Londoner Modewoche verbindet Tweed und Y2K trotz Wirtschaftsflaute
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Von Tweed bis hin zu den kultigen Low-Rise-Jeans der frühen 2000er Jahre präsentierte die Londoner Modewoche am Freitag ein breites Spektrum an Stilen und gab damit den Startschuss für ihre 40. Saison, die durch die düstere Wirtschaftslage in Großbritannien getrübt wurde.
Rund 60 Designer:innen, von aufstrebenden Talenten bis hin zu renommierten Marken wie Burberry, werden fünf Tage lang ihre neuen Entwürfe zeigen und hoffen, das Interesse von Einkäufer:innen und Mode-Influencer:innen zu wecken.
Die Show des irisch-amerikanischen Designers Paul Costelloe trug den Titel "Once upon a Time" - eine Anspielung auf den kultigen Film "Once Upon a Time in America" aus dem Jahr 1984 – und zeigte Mäntel mit breiten Gürteln in Ecru, Anthrazit und kariertem Tweed. Costelloe, 78, der mit einem Virus bettlägerig ist, war bei der Veranstaltung nicht anwesend.
Favorit der Gen Z
Die Ukrainerin Masha Popova, ein Favorit der Generation Z, präsentierte eine Kollektion, die von der sogenannten Y2K-Ära Anfang der 2000er Jahre inspiriert war. Vor dem Hintergrund von Techno-Musik und vor einer Schar von Influencer:innen trugen die Models Hosen mit tiefer Taille, verwaschene Jeans und Absätze mit langen Stulpen.
Der türkische Designer Bora Aksu vermittelte eine düsterere Stimmung, die darauf abzielte, die reinste Schönheit inmitten des lebendigsten Schreckens zu finden und zu feiern. Schlanke Modelle mit weitärmeligen Miedern, Spitzenkleidern, fließenden Röcken, Blusen und maskulinen Jacken wurden zu langsamer Musik vorgeführt, wobei die Farben Creme, Grau, Schwarz und Dunkelblau dominierten. Der Designer, der sich von der Arbeit der Bildhauerin Eva Hesse inspirieren ließ, die 1938 als Kind aus Nazi-Deutschland floh, verwendete Rosa- und Rot-Töne, um eine leichte, weibliche Energie zu bewahren, und nutzte für seine Kleidungsstücke Altbestände und ausrangierte Rollen.
Am Freitagabend erhielt die britisch-nigerianische Designerin Tolu Coker stürmischen Beifall für ihre Show, bei der der Laufsteg einer traditionellen afrikanischen Straße nachempfunden war, mit gelben, blauen und grünen Regenschirmen, Reifenstapeln und einem "Give Way"-Straßenschild. Beige, Braun und Schwarz-Weiß waren die vorherrschenden Farben, und die Models trugen Mäntel, Absätze, Stiefel und Röcke. Das zahlreich erschienene Publikum knipste mit seinen Handys, als ein Model mit einem mehrfarbigen Kalebassenkopfschmuck über den Laufsteg schritt. Ein anderes Model erntete Beifall, als es in einer grünen Jacke und einem beigen Rock auftrat.
Am Ende der Show kauerten die Models mit ihren strengen Gesichtern auf dem Laufsteg, bevor sie in ein Lächeln ausbrachen und mit den Händen winkten, was das Publikum zum Jubeln brachte. Coker winkte und lächelte, als sie den Models über den Laufsteg folgte.
Stürmische Zeit
Trotz der Begeisterung des Publikums kommt das Event zu einer turbulenten Zeit für die britische Modeindustrie, die von den Handelsbarrieren nach dem Brexit und der durch die Inflation verursachten Lebenshaltungskostenkrise betroffen ist, was einige angehende Designer:innen dazu veranlasst hat, die Rentabilität von Investitionen in die britische Modebranche in Frage zu stellen.
Der aufstrebende Star Dilara Findikoglu machte im vergangenen September Schlagzeilen, als sie ihre Show aus finanziellen Gründen wenige Tage vor der Veranstaltung absagte. Die Branche, die fast 900.000 Menschen im Vereinigten Königreich beschäftigt und 21 Milliarden britische Pfund (24,59 Milliarden Euro) zur britischen Wirtschaft beiträgt, steht vor "unglaublich schwierigen Zeiten", wie die Direktorin der Londoner Modewoche, Caroline Rush, gegenüber AFP erklärte.
Aber was man aus 40 Jahren lernen kann, sagte sie, ist, dass man in den wirtschaftlich schwierigsten Zeiten die unglaublichste Kreativität erlebt.
„Es gibt fast diese intuitive Reaktion auf das, was zu Hause passiert. Ich hoffe, dass die Kreativität, die wir in den nächsten Tagen sehen werden, unglaublich ermutigend sein wird, dass sie über die Rolle von Kultur und Kreativität in der Gesellschaft sprechen wird“, fügte Rush hinzu.
Die erste Ausgabe der British Fashion Week fand 1984 in einem Zelt auf dem Parkplatz des ehemaligen Commonwealth Institute im Westen Londons statt. Zunächst übersehen, erwarb sich die britische Hauptstadt ihren rebellischen Ruf dank Legenden wie Vivienne Westwood und John Galliano, die die Stadt auf die Landkarte der Mode setzten. Dann folgte die "Cool Britannia"-Ära in den 1990er Jahren, eine Zeit der kulturellen Euphorie, als Designer:innen Stella McCartney oder Matthew Williamson die Supermodels Kate Moss und Naomi Campbell einkleideten.
Seitdem hat London durch den Umzug von Stardesigner:innen und Modehäusern wie Alexander McQueen oder Victoria Beckham nach Paris etwas von seiner Anziehungskraft eingebüßt, doch das NEWGEN-Förderprogramm des BFC, das junge Designer unterstützt, hat Londons Position als Talentschmiede gefestigt. Und obwohl sie weniger prestigeträchtig ist als Paris oder Mailand, wird die Londoner Modewoche dafür gefeiert, freier, radikaler und weniger formelhaft zu sein.
Die Jubiläumsausgabe zielt auch darauf ab, eine größere Vielfalt und Inklusivität hervorzuheben, sowohl in Bezug auf die Körperformen, das Alter oder die Hautfarbe der Models als auch in Bezug auf die Kollektionen der Designer:innen mit Identitäten oder Inspirationen aus der Karibik, dem Iran, Indien oder Äthiopien.
Am Wochenende präsentieren sich bekannte Namen wie JW Anderson, Richard Quinn, Ahluwalia und Simone Rocha ihre Kollektionen für Herbst/Winter 2024, bevor die Londoner Modewoche am Montagabend mit der Show von Burberry zu Ende geht. (AFP)
Dieser übersetzte und bearbeite Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.uk