• Home
  • Nachrichten
  • Mode
  • Lucas Meyer-Leclère: "Ich glaube an Mode als Mittel zum positiven Wandel"

Lucas Meyer-Leclère: "Ich glaube an Mode als Mittel zum positiven Wandel"

Von Barbara Russ

Wird geladen...

Scroll down to read more

Mode |Interview

Lucas Meyer-Leclère. Bild: Mariam Medvedeva

Der Tagesspiegel nennt ihn ‚Wunderkind‘ und die Berliner Zeitung ‚Lagerfelds Liebling‘. Die Rede ist von Lucas Meyer-Leclère, dem Designer, der seit einigen Saisons die Berliner Fashion Week mit Kunst- und Tanzperfomances aufmischt. FashionUnited sprach mit ihm über die Entstehungsgeschichte seines Labels, seine Pläne, den erzeugten Buzz in eine wirtschaftlich erfolgreiche Modelinie zu kanalisieren, und seine Erfahrungen mit der Berlin Fashion Week und dem Fashion Council Germany.

Was ist die Geschichte Ihres Labels?

LML: Mein Traum war es, mit Karl Lagerfeld zu arbeiten, seit ich 10 Jahre alt war. Im Alter von 17 Jahren zog ich nach London und begann mein Studium am St. Martins. 2006 hatte Chanel eine Show dort, sie hieß Paris-London. Ich nahm Kontakt zu ihnen auf und blieb hartnäckig sie, bis sie mich als Praktikanten akzeptierten.

Ich verbrachte dort eine wunderbare Zeit, in der ich Stoffe entworfen habe. Es war das erste Mal, dass die Leitung der Textilabteilung eine kreative Assistenz einstellte. Ich malte von Hand auf Tweed und viele meiner Inspirationen und Kunstwerke landeten in der Kollektion. Und es war fantastisch, all die Kunsthandwerker:innen und Lieferant:innen kennenzulernen, und dann hatten wir diese gigantischen Shows. Es war wirklich sehr, sehr schön. Ich wurde also eingestellt und blieb etwa drei, vier Jahre dort. Aber schließlich ging ich zurück, um mein Studium zu beenden.

Show von Lucas Meyer-Leclère bei der Berlin Fashion Week. Bild: Ines Bahr

Dann, mit 24, bekam ich einen Job in Italien, in der Stofffabrik Isa, die meiner Meinung nach das beste Lieferunternehmen von Chanel war. Es befand sich mitten im Nirgendwo in der Nähe von Como. Ich reiste durch Europa und traf mich mit den Verantwortlichen für die Textilien aller großen Marken, wie Dior, Burberry, Raf Simons und so weiter. Ich habe Italienisch gelernt, was wirklich Spaß macht und für das Modebusiness nützlich ist. Und durch sie lernte ich Sandra Choi kennen, die Kreativdirektorin von Jimmy Choo, und wir arbeiteten gemeinsam an ihrer Accessoire-Linie in London.

Aber ich vermisste es, meine eigene Vision auszudrücken, nicht nur für andere Marken zu designen. Also zog ich nach Berlin, machte einige Kunst- und Tanzkooperationen und fand schließlich meinen Weg zurück in die Mode. Und dann kam der Vorschlag, meine erste Show auf der Berlin Fashion Week zu veranstalten. Und so fing es an.

Woran arbeiten Sie derzeit?

Ich habe die Entwürfe für die kommende Saison fertiggestellt und entwickle in Italien umweltverträgliche Stoffe sowie hochwertige Kleidungsstücke und Kleider. Außerdem habe ich einen neuen Geschäftspartner, Gianandrea Cataneo aus Mailand, und wir haben das Unternehmen umstrukturiert, um zu wachsen. Gianandrea hat die Marke Alessandro Dell'Acqua in den neunziger Jahren aufgebaut und es ist wunderbar, von seiner Erfahrung und Unterstützung profitieren zu können. Bisher haben wir mit unseren Shows viel Aufmerksamkeit erregt und wir kanalisieren diese in einen tragfähigen Handel mit Schwerpunkt auf Tailoring.

Sind Sie auf der Suche nach Wholesale-Partnerschaften?

Wir sind in Gesprächen. Ich biete zum einen das, was ich „Couture-à-Porter“ nenne, mit einer begrenzten Anzahl von einzigartigen, handgefertigten Einzelstücken an. Und dann soll es eine Konfektionslinie geben, die natürlich immer nachhaltig sein muss und einem breiteren Publikum zur Verfügung stehen soll. Ich arbeite auch an einigen Kollaborationen, was aufregend ist, denn es ist immer von Vorteil, mit anderen Kreativen und anderen Marken zusammenzuarbeiten und unsere Stärken, Hoffnungen und Visionen zu teilen.

Wie würden Sie Ihren Stil, beziehungsweise Ihre Modephilosophie beschreiben?

Nun, das sind zwei verschiedene Dinge. Mein Stil legt den Schwerpunkt auf Schneiderei mit einem Twist. Und er ist geschlechterübergreifend.

Was meine Philosophie betrifft, so glaube ich an Mode als Mittel zum positiven Wandel. Auch wenn Luxus nur wenigen vorbehalten ist, kann er durch die gemeinsame Erschaffung von Universen und Inspiration Toleranz und Inklusivität vermitteln. Für mich ist es immer ein Kreislauf: Jeder inspiriert jeden. Wir tun dies alle zusammen, ob durch Unterschiede oder durch Gemeinsamkeiten.

Show von Lucas Meyer-Leclère bei der Berlin Fashion Week.Bild: Ines Bahr

Wie sieht es mit Nachhaltigkeit aus?

Nachhaltigkeit ist für mich sehr wichtig. Es ist nicht nur ein Trend. Ich denke, es ist die einzige Möglichkeit, wie man kreativ sein kann, wenn man sich noch selbst ins Auge sehen will. Und das Schöne daran ist, dass es neue Herausforderungen schafft. Es zwingt uns dazu, über den Tellerrand hinauszuschauen. Natürlich braucht die Branche viel Zeit, um sich zu verändern, aber es gibt jetzt schon viele positive Veränderungen. Ich bin wirklich gespannt auf die Möglichkeiten, die sich daraus in Zukunft noch ergeben.

Wie beschaffen Sie Ihre Materialien?

Ich arbeite auf verschiedene Weise. Eine ist das Re-tailoring bestehender Stücke. Und dann arbeite ich gerne mit Restbeständen, was mir aufgrund meiner früheren Erfahrung mit Textilien sehr viel Spaß macht. Ich weiß, wie ich mit verschiedenen Veredelungen oder Waschungen spielen kann, um einen wirklich einzigartigen Griff und Look zu erhalten, und das macht es wirklich besonders.

Allerdings sind diese Produkte nur begrenzt für den Wholesale geeignet. Deshalb stelle ich in Italien auch meine eigenen Stoffe aus nachhaltigem Garn und recyceltem Polyester her. Ich suche mir dafür immer interessante Partnerschaften und es war wunderbar, in der letzten Saison mit Art Design zusammenzuarbeiten, die meine Zeichnungen mit umweltfreundlichen Metallisierungsschichten reproduziert haben. Sie malen viel von Hand und sind wirklich großartig. Die Hälfte der Personalisierungen auf dem Pariser Laufsteg stammt von ihnen und fast niemand weiß es. Es ist wunderbar zu sehen, wie Italien den nachhaltigen Diskurs wirklich vorantreibt.

Als ich vor fünfzehn Jahren Stoffe entwarf, hatte nur Stella McCartney Zugang zu Textilien aus Bambus. Jetzt gibt es sie überall. Die Zusammenarbeit mit nachhaltigen Lieferunternehmen ist für uns ein Weg nach vorne.

Wer wäre Ihr:e Traumkund:in?

Im Einzelhandel habe ich keine Traumkundschaft. Vielmehr sind es Partnerschaften, die im Laufe der Zeit wachsen, und wir sind mit ihnen auf dem richtigen Weg. Ich bin jedoch gespannt, wie eine neue Version von Colette aussehen könnte. Und ich würde gerne den nächsten David Bowie einkleiden, wer auch immer das sein mag. Was die Realität angeht, wäre es lustig, sich für Lil-Nas X oder Willow Smith Kleidung für die Bühne und für den Alltag auszudenken. Sam Smith finde ich auch fantastisch.

Close-Up Show von Lucas Meyer-Leclère bei der Berlin Fashion Week.Bild: Ines Bahr

Sie haben zwei Beispiele gewählt, die es nicht mehr gibt. Gehört Ihr ideales Modegeschäft der Vergangenheit an?

Nein, absolut nicht. Denn Mode ist von ihrem Wesen her etwas, das sich vorwärts bewegt. Ich interessiere mich zum Beispiel sehr für die Zukunft der digitalen Mode. Wir ziehen diesen Aspekt in Betracht, weil ich denke, dass er für ein breiteres Publikum relevant ist. Damals, als ich 15 war, konnte man ein Clip-Armband von Dior für 15 Euro bekommen. Und so hat John Galliano mehr Menschen erreicht und die Mode demokratisiert. Die Leute erkannten, dass man sparen und sich zum Beispiel eine Tasche kaufen kann. Und ich habe das Gefühl, dass das Metaversum dies für Menschen tut, die ihren Avatar einkleiden.

Ich sehe das so: Die Erfindung der Rolltreppe hat die Treppe nicht abgeschafft. Es können also zwei Dinge gleichzeitig existieren und dasselbe fördern, in digitaler und analoger Form, es sind zwei Seiten einer Medaille, die einander pushen und gemeinsam wachsen können.

Werden Sie im Februar wieder an der Berlin Fashion Week teilnehmen?

Ja, die Show ist für Februar bestätigt.

Was werden wir zu sehen bekommen?

Einen völlig anderen Ansatz als das, was wir bisher gemacht haben. Der Schwerpunkt liegt auf einer kompletten Garderobe Made in Italy von morgens bis abends. Und jede Menge Kleider. Es geht darum, zu definieren, was das Tailoring der Marke ausmacht. Die Passform. Die Tragbarkeit. Die Verarbeitung. Und natürlich das Material. Was es bedeutet, Kleidung von uns zu tragen. Warum es einen Unterschied macht.

Was halten Sie von der Wirkung der Berlin Fashion Week und der Arbeit des Fashion Council?

Ich denke, die letzte Show war dank der Unterstützung des Councils großartig. Ich hatte viel Spaß. Es war toll, wieder einmal mit Claudia Hoffman kreativ zusammenzuarbeiten. Sie hat mich dazu gedrängt, aus meiner Komfortzone herauszukommen und meine 'Spoken Words' auf der Bühne umzusetzen. Es war auch unterhaltsam für mich, einige meiner Freunde vom Staatsballett zu choreographieren. Es fühlte sich gut an, als Ganzes. Es passte wirklich alles zusammen.

Der Fashion Council unternimmt in Berlin vieles, um eine ganze Woche rund um die Shows zu gestalten, und ich bin wirklich dankbar, dass ich ein Teil davon sein darf. Bei so viel Unterstützung des Senats für die Modewoche gibt es eine Menge Möglichkeiten für eine glänzende Zukunft in Berlin.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ein Programm wie NewGen in London entstehen würde, das so viele interessante Designer:innen hervorgebracht und unterstützt hat. Eine langfristige Unterstützung, die wirklich etwas bewirken würde, um die Menschen hier zu verankern und Vertrauen zu schaffen, sodass es auf die Qualität der Berliner Modewoche zurückstrahlt. Christiane Arp arbeitet dort sehr viel, sodass wir in guten Händen sind.

Berlin
Interview
Lucas Meyer-Leclère