Kaviar Gauche: „2020 wurden viele Hochzeiten verschoben, ein weiteres Jahr werden die meisten Paare wahrscheinlich nicht warten"
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Das Label Kaviar Gauche ist eine Erfolgsstory, die in Berlin ihren Ausgang fand, aber in Paris erste internationale Erfolge feierte. Das 2004 von den Designerinnen Alexandra Roehler und Johanna Kühl gegründete Modehaus ist heute vor allem für seine Brautmoden bekannt. Und weil die Entwürfe der beiden viel moderner und begehrlicher sind, als dieses angestaubte deutsche Wort vermuten lässt, zeigten sie ihre 'Bridal Couture'-Kollektion 'Cloud No. 9' in dieser Saison in New York auf dem digitalen Laufsteg der New York Bridal Fashion Week.
FashionUnited sprach mit den beiden Designerinnen über die Herausforderungen des Jahres und die Nachfrage nach Hochzeitskleidern und Anlassmode inmitten einer globalen Pandemie.
Wie stark hat Sie die Coronakrise getroffen?
Der Ausbruch der Krise ging nicht spurlos an uns vorbei. Soziale Einschränkungen, Kontaktsperren, Versammlungs- und Reiseverbote bis hin zu Quarantänemaßnahmen und Isolationen erfordern kreative Lösungen in unserer Branche. 2020 ist nicht das Jahr der großen Hochzeiten und Feiern geworden, wie zu Jahresbeginn noch erhofft. Unsere Auftragsbücher waren voll und die Stores ausgebucht. 2020 hätte ein äußerst umsatzstarkes Jahr werden können.
Nun ist, wie für fast alle Unternehmen, Covid-19 dazwischengekommen. Doch glücklicherweise blieben unsere Kundinnen gelassen und ließen sich nicht zu sehr verunsichern. Viele Hochzeiten wurden nur etwas verkleinert oder verschoben. Der Großteil unserer Kundinnen haben trotz Krisenmodus ihre Kleider mit Freude bestellt, ob nun für eine Hochzeit in 2020 oder 2021.
Haben Sie staatliche Hilfen erhalten/in Anspruch genommen?
Unsere Stores in Berlin, München und Düsseldorf mussten für einige Zeit komplett schließen und die Ateliers standen ebenfalls still, deshalb waren wir für staatliche Hilfen dankbar.
Wurde die Krise von staatlicher Seite für Unternehmen gut gemanagt? Was hätte man besser machen können?
Ein Blick in die Welt zeigt, dass wir in Deutschland bisher gut durch die Krise gekommen sind. Es ist erschreckend, wie stark viele Länder, deren Unternehmen und die Menschen dort aufgrund von Covid-19 existentiell leiden.
Wie präsentieren Sie aktuell Ihre Kollektionen und hat Corona das geändert?
Wir haben unsere neue Kollektion zum ersten Mal im Rahmen der New York Bridal Fashion Week präsentiert. Aufgrund der aktuellen Situation digital in Form eines Image-Videos und Lookbooks. Der US-amerikanische Modeverband CFDA hat uns eine tolle Plattform zur Verfügung gestellt, um unsere Kollektion trotz der Pandemie einem großen, internationalen Publikum vorstellen zu können. Die aktuellen Umstände haben uns eine neue Möglichkeit eröffnet und wir freuen uns über diese Chance.
Werden Sie in Zukunft anders über Präsentationen und Modenschauen nachdenken?
Das Medium Fashion Show ist für uns noch immer eines der eindrucksvollsten und emotionalsten für das Präsentieren unserer Kollektionen. Es gibt uns maximale Kreativität und erweckt Designs zum Leben. Die Mode Industrie hat den größten Reset ihrer Geschichte erlebt und niemand weiß, wie die Zukunft aussehen wird. Wir sind jedoch optimistisch und versuchen hauptsächlich die positiven Seiten zu sehen. Wir alle müssen umdenken, alte Muster und festgefahrene Strukturen der Industrie können nun durch neue innovative und nachhaltigere Ideen abgelöst werden. Es ist beeindruckend, mit wie viel Kreativität digitale Lösungen und Formate entwickelt werden. Trotzdem wünschen wir uns eine Zukunft in der Events live und mit menschlicher Nähe möglich sind.
Wo/wie haben Sie Ihre Buyer getroffen/gesprochen?
Wir verkaufen unsere Kollektionen hauptsächlich in unseren eigenen Kaviar Gauche Stores. Im Wholesale arbeiten wir aktuell exklusiv mit Maria Luisa Marriage/ Printemps in Paris sowie mit Loho Bride in LA zusammen. Die Buyer haben wir in dieser Saison nicht persönlich getroffen, wir konnten nur via Zoom oder Telefon kommunizieren.
Haben die Einkäufer anders eingekauft als sonst?
Unser Order-Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Wir erwarten für die kommende Saison keine großen Überraschungen, aber nehmen an, dass weniger Couture-Kleider bestellt werden. Gerade weil noch niemand weiß, was das nächste Jahr bringt, müssen unsere Wholesale Partner sich auf eine größere Zahl an Brides-to-be vorbereiten. 2020 wurden viele Hochzeiten verschoben, ein weiteres Jahr werden die meisten Paare wahrscheinlich nicht warten. Im Zweifel wird eher im kleineren Rahmen geheiratet.
Haben Sie in den letzten Monaten einen neuen Trend erkennen können, was sich verkauft oder haben Sie auf andere Produkte gesetzt?
Angebot und Nachfrage sind aktuell essentiell, es gibt einige Strömungen die coronabedingt sind. Die Unsicherheit bringt viel Neues mit sich und das Konsumverhalten hat sich stark verändert. Noch vor einigen Monaten gab es die Tendenz zu großen Feiern und den dazugehörigen Roben. Seit der Krise sehen wir mehr Interesse an Minimal-Looks, einfachen Standesamtkleidern und natürlich für sehr viel kleinere Budgets. Diesen Trend griffen wir auch in der Bridal Couture für 2021 auf und setzten neben unseren Couture-Modellen vor allem auf Simplizität.
Welches Fazit ziehen Sie aus der Coronazeit für Ihr Label und Ihre Art, Business zu machen?
Wie viele andere haben auch wir in der aktuellen Phase schnell gemerkt, dass wir digitaler werden müssen. Natürlich haben wir eine Digitalisierung bereits in den letzten Jahren vorangetrieben, aber vor allem in der handwerklich geprägten Atelierarbeit ist uns das noch nicht ganz gelungen. Hier arbeiten wir mit Hochdruck an alternativen Abläufen, die uns flexibler arbeiten lassen. Und zusätzlich gilt noch mehr Dialog als bisher üblich. Unsere Mitarbeiter stehen den Bräuten besonders intensiv und beratend zur Seite, egal ob virtuell oder stationär.
Können Sie der Ausnahmesituation etwas Positives abgewinnen? Wenn ja, was?
Natürlich. Alles stand still, das war beängstigend und beruhigend zugleich. Die Modewelt hat sich in den Jahren immer schneller gedreht. Große Brands, die von noch größeren Konzernen geführt werden, gaben ein Tempo vor, das für ein nachhaltig gewachsenes Label und Unternehmen kaum zu schaffen ist. Durch die Krise haben wir uns wieder auf das Wesentliche konzentriert und möchten dieses Mindset unbedingt mit in die Zukunft nehmen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Mode?
Da wir unsere Kollektionen hauptsächlich in unseren eigenen Store verkaufen, haben wir uns schon vor einiger Zeit von den starren Abläufen in der Modebranche verabschiedet. Anstelle von oft vier oder mehr Kollektionen bringen wir jährlich eine Hauptkollektion sowie eine Capsule Kollektion auf den Markt. Gleichzeitig führen unsere Geschäfte auch Designs für mehrere Saisons zum Teil in neuen Farben oder mit kleineren Änderungen. Wir haben einfach gemerkt, dass uns der große Druck, immer mehr und immer schneller zu produzieren, die Kreativität genommen hat. Wir würden uns wünschen, dass die Modebranche in diesem Bereich flexibler wird und wieder mehr auf Qualität anstelle auf kurzfristige Trends setzt.
Bild: Patrycia Lukas