dürfte der Umsatz die dreihundert-Millionen-Marke übersprungen haben.“

Als Wirtschaftsfaktor fällt die Kunst zwar offenbar wenig ins Gewicht, aber sie macht Berlin für Touristen und andere Geschäftszweige attraktiver. Die Berlin Art Week dürfte, ähnlich wie die Modewoche, ordentlich Geld in die Hotellerie- und Gastronomielandschaft fließen lassen. Nun besuchten circa 100.000 Interessierte die Events der vergangenen Ausgabe der Berlin Art Week, 33.000 allein die Kunstmesse Art Berlin, die in der Station am Gleisdreieck stattfindet, wo zur Fashion Week die Leitmesse Premium ihr Zuhause hat.

Satelliten-Events zwischen Kunst und Mode

Diese Synergien wollen sich auch einige Modelabels nicht entgehen lassen. Mit einer Temporary Group Show machte das Modelabel Odeeh - das nicht zuletzt durch die Wahl seines ‚Odeeh Spaces‘ in den ehemaligen Räumlichkeiten des Tagesspiegels auf der Galerienmeile Potsdamer Straße ohnehin der Kunst nahe steht - bei der Art Week mit. In Kooperation mit Martina Tauber Fine Art zeigte es Arbeiten von Künstlern wie Damien Cadio, Thomas Helbig oder Sophie Schmidt. Dabei konzentriert sich die Ausstellung auf denjenigen „Teil des eigenen Körpers, der sich am stärksten in die Umgebung orientiert, […] das der starken, der kalten oder der entblößten Schulter,“ so der Begleittext. So konnte im Odeeh Space neben gut kuratierter junger Kunst auch die Mode des Labels käuflich erworben werden. Die Macher der Marke, Otto Drögsler und Jörg Ehrlich wollten die Gunst der Stunde nutzen: „Immer dann, wenn Menschen mit einer uns entsprechenden Sensibility in der Stadt sind, lohnt es, mit etwas Adäquatem aufmerksam zu machen: mit einem künstlerisch kuratierten Ausstellungskonzept, mit neuen Limited Editions, oder idealerweise in der Kombination von alledem. Wir versuchen, neben unseren Kollektionen noch weitere Geschichten zu erzählen. Kunst spielt da oft eine Hauptrolle“, so das Duo.

Gegenüber des Odeeh Space, in der ehemaligen Mercator-Druckerei, befindet sich der Concept Store von Andreas Murkudis, der dafür mitverantwortlich ist, dass dieses einst schmuddelige Eck der Stadt eine solche Renaissance erfährt. In dem angesagten Laden also präsentierte der norwegische Künstler Olav Christopher Jenssen seine abstrakten Gemälde, während im Nebenraum das Brillenlabel Mykita und das Berliner Plattenlabel Perlon ihre Zusammenarbeit in Form der Sonnenbrille PERL 115 vorstellten. Die beiden Partner hatten zusammen eine Brille entwickelt, die die Designsprache beider Marken spricht.

Der wohl prestigeträchtigste Modename, der auch in der Kunst großen Einfluss walten lässt, war wohl zweifelsohne Louis Vuitton. Spätestens seit dem Bau der Fondation Louis Vuitton in Paris dürfte selbst Laien klar sein, dass Bernard Arnault ein Kunstmäzen ersten Grades ist - ein Fakt, den die Marke in der Zusammenarbeit mit Jeff Koons an der sogenannten ‚Masters Edition‘-Taschenlinie untermauerte. Seither lächelt unter anderem die Mona Lisa von den Louis Vuitton-Taschen. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Hauses Louis Vuitton in Deutschland wurde Berlin als erste europäische Station für seine Ausstellung ‚Time Capsule‘ gewählt.

Noch bis zum 8. Oktober sind in Berlin Stücke von Louis Vuitton zu sehen, bei denen sich immer wieder die Frage auftut, ob es sich nun um Modeartikel oder Kunstwerke handelt. So zeigt sie unter anderem ein Gästebett, dass aus einem Koffer klappt (von 1885) einen Reisekoffer fürs Auto (1923), eine Speedy Bag (aus dem Jahr 2000) die mit Künstler Stephen Sprouse gestaltet wurde, oder ein Skateboard, das in Zusammenarbeit mit der Streetwearbrand Supreme entstanden ist. So lässt sich der Wandel des Zeitgeistes auch stets an den Objekten ablesen, die ausgestellt sind. Und, natürlich, die Nähe zur Kunst macht für Louis Vuitton höhere Margen möglich, verleiht dem Produkt aber auch die Aura eines Kunstwerkes, wovon schließlich der Kunde profitiert.

So kann zwar die Berlin Art Week sicherlich einige Modehighlights aufweisen, die Berlin Fashion Week behält natürlich trotz allem ihre ganz eigene Daseinsberechtigung. Vielleicht lassen sich aber diese Synergien auch anders herum nutzen: Berlin, die Stadt der Kunst, die auch künstlerische Mode macht. Eine stärkere Verknüpfung der Fashion Week mit der Kunst könnte auch dem Image der Berliner Mode noch ein wenig weiter helfen.

Fotos: 1. Das französische Palais, Schauplatz der Time Capsule Ausstellung von Louis Vuitton./Louis Vuitton
2. Louis Vuitton Da Vinci Speedy Bag/Louis Vuitton
3. Mykita PERL 115/ Mykita

Andreas Murkudis
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