London Fashion Week leitet „Übergangsphase“ mit experimentellem Format ein
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Ein rascher Blick auf das Programm der letzten Londoner Modewoche ließ bei vielen Fragen offen. Die Juni-Ausgabe 2023 zur Herrenmode war im Vergleich zu den vorangegangenen Saisonen stark eingeschränkt, aber dennoch in einem Format, das hybrider denn je erschien. Am Wochenende vom 9. bis 12. Juni fanden in London eine Reihe von physischen Modeschauen, digitalen Präsentationen und Vorträgen und Diskussionsrunden statt, obwohl nur sechs Designer:innen teilnahmen.
Während die großen Modewochen in der Stadt normalerweise im Februar und September stattfinden, ist die viertägige Veranstaltung jetzt eher ein Experiment für die Zukunft, das Technologie und Kultur miteinander verbindet und gleichzeitig aufstrebende britische Namen fördert. Der British Fashion Council (BFC) stellt sich neu auf lokale Talente ein, um die britische Branche zu stärken. Dieser Schritt wurde letzte Woche vor der Veranstaltung in einem Brief des Vorsitzenden David Pemsel an die BFC-Mitglieder angekündigt.
In dem Schreiben erklärte Pemsel, der im Oktober letzten Jahres ernannt wurde, er wolle die in Großbritannien ansässigen Marken bei der Bewältigung des schwierigen Umfelds unterstützen, mit dem sie derzeit konfrontiert seien, und das zu einem großen Teil durch die Brexit-Regelungen, die Folgen der Pandemie und andere sozioökonomische Faktoren verursacht wurde. Sein Hauptaugenmerk liege auf kommerzieller und kultureller Innovation, der Entwicklung der britischen Modegeschichte und der Förderung eines verantwortungsvollen Wachstums durch zugängliche Möglichkeiten für die nächste Generation von Talenten.
Dass Pemsel den Schwerpunkt auf die Förderung aufstrebender Designer:innen legt, zeigte sich bereits bei der Juni-Ausgabe mit der Einbeziehung von drei Universitäten, darunter die University of Westminster, die Ravensbourne University London und die University of East London, die jeweils ihre eigenen Modenschauen ihrer Absolvent:innen präsentierten. Daneben gab es zwei weiterbildende Podiumsdiskussionen, von denen sich die eine um die Zukunft der Herrenmode drehte, die andere um „den asiatischen Mann“ mit dem Unteritel „An exploration into the forgotten style tribe“.
Geschlechtsneutrale Mode setzt sich durch
Was die Liste der Designer:innen betrifft, so wurde das reduzierte Programm bewusst kleineren Marken und einem breiteren Publikum gewidmet, wobei weniger exklusive persönliche Veranstaltungen angeboten wurden, um die Plattform weiter zu demokratisieren. Im Einklang mit dem letzten Rebranding im Jahr 2020 verfolgt die Veranstaltung weiterhin einen geschlechtsneutralen Ansatz für Herrenmode, wobei sich die ausgewählten Teilnehmer:innen dafür entschieden, Unisex- und androgyne Stile zu zeigen.
Die erste Präsentation war von Hoor Al Qasimi, Kreativdirektorin von Qasimi, deren Herren- und Damenkollektion von der sudanesischen Künstlerin Kamala Ibrahim Ishaq inspiriert wurde, was sich in der Verwendung von Erdtönen, traditionellem Seidendruck und aufwändiger Handwerkskunst widerspiegelte. Qasimi nutzte die Gelegenheit auch, um die Arbeit von zwei Designern aus ihrem Mode-Inkubator „Qasimi Rising“ vorzustellen, Omer Asim und Salim Azzam.
Am selben Tag kehrte auch die in Los Angeles ansässige Herrenmodemarke Justin Cassin zum Programm zurück, nachdem sie zuvor ihre AW23-Kollektion in London gezeigt hatte. Für die AW24-Kollektion entschied sich der Designer jedoch für eine Abendshow in der Vinyl Factory in Soho, wo er einmal mehr seine eigene Interpretation britischer Schneiderkunst mit strukturierten Silhouetten und experimentellen Techniken präsentierte.
Im Gegensatz zur schnörkellosen Linie von Cassin präsentierte Sagaboi eine alternative, augenzwinkernde Sichtweise auf geschlechtsneutrale Mode. Das von Geoff Cooper gegründete Label kombiniert trinidadische Wurzeln mit Streetwear und bezieht sich dabei auf seine Verbindung zu den „Sagaboys“, einer karibischen Subkultur, die sich in den 30er Jahren als Rebellion gegen offenkundig männliche Ideale entwickelte. Bedruckte T-Shirts mit Aufdrucken wie „Lawd 'ave Mercy“ wurden mit retro-inspirierten Hosen kombiniert, während andere Verweise auf vergangene Modeepochen bei Anzügen und gehäkelten Strickwaren zu sehen waren.
Abgerundet wurde das Aufgebot an Designer:innen durch den Gewinner des Woolmark International Prize und NewGen-Preisträger Saul Nash, der mit seiner SS24-Kollektion an den Strand ging. Mit der „Intersection“-Kollektion zollte er dem Erbe seiner Eltern Tribut, indem er guyanische, englische und mauritische Wurzeln zu einer lässigen Parade von Looks kombinierte. Badehosen wurden mit passenden Oberteilen gepaart und hautenge Tops kontrastierten mit bestickten Matrosenjacken, alles in kräftigen, kontrastierenden Farbtönen.
Ausblick
Nach Abschluss dieser kurzen Ausgabe blickt der British Fashion Council nun auf die kommenden Saisonen - mit der neuen Strategie im Hinterkopf. Während die groß angelegten Womenswear-Ausgaben wahrscheinlich ein fester Bestandteil der Aktivitäten der Organisation bleiben und daher weitgehend unverändert bleiben werden, erklärte CEO Caroline Rush in einem Interview mit WWD vor der Juni-Ausgabe, dass der BFC angesichts der sich verändernden Bedürfnisse der Designer:innen erhebliche Änderungen an seinem Menswear-Programm erwäge.
Rush bezeichnete die Modewoche am vergangenen Wochenende als „Übergangsphase“ und merkte an, dass die nächste ganz anders aussehen werde. Sie fügte hinzu, dass solche Änderungen die Einführung einer neuen Plattform mit sich bringen könnten, die auf die Einbeziehung von Herrenbekleidungsunternehmen ausgerichtet ist, die sich typischerweise von den Modeschauen fernhalten, wie zum Beispiel Designer:innen der Savile Row, von denen viele dazu neigen, Veranstaltungen wie die Pitti Uomo der LFW vorzuziehen. Wenn auch noch nicht bestätigt, könnten die Maßnahmen aber so drastisch sein, dass die Januarausgabe der LFW, die sich ursprünglich auf Herrenmode konzentriert, nicht mehr stattfinden könnte.
Die Bemühungen um die Unterstützung der Branche wurden von Pemsel in seinem Schreiben noch einmal bekräftigt, in dem er erklärte: „Wir haben einen unerschütterlichen Glauben an die britische Modebranche, ihren kreativen Herzschlag und London als globale Modemetropole. Unsere Unternehmen sind Innovator:innen, Herausforderer und Provokateur:innen, und unsere Ambitionen sind zu groß, um von dem kleinen Team des BFC eingeschränkt zu werden. Wir als Branche haben durch die Pandemie unsere Stärke als Gemeinschaft bewiesen und nutzen diese Stärke in der Gemeinschaft, um gemeinsam das zu tun, was wir alle tun können, um unsere herausragende Stellung als Kreative, Innovator:innen und Wegbereiter:innen der Branche zu erhalten und zu stärken.“
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.