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Ist H&M wirklich so 'grün' wie es scheint?

Von Vivian Hendriksz

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Mode

Der schwedische Fast Fashion-Riese Hennes & Mauritz hat hart an seinem Ruf als umweltfreundliche, erschwingliche und doch nachhaltige Marke gearbeitet. In seiner jüngsten Marketingkampagne 'Close the Loop' fordert H&M Verbraucher auf, alte oder ungewollte Kleidungsstücke zu recyclen. Der Mode-Einzelhändler hat auch einen Wettbewerb ins Leben gerufen, den 'Global Change Award', der innovative Ideen auszeichnen will, die die Ressourcen der Erde innerhalb der Mode-Lieferkette schützen.

Beide Kampagnen sind Teil eines größeren Anliegens des Unternehmens, das sich darauf konzentriert, nachhaltigere Mode zu schaffen, aber hier liegt der Widerspruch: Wie kann Fast Fashion, ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, Verbraucher jede Woche mit neuen Kleidungsstücken zu bombardieren, jemals nachhaltig sein? Ist H&M wirklich so grün, wie es zu sein scheint oder ist alles nur ein effektiver Marketingplan, um aus dem großen Umwelttrend Kapital zu schlagen? FashionUnited hat genauer hingeschaut.

In den letzten Jahren hat H&M auch damit begonnen, einen 'bewussten Lifestyle' zu propagieren, der mit der Gründing der H&M Conscious Foundation im Jahr 2007 begann, gefolgt vom Launch der Conscious-Kollektion und Exclusive im Jahr 2011 (Reihen, die Bekleidung so produzieren, dass sie einen minimalen Einfluss auf den Planeten hat) und das weltweite Bekleidungssammelprojekt im Jahr 2013. "Unsere Geschäftsidee ist, Mode und Qualität zum bestmöglichen Preis und auf nachhaltige Art anzubieten", sagte Geschäftsführer Karl-Johan Persson im jüngsten Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens.

H&M fördert Nachhaltigkeit, um seine Marke für die Zukunft zu sichern

"Es geht um die beste Leistung, nicht den billigsten Preis. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Teil davon. Wir wissen, dass unseren Kunden, genau wie unsere Kollegen, mehr und mehr daran gelegen ist." Da H&M glaubt, dass Nachhaltigkeit in alle Aspekte des Geschäflichen integriert werden muss - vom Design bis zur Produktion und hin zum Verkauf - hat das Unternehmen verschiedene Zielsetzungen unter seinen sieben Verpflichtungserklärungen aufgestellt. Mit Verbrauchern sowie mit externen Unternehmen zusammen zu arbeiten, um eine Veränderung beim Modekonsum zu erreichen, ist einer von H&Ms Hauptansatzpunkten zur Nachhaltigkeit.

Im Jahr 2013 startete H&M als erster Mode-Einzelhändler seine weltweite Sammelaktion für Bekleidung. Das Recycling-Programm fordert Kunden dazu auf, unerwünschte Kleidung abzugeben. Dafür gibt es einen Rabatt auf neue, im Laden gekaufte Kleidungsstücke. Laut Aussage des Unternehmens können 95 Prozent der Tausende Tonnen von Textilien, die jedes Jahr weggeworfen werden, wieder getragen oder recycelt werden. H&M möchte die in seinen Filialen gespendeten Kleidungsstücke wiederverwerten, um so den Textilkreislauf zu schließen und sicherzustellen, dass sie nicht verschwendet werden. Das Unternehmen hat 2013 bereits 3047 Tonnen Textilien gesammelt, was 16 Millionen T-Shirts entspricht; 2014 waren es sogar 7684 Tonnen, was 40 Millionen T-Shirts entspricht.

Laut H&Ms Nachhaltigkeitsbericht werden 20 Prozent der Fasern der gesammelten Kleidungsstücke recycelt und wiederverwendet. Das Unternehmen betont, dass es keinen größeren Anteil recycelter Fasern benutzen kann, ohne die Qualität der neuen Kleidungsstücke zu beeinträchtigen. Dies bedeutet jedoch, dass H&M 2014 nur 1536,8 Tonnen Bekleidung (oder 8 Millionen T-Shirts) für seine neuen Conscious-Kollektionen recycelt hat. Das heißt, dass 6147,2 Tonnen Bekleidung (was 32 Millionen T-Shirts entspricht), liegen blieben, woraus sich die Frage ergibt, was mit den verbleibenden 80 Prozent geschehen ist? Im Moment bleibt H&M in diesem Punkt recht vage, da sie nicht für neue Kollektionen benutzt werden können. Werden sie an andere Unternehmen verkauft, werden sie als Isolierungsmaterial benutzt oder gar in Dritte-Welt-Länder geschickt?

Auch wenn H&M dabei bleibt, dass sie keine neuen Kleidungsstücke herstellen können, die mehr als 20 Prozent recycelter Fasern erhalten, hat der Outdoor-Einzelhändler Patagonia 2004 seine eigene Bekleidungssammelaktion und Recyclinginitiative ins Leben gerufen. Zu dem Zeitpunkt sammelte der Einzelhändler 45 Tonnen Bekleidung zu Recyclingzwecken, die in 34 Tonnen neue Kleidungsstücke vewandelt wurden. Das heißt, er konnte 76 Prozent der gesammelten Fasern recyceln, also 56 Prozent mehr als H&M. Ist der schwedische Einzelhändler also wirklich so sehr am Recycling alter Kleidungsstücke interessiert, wie er scheinen will?

H&M benutzt 'Close the Loop', damit Verbraucher sich wegen ihres Modekonsums besser fühlen

Statt offenzulegen, wohin diese verbleibenden Kleidungsstücke gehen, hat H&M seine weltweite Sammelaktion um die neue Kampagne ‘Close the Loop’ erweitert. Laut Aussage des Unternehmens ist diese Kleidersammlung der erste Schritt, den Kreis zu schließen - ein Programm, das Mode zu einer zirkulären Lebensdauer verhelfen will. Eine der Hauptstützen von H&Ms neuer Kampagne ist, dass gute Mode niemals verschwendet werden sollte. Die Initiative erwähnt jedoch nicht den Effekt, den Transport, Verpackung, Tüten und andere Materialabfälle haben, die bei der Produktion und beim Recycling von Mode anfallen. Auch wenn das Unternehmen Standardanforderungen an das Recycling seines normalen Mülls hat, erfüllte es 2014 sein Ziel jedoch nicht, 95 Prozent seiner Abfälle zu recyceln.

Teil des H&M Conscious-Plans sind sieben Hauptverpflichtungserklärungen, die der Einzelhändler aufgestellt hat, um eine nachhaltigere Modezukunft zu entwickeln, zu der das Recycling von Materialien gehört sowie die Reduzierung der persönlichen CO2-Bilanz und der Gebrauch ethischerer und nachhaltigerer Stoffe und Garne.

Eine der Hauptstützen des Plans ist die Conscious-Kollektion, die auch als "Green Tag Line" bekannt ist. Laut H&M ist die Bekleidung, die für diese Reihe hergestellt wird, zu mindestens 50 Prozent aus nachhaltigen Materialien wie Biobaumwolle und recyceltem Polyester gemacht. Im Jahr 2014 verbrauchte das Unternehmen eine Menge Polyestergarn, die 39,7 Millionen PET-Flaschen entsprach. Recycelte Materialien machen jedoch nur 0,2 Prozent von H&Ms gesamtem Materialverbrauch aus. Außerdem hat H&M derzeit keine Produktionsanforderungen an die Fabriken, die die Conscious-Kollektionen herstellen, obwohl das Unternehmen betont, dass es versucht, so energieeffizient wie- und wann immer möglich zu sein.

H&Ms jüngste Conscious Denim-Kollektion wurde angeblich mithilfe einer weniger energieintensiven Methode gemacht, die verglichen mit anderen Denim-Produktionsprozessen 56 Prozent weniger Wasser und 58 Prozent weniger Energie verbraucht. Bei der Entwicklung der Reihe berief H&M sich auf die Kriterien des spanischen Denim-Beraters Jeanologia, um sicherzustellen, dass die Waschprozesse den höchsten Anforderungen entsprechen. Obwohl H&M jedoch behauptet, dass Conscious Denim 20 Prozent recycelte Baumwolle enthält, teilt das Unternehmen nicht mit, zu welchen Anteilen die Kollektion aus nachhaltigen Materialien gemacht ist. Es sagt auch nicht, ob die entwickelte Produktionsmethode grüner ist als sein eigener Denim-Produktionsprozess oder außer Haus hergestellter Denim.

Der schwedische Modehändler brüstet sich mit dem Gebrauch nachhaltiger Materialien in seinen Kollektionen, aber in welchem Maß sind sie wirklich nachhaltig? Obwohl das Unternehmen angibt, dass 14 Prozent seiner Materialien nachhaltig seien, stellt sich die Frage, welcher Anteil seiner Reihen wirklich umweltbewusst ist? H&M berichtete zuerst 2010 in seinem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht von der Verwendung nachhaltiger Stoffe. Das Unternehmen behauptet, es habe zuerst 1993 mit der Verwendung von Biobaumwolle begonnen, aber bis 2010 machte diese nur 7,5 Prozent seines gesamten Baumwollverbrauchs aus. Zwei Jahre später waren es nur 7,8 Prozent, aber 3,6 Prozent seiner Baumwolle wurde als "bessere Baumwolle" ausgezeichnet, da H&M angefangen hatte, 2012 eng mit der Better Cotton Initiative (BCI) zusammen zu arbeiten.

H&M schafft es nicht, all seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen

In diesem Jahr hat H&M sich verpflichtet, bis 2020 für all seine Kollektionen 100 Prozent nachhaltige Baumwolle zu verwenden. Ein nobles Ziel, aber laut Berechnungen von FashionUnited ist es unwahrscheinlich, dass die Fast Fashion-Kette ihr Ziel erreichen wird, da der Gebrauch von nachhaltiger Baumwolle von 2013 bis 2014 nur um 5,4 Prozent auf 21,1 Prozent des gesamten Baumwollverbrauchs anwuchs. Wenn das Unternehmen in diesem Tempo weitermacht, wird es bis 2020 nur einen Anteil von 71,6 Prozent nachhaltiger Baumwolle erreicht haben, beziehungsweise 100 Prozent erst im Jahr 2023. Obwohl H&M 2014 im Bericht "Textile Exchange 2014 Organic Cotton" als zweitgrößter Abnehmer von Biobaumwolle nach Volumen aufgeführt war, ist das Unternehmen immer noch nicht nah daran, in den '100% Club' aufgenommen werden, einer ausgesuchten Gruppe von 16 Marken, die für ihren ausschließlichen Gebrauch von zertifizierter Biobaumwolle ausgezeichnet wurde, und zu der Marken wie Patagonia und Vaude gehören.

H&M ist auch von der Liste der Top 10 Baumwollverbraucher nach Anteil von Biobaumwolle der Textile Exchange ausgeschlossen, zu der Labels wie Kuyichi, Nudie Jean und Eileen Fisher gehören. Auch wenn H&M sich selbst als größter Verbraucher von Biobaumwolle hinstellt, wird doch ersichtlich, dass das Unternehmen noch einen weiten Weg vor sich hat. Aber H&M hat sein Augenmerk auch auf andere Materialien wie Wolle und Daunen gerichtet und visiert ab 2017 den vollständigen Gebrauch zertifizierter Wolle beziehungsweise zertifizierter Daunen ab diesem Jahr an. Um einen weltweiten Standard zu etablieren, der die Nachhaltigkeit von Wolle sichert, hat H&M sich mit Organisationen wie der Textile Exchange, Control Union, Humane Society International (HSI) und anderen Marken zusammengetan, um den Tierschutzstandard "Responsible Wool Standard" (RWS) zu entwickeln.

Im Moment gibt H&M nicht bekannt, zu welchem Anteil seine derzeit benutzte Wolle nachhaltig ist, gab aber an, dass das Unternehmen mit anderen im Rahmen des RWS zusammenarbeite, um bis 2017 volle Nachverfolgbarkeit von Wolle sicherzustellen. Ein jüngst veröffentlichter Undercover-Bericht der Tierschutzorganisation Peta deckte jedoch die extrem tierquälerischen Methoden auf Schaffarmen des Ovis 21-Netzwerks in Argentinien auf - einer der Organisation, die Teil des RWS-Ausschusses sind. Zudem hat Peta auch die Fälle systematischen Tiermissbrauchs in der Wollindustrie in Australien und den USA dokumentiert.

H&M betont jedoch, dass das Unternehmen mit Hilfe von RWS auf Farmebene "den Tierschutz beeinflussen und verbessern" könne und weiterhin Wolle aus Australien beziehen werde. Um seine Bedenken wegen der "unakzeptablen Behandlung" von Schafen während des Schurverfahrens wie von Peta aufgezeigt auszudrücken, schickte H&M einen Brief an die australische Regierung und das australische Landwirtschaftministerium - statt selbst gegen die genannten Wolllieferanten vorzugehen. Es muss dem Unternehmen zugute gehalten werden, dass es die Grenzen zugibt, inwiefern ein Unternehmen allein Veränderungen durchsetzen kann und glaubt, dass Kollaborationen mit anderen Unternehmen wie HSI der Schlüssel zu positiven Veränderungen seien.

Nach der genauen Untersuchung einiger nachhaltiger Ansätze und Daten von H&M scheint es, als präsentiere sich das Unternehmen in einem grüneren Licht als es den Tatsachen entspricht. Durch clevere Marketingtricks wie Close the Loop ermutigt H&M Verbraucher, Bekleidung zu kaufen - solange sie einen Teil ihrer alten, ungewollten Kleidung recyceln. Auf der anderen Seite hat sich das Unternehmen auch einige ehrgeizige Ziele gesetzt, was seine Nachhaltigkeit und ethische Arbeitsweisen ingesamt angeht, was ihm wiederum einen Vorsprung bereitet. Zielsetzungen beweisen jedoch noch kein richtiges Engagement, bis die Ergebnisse ihrer Maßnahmen veröffentlicht wurden.

Dies ist der vierte Teil einer neuen Serie basierend auf spezifischen Business-Einblicken von FashionUniteds Top 100 Index. In der nächsten Woche geht es um den britischen Modehändler Marks & Spencer.

Geschrieben für FashionUnited UK von Vivian Hendriksz; übersetzt von Simone Preuss.


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