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Kann H&M sein Versprechen erfüllen, bis 2018 allen Arbeitern faire Löhne zu zahlen?

Von Vivian Hendriksz

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Mode|IN-DEPTH

London - Etwas mehr als vier Jahre ist es her, dass der schwedische Modehändler H&M versprach, allen Bekleidungsarbeitern in seiner Lieferkette bis 2018 einen fairen Lebensunterhalt zu zahlen. Nun, kurz vor dem Jahreswechsel stellt sich die Frage, wie weit das Unternehmen damit gekommen ist. Die Clean Clothes Campaign und ihre globalen Partner drängen H&M dazu, offenzulegen, wie weit die Umsetzung des Plans fortgeschritten ist, der jedem Bekleidungsarbeiter einen existenzsichernden Lohn versprach.

Das Versprechen von H&M, allen 850.000 Bekleidungsarbeitern in seiner Lieferkette einen fairen Lebensunterhalt zu zahlen, war eines, das als wegweisend für die Branche gesehen wurde. Die meisten Bekleidungsarbeiter haben Mühe, den gesetzlichen Mindestlohn zu verdienen. Diese deckt in den meisten Entwicklungsländern nur ein Drittel des monatlichen benötigten Lebensunterhaltes. Die Lohnarbeiter in Kambodscha, Myanmar, Bangladesch und Indien, von denen die meisten Frauen sind, verdienen weit unter dem, was man als einen existenzsichernden Lohn bezeichnen kann - also ein Gehalt, das einem Arbeiter ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und Kosten für Wohnraum, Rechnungen, Lebensmittel, Zugang zu medizinischer Versorgung sowie Zugang zu Bildung und Transport deckt.

H&M: „Wir glauben, dass jeder, der in der Textilindustrie arbeitet, einen Lohn verdienen sollte, von dem er leben kann - unabhängig davon, wer er ist und wo er arbeitet“

Der schwedische Einzelhändler hat am 25. November 2013 seine Strategie vorgestellt, die versprach, allen Bekleidungsarbeitern bis zum Jahr 2018 ein Existenzminimum zu zahlen. Der erste Teil des Plans richtete sich an die Felder Einkauf, Lieferantenpraktiken, Arbeitnehmerrechte sowie daran, die lokalen Regierungen in die Verantwortung zu nehmen. H&M nahm die neue Strategie in seinen Code of Conduct auf und startete die Durchführung von Pilotprogrammen in zwei seiner Fabriken (eine in Kambodscha und eine in Bangladesch), die Zahlungspläne für einen fairen Lohn umsetzen sollten. Zu diesem Zeitpunkt gab H&M an, dass diese Strategie bis 2018 auf all seine 750 Bekleidungsfabriken ausgeweitet werden solle. Aber nicht lange nachdem H&M sein Versprechen bezüglich des existenzsichernden Lohns verkündet hatte, formulierte das Unternehmen sein Versprechen um und erklärte, es würde lediglich „Mechanismen“ etablieren, die eine Zahlung existenzsichernder Löhne bei mindestens 80 Prozent der Arbeiter in seiner Lieferkette sicherstellen sollte.

Seither ist es bei H&Ms Fair Living Loan Initiative eher ruhig geworden in Bezug auf die Pläne, den Bekleidungsarbeitern einen gerechten, existenzsichernden Lohn zu zahlen. Dies wirft Fragen auf, wie aufrichtig das Versprechen wirklich gemeint war. Nach dem letzten Update der Initiative, vom Mai 2017, befindet sich das Unternehmen noch im Aufbau des Systems. Das Modeunternehemn merkte an, dass, um sicherzustellen, dass faire Löhne in der gesamten Industrie und in allen Beschaffungsmärkten bezahlt würden, mit zahlreichen Interessengruppen, Regierungen, Lieferanten, Marken und Gewerkschaften zusammenarbeitet werde. Eines seiner wichtigsten Ziele sei es, sicherzustellen, dass Arbeitnehmer von Gewerkschaften vertreten werden, die kollektiv verhandelten. Deshalb biete H&M Werksschulungen zur Zusammenarbeit am Arbeitsplatz, Verhandlungstechniken, Tarifverhandlungen und Arbeitnehmerrechte an. Darüber hinaus ziele H&M darauf ab, sicherzustellen, dass alle Textilarbeiter über ihre Rechte im Bezug auf Löhne und Sozialleistungen Bescheid wissen.

Es ist unwahrscheinlich, dass H&M bis 2018 mindestens 80 Prozent seiner Textilarbeiter einen fairen Lohn bezahlt

Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Artikels waren jedoch gerade einmal 290 Bekleidungsfabriken in Bangladesch, Kambodscha, China, Indien und Äthiopien und Myanmar teil des „workplace dialogue and industrial relations“ -Programms von H&M, dessen Ziel es war, eine demokratisch gewählte Arbeitnehmervertretung zu etablieren. Dies wird in etwa 50 Prozent der Fabriken 2018 der Fall sein. Darüber hinaus nahmen 236 Fabriken in Bangladesch, Kambodscha, Indonesien, Indien, China, Türkei und Myanmar an der Fair Living Loan Initiative teil. 2018 soll dies auf 50 Prozent der Zulieferfabriken erhöht werden. Derzeit liegen die Durchschnittslöhne bei den H&M-Zulieferbetrieben in Bangladesch, Myanmar, Kambodscha und Indien etwas über dem nationalen Mindestlohn, so die Clean Clothes Campaign. Dies deutet stark darauf hin, dass H&M sein Versprechen, mindestens 80 Prozent seiner Textilarbeiter bis 2018 einen angemessenen Lohn zu zahlen, geschweige denn all seinen Textilarbeitern, wohl eher nicht halten können wird.

H&M beharrt darauf, dass alle Lieferanten ihren Mitarbeitern gute Leistungen und Arbeitsbedingungen bieten sollen, einschließlich fairer Löhne. „Ein wichtiger Meilenstein in unserer Fair Living Wage Strategy ist unser Ziel für 2018. Dann sollen bei unseren Lieferanten, die 50 Prozent unseres gesamten Produktvolumens repräsentieren, demokratisch gewählte Arbeitnehmervertreter und verbesserte Lohnmanagementsysteme etabliert sein", sagte Anna Gedda, Head of Sustainability bei H&M gegenüber FashionUnited in einer Stellungnahme. „Diese Ziele schreiten planmäßig voran.“ In seinem Nachhaltigkeitsbericht 2016 hebt H&M hervor, dass das Erreichen von systemischen Veränderungen „eine große Anstrengung zur Zusammenarbeit von allen beteiligten Parteien“ erfordere. Um faire Lösungen und angemessene Lohnzahlungen zu erreichen, müssen die relevanten Stakeholder zur richtigen Zeit und auf die richtige Art und Weise übereinkommen. „Wir teilen uns zum Beispiel einige Zulieferbetriebe mit vielen anderen Händlern, und Fabrikarbeiter erhalten die gleichen Löhne. Egal, für welche Marke sie Produkte herstellen. Daher müssen wir Partnerschaften mit anderen Marken aufbauen, um eine nachhaltige Industrie zu verwirklichen."

H&M betont auch, dass es mit den lokalen Regierungen und anderen Partnern zur Förderung des nötigen rechtlichen Rahmens zusammenarbeitet, um Verhandlungen zu ermöglichen. Dies geschehe, indem sich das Unternehme regelmäßig für eine stärkere Lohngesetzgebung in "Prioritätsländern" einsetze. Der nationale Mindestlohn in Produktionsländern wird von deren Regierungen festgelegt. Die meisten Regierungen sehen sich nicht gedrängt, die Löhne zu erhöhen, aus Angst vor dem Verlust von Produzenten, die eine wichtige Rolle in der lokalen Wirtschaft spielen. Steigt der Mindestlohn, könnten diese in die günstigeren Nachbarländer abwandern, so die Clean Clothes Campaign. "Marken können die Löhne beeinflussen, indem sie den Regierungen versicherten, dass sie auch bei steigenden Mindestlöhnen nicht das Land verlassen“, erklärt Ineke Zeldenrust von Clean Clothes Campaign. „Als wichtigster Exportabnehmer hat H&M einen beträchtlichen Einfluss auf diese Löhne von Bangladesh."

Clean Clothes Campaign: „H&M hat sicherlich die finanziellen Mittel, um den Worten auch Taten folgen zu lassen“

Die Clean Clothes Campaign argumentiert, dass, obwohl das Ziel von H&M ursprünglich sehr ehrgeizig gesetzt war, es für ein so großes, rentables und mächtiges Unternehmen wie H&M dennoch erreichbar sei. „H&M hat sicherlich die finanziellen Mittel, um den Worten auch Taten folgen zu lassen. Es hat immer wieder erklärt, in diesen Belangen eine Führungsrolle einnehmen zu wollen. Wir haben uns die Zahlen angeschaut und wenn H&M nur ein Jahr lang sein Werbebudget für Löhne ausgeben würde, könnte es den kambodschanischen Arbeitern für 6,5 Jahre einen existenzsichernden Lohn zahlen", fügte Zeldenrust hinzu. Der Reingewinn von H&M für 2016 betrug mehr als 2 Milliarden US-Dollar. Berechnungen der Clean Clothes Campaign zufolge, würde es den schwedischen Einzelhändler nur 1,9 Prozent seines Reingewinns 2016 kosten, den Arbeitern in Kambodscha die zusätzlichen 78 US-Dollar jeden Monat zu zahlen, die sie bräuchten, um ein Existenzminimum zu verdienen.

H&M betont, dass es schon immer seine Vision war, dass „alle Textilarbeiter von ihrem Lohn leben können“ sollten. Das schwedische Unternehmen arbeitet intern weiter an Lohnfragen und arbeitet mit anderen Interessengruppen wie der International Labour Organization der UN sowie mit Gewerkschaften und NGOs zusammen. Es bleibt das einzige Modeunternehmen seiner Größe, das eine Strategie für faire Löhne implementiert hat - aber ob diese Strategie ausreicht, um eine dauerhafte Veränderung für die Lohnarbeiter der Bekleidungsindustrie herbeizuführen, bleibt abzuwarten.

Photos: Courtesy of H&M

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