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Les Soeurs Shop: Deutschlands erster Curvy Concept Store

Von Barbara Russ

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Mode |INTERVIEW

Julia Chevalley und Jasmin Moallim führen in Berlin einen Concept Store für Curvy Fashion, der sich dem Thema Plus Size-Mode von einer modernen und ungewohnten Perspektive nähert. ‚Stil kennt keine Konfektionsgrößen’ lautet das Motto der beiden Inhaberinnen, die von einem Shop träumen, in dem Frauen in allen Größen gemeinsam einkaufen und ihre Lust an Stil und Mode ausleben können. Wieso sie so wenig Konkurrenz haben, und weshalb Mode für ‚Dicke‘ immer noch so ein Tabuthema in der Branche ist, obwohl Onlineshops wie Navabi beweisen, dass die ‚Nische‘ sehr lukrativ sein kann, darüber sprach FashionUnited mit den beiden Modehändlerinnen.

Seit wann gibt es den Concept Store Les Soeurs Shop und wie kamt Ihr auf die Idee, ihn ins Leben zu rufen?

Wir haben den Shop Anfang 2016 eröffnet. Der Les Soeurs Shop ist Deutschlands erster Curvy Concept Store, das heisst ein Concept Store für „Curvynistas“ -Fashionistas, die große Größen tragen. In unserem Shop im Westen Berlins bieten wir eine große Auswahl an Mode von Größe 42 bis 56 sowie Accessoires, Schmuck, Beautyprodukte, Geschenkartikel und vieles mehr. Die Idee hierzu entstand schon vor einiger Zeit. Wir sind beide seit über 10 Jahren in der Modebranche tätig und haben einfach mal das Angebot der meisten Marken und Shops und die Realität des Marktes abgeglichen, was eine ziemlich große Diskrepanz zutage gefördert hat, die wir schon eine Weile gefühlt und beobachtet hatten. Also haben wir ein Jahr intensive Recherchen betrieben, uns umgeschaut und waren erstaunt, dass der Plus Size Markt gerade in Deutschland noch sehr verstaubt ist und es eigentlich so gut wie keine guten Einkaufsmöglichkeiten für Frauen mit Kurven und Stil gibt – erst recht nicht offline.

Was ist Euer Ziel?

Unsere Mission ist es, Shopping zu einem rundum beglückenden Erlebnis für unsere Kundinnen zu machen, daher legen wir großen Wert auf persönliche Beratung und Service. Wir bieten außerdem In-Store Events wie ‚Body-positive Abenden‘ oder auch Curvy-Vintage-Markets. Der Community-Gedanke spielt für uns eine große Rolle und wir möchten unseren Kundinnen die Möglichkeit geben, Teil einer Gemeinschaft zu sein, ob im Store oder über unsere sozialen Netzwerke.

Wie wird der Laden angenommen?

Die Resonanz ist ausgesprochen positiv. Unsere Kundinnen sind begeistert und wir dürfen mit Stolz schon jetzt auf eine treue Community an Stammkunden unser Eigen nennen.

Es gibt Les Soeurs auch online. Wieviel Prozent machen die Umsätze dort aus?

Wir haben bei unserem Konzept das Hauptaugenmerk auf den stationären Shop gelegt und dementsprechend verteilt sich auch der Umsatz - 80 Prozent stationär und 20 Prozent online.

Wie kommt es, dass es so wenig Angebot für Mode in großen Größen gibt?

Das ist eine sehr gute Frage! Während unserer Recherche haben wir uns das selbst immer wieder gefragt. Die Antwort darauf ist vielschichtig. Ganz besonders liegt es daran, dass es gesellschaftlich nach wie vor oft nicht akzeptiert wird, wenn dicke Frauen sich auffällig oder modisch kleiden und sich in ihrer Haut wohlfühlen. Das sogenannte ‚Bodyshaming’ ist ein wesentlicher Grund, warum viele Frauen in großen Größen sich immer nur in ihrer Kleidung verstecken. Kaschieren ist leider noch immer die Hauptmotivation beim Einkaufen in großen Größen. Frauen schämen sich beim einkaufen nach größeren Größen zu fragen und sie wollen natürlich nicht in Läden einkaufen, auf deren Fenstern groß ‚XXL‘ in roten Lettern prangt. Die Einzelhändler wiederum haben dann eine geringe Nachfrage nach modischen Artikeln in großen Größen und schon ist der Teufelskreis perfekt.

Plus Size Shopping ist damit zum Online-Thema geworden. Außerdem hält sich beharrlich die Annahme, Frauen in großen Größen gäben kein Geld für teure Bekleidung aus. Wir haben es also in erster Linie mit einem handfesten Image- und Kommunikationsproblem zu tun. Man kann aber auch grundsätzlich sagen, dass wenig Unternehmer und noch weniger Modemenschen Lust auf das Thema „Plus Size“ haben. Den meisten ist das einfach zu uncool, zu viel Aufwand und das Image einfach noch immer zu verstaubt und unattraktiv. So ist also auch gar nicht so leicht, eine schöne Auswahl an Kollektionen für einen Shop wie unseren zu finden.

Wie habt Ihr mit dem Les Soeurs Shop versucht, dieses Image loszuwerden?

Es ist viel Eigeninitiative gefragt und noch viel mehr Durchhaltevermögen, denn es muß einen Mind-shift in den Köpfen der Kunden sowie der Gesellschaft geben und geht nur sehr langsam vor sich. Man darf auch nicht unterschätzen, dass es deutlich schwieriger ist, in großen Größen gute Passformen und Styles mit modischem Anspruch zu finden. Die Figurtypen unterscheiden sich stärker, ebenso wie die Kundinnen in ihrem Körperbefinden – einige trauen sich viel, andere wenig. Da bedarf es mehr und vor allem persönlicher und fundierter Beratung und das ist zeitaufwendig und bedarf gutem Personal, alles Dinge, die großen Firmen zu aufwendig und teuer sind und für kleine Unternehmer ein großes Risiko bedeuten, daher werden lieber alle online über einen Kamm geschoren.

Ist Deutschland damit alleine?

Deutschland zählt bis heute nicht zu den Ländern mit einer ausgesprochen großen Mode-Kultur und entsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass der Bereich Plus Size Mode hier ein Nischendasein führt. Europaweit betrachtet sind die skandinavischen Länder uns hier schon um einiges voraus, dort gibt es mehr modische Marken mit Filialnetzen. Auch in England ist das Angebot deutlicher größer, allerdings ist der Stil dort oft sehr einseitig. Australien und die USA haben ebenfalls einige tolle Marken und auch Shoppingmöglichkeiten zu bieten. Insbesondere in den USA tut sich auch im Premium-Segment langsam etwas. Allerdings muss man doch sagen, dass der Markt insgesamt nach wie vor stiefmütterlich behandelt wird und sich nur sehr langsam verändert. Vieles spielt sich noch immer online ab und ist im unteren Preissegment angesiedelt, lässt sich also eher unter Bekleidung als Mode einordnen. Gutes Design, hochwertige Stoffe und das alles in einem attraktiven Shop Konzept sind weltweit tatsächlich rar gesät.

Welche Labels führt Ihr?

In unserem Sortiment führen wir Kleidung unter anderem von Persona by Marina Rinaldi, Levis Plus, Zizzi, Junarose, Sallie Sahne, ADIA, Ronen Chen, Laurie, Das Cape Mädchen und Wolford. Darüber hinaus haben wir derzeit noch einen Pop-Up Shop mit Bademode von Phylyda und für den Herbst eine Kollaboration mit einem italienischen Kaschmirlabel geplant. Schuhe und Accessoires führen wir u.a. von Polyforma, Masion Shoeshibar, Superga, Act, Fundamental Berlin, PCM Design und Rains. Und zum Jahresende planen wir den Launch unserer Eigenmarke „Loved by Les Soeurs Shop“, für die wir zeitlose Klassiker /Wardrobe Staples entwerfen, die in Berlin produziert werden.

Wie und wo entdeckt Ihr neue Labels?

Die meisten unserer Labels haben wir durch Internetrecherche bzw. auf Modemessen entdeckt. Das Angebot ist doch sehr übersichtlich und die Branche eher klein im Vergleich, so dass man sich verhältnismäßig schnell einen Überblick verschaffen kann. Inzwischen steigt die Zahl der Newcomer zwar langsam, aber auch hier ist es nach wie vor überschaubar, dafür sind sie umso schneller aufzufinden. Nicht zu vergessen: Die Mund-zu-Mund-Propaganda - Empfehlungen von Kundinnen sind natürlich auch immer eine willkommene Quelle. Und viele unserer kleineren Labels haben wir beispielsweise über Instagram entdeckt, die sozialen Netzwerke sind eine wahre Fundgrube und ideal um weltweit die Augen und Ohren offen zu halten!

Was sind die größten Herausforderungen im Geschäft mit großen Größen?

Die größte Herausforderung sind sicherlich Passformen, wie schon angerissen. Eine weitere Herausforderung ist es, Trends für große Größen umzusetzen und hierbei die richtige Balance zwischen mutigem Design und kommerziellen Gesichtspunkten zu finden.

DerPunkt Beratung ist eine Herausforderung. Viele Plus Size Frauen sind unsicher, was Ihnen steht und haben oft ein festgefahrenes Bild von sich und ihrem Körper. Hier bedarf es viel Fingerspitzengefühl und Know-how, um die Kundinnen zu überzeugen und zu unterstützen.

Und dann ist da nicht zuletzt das Imageproblem. In unserer Kommunikation sind wir ganz klar, modern und zeitgeistig. Aber trotzdem haben wir oft mit Vorurteilen dem Plus Size Markt gegenüber zu kämpfen und versuchen dem entgegenzuwirken, indem wir auch gerade Kollaborationen mit "hippen Marken" anstreben, die bisher ihr Sortiment auf ‚Straight Sizes‘ beschränkt haben. Das Imageproblem betrifft im Übrigen auch unsere potentielle Kundschaft, die selbst manchmal nicht über ihren Schatten springen kann in einem „Dicke-Frauen-Laden“ einzukaufen und sei er noch so schön. Sie quälen sich lieber weiter durch „normale“ Läden und hoffen auf Glücksgriffe. Deshalb ist Kommunikation ein so wichtiger Bestandteil, um diese Hürden abzubauen und dem Thema das Tabu zu nehmen. Da ist noch viel Potential.

Was sind Eure nächsten Ziele?

Konkret arbeiten wir wie erwähnt an unserer eigenen Linie und auch am Ausbau unseres Online-Shops, dieser soll ab Herbst zweisprachig laufen, um unseren internationalen Kunden gerecht zu werden. Natürlich stehen auch weiterhin Events und Collaborationen auf unserer Agenda. Und wir planen mittelfristig die Eröffnung weiterer Geschäfte in Deutschland. Wir haben noch viel vor!

Was würdet Ihr Euch für die Zukunft für Curvy Fashion wünschen?

Wir wünschen uns zunächst einmal, dass das Thema „Curvy“ und „Plus Size“ weniger tabuisiert wird und der Umgang damit natürlicher. Es wäre schön, wenn die Tatsache, dass mehr als 50 Prozent der deutschen Frauen eine Größe 42 und größer tragen auch in der öffentlichen Wahrnehmung ankommt. Dazu gehören natürlich auch Werbekampagnen und mediale Berichterstattung, die die öffentliche Wahrnehmung stark beeinflußen. Der Spaß an Mode und am Shopping soll auch für Frauen in großen Größen endlich zur Normalität werden.

Für unseren Geschmack fehlt es auch eindeutig an Marken und Designern, die Lust auf das Thema haben und modische Kollektionen entwerfen. Der gesamte deutsche Übergrößen-Markt braucht einfach mal ein Update, um sein verstaubtes Image los zu werden. Unser absoluter Traum wäre ein Shop, in dem Frauen in allen Größen gemeinsam einkaufen und ihre Lust an Stil und Mode ausleben können, ganz ohne Kategorisierung.

Fotos: Les Soeurs Shop Website und Facebook

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