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Mailand: Marken positionieren sich neu, um Gen Z anzusprechen

Von Rachel Douglass

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Mode

Bild: Boss, H/W22

Vor dem Hintergrund der italienischen Parlamentswahlen fand die Mailänder Modewoche mit einem vollgepackten Programm namhafter Modehäuser und Labels statt. Dramatische Inszenierungen auf den Laufstegen spiegelten die angespannte Stimmung im Land wider, bei der die rechteste Regierung seit Mussolini gewählt wurde.

In den Schauen und Präsentationen zeigten eine Reihe von High-Fashion-Marken Kollektionen, die versuchten, die Umstrukturierungen und angepassten Markenstrategien, die im letzten Jahr stattgefunden haben, gerecht zu werden. Diese reichten von komplett verjüngten Identitäten bis hin zur völligen Erneuerung der Kreativteams oder Kollektionen und Shows, die sich um die Aufmerksamkeit einer jüngeren Generation bemühten.

Die Schritte kommen inmitten internationaler makroökonomischer Schläge und verschiedener globaler Konflikte, die die Lieferketten belasten.

Fendi setzt noch stärker auf Accessoires

Es war die zweite Show der Saison für Fendi. Das italienische Modehaus zeigte bereits eine erste Laufsteg-Show während der New York Fashion Week, wo es seine Resort-Kollektion 2023 vorstellte. In Mailand präsentierte das Modehaus seine Frühjahr/Sommer-Kollektion 2023, bei der der künstlerische Leiter der Damenmode, Kim Jones, mit seinen Entwürfen eine Hommage an Karl Lagerfeld ablieferte.

Bild: Fendi F/S23
Bild: Fendi F/S23

Jones, der die Nachfolge des 2019 verstorbenen Designers antrat, schöpfte sowohl aus den Fendi-Archiven als auch aus den Codes, die Lagerfeld während seiner Amtszeit bei der Marke entwickelt hatte. Dazu gehörte die Modernisierung eines Logos, das erstmals 2000 eingeführt wurde, ebenso wie Anspielungen auf Lagerfelds Arbeit zwischen 1996 und 2002. „Es geht um Kontinuität“, sagte Jones in einer Mitteilung. „Ich bin daran interessiert, mir Dinge anzusehen, die Karl gemacht hat, und zu sehen, wie wir sie weiterentwickeln können – sowohl visuell als auch technisch.“

Die Marke, die sich im Besitz von LVMH befindet, gehörte im ersten Quartal 2022 zu den Top-Häusern des französischen Luxusgüterkonzerns und trug dazu bei, die Sparte Mode und Lederwaren zu stärken. Der Konzern schrieb seinen Erfolg vor allem den bemerkenswerten Handtaschen-Modellen Peekaboo und Baguette zu, was wahrscheinlich dazu führte, dass die Entwürfe bei jeder seiner Shows für die Saison in den Vordergrund gestellt wurden. Während die Baguette im Mittelpunkt der Resort-Schau in New York stand, trug die Peekaboo dazu bei, dass Fendi in Mailand stark auf Accessoires setzte, wo sie zu einem der Schlüsselstücke der Marke wurde.

Neben seinen Anspielungen an Lagerfeld, vor allem in der oben genannten Zeitspanne, waren Jones' Entwürfe weitgehend mit dem anhaltenden Y2K-Trend verknüpft. Dies äußerte sich in seiner Verwendung von bunten Farbtupfern, utilitaristisch inspirierten Silhouetten und abstrakten Schnitten, die das Jahrzehnt definierten. Der Trend hat sich in den letzten zwei Jahren in der gesamten Branche durchgesetzt und wird von Gen Z angetrieben, eine Generation, die die Modehäuser kollektiv stärker ansprechen wollen.

Designer:innen demokratisieren die Mode

Glenn Martens übernahm den Y2K-Look auch für seine F/S23-Show von Diesel, bei der der Kreativdirektor eine Jeans-lastige Kollektion vorstellte. Das Material wurde künstlich gealtert, raw, laminiert und bedruckt verwendet und kam in allen möglichen Kleidungsstücken, von Minikleidern bis zu übergroßen Cargohosen, vor.

Bild: Diesel, F/S23
Bild: Diesel, F/S23

Allerdings war die Kleidung nicht der einzige Schwerpunkt bei Diesel. Die Show selbst war für die Öffentlichkeit zugänglich, um die Mode noch weiter zu demokratisieren. Neben einer Live-Übertragung online konnten auch Tickets für die physische Veranstaltung gekauft werden. Sie waren laut der Pressemitteilung der Marke innerhalb von 90 Minuten ausverkauft. Von den 4.800 Anwesenden waren 70 Prozent der Eintrittskarten für Personen zwischen 18 und 25 Jahren bestimmt, während über 1.500 Mailänder Modestudent:innen ebenfalls Freikarten erhielten. Sammler:innen der nicht-fungiblen Token (NFTs) von Diesel erhielten außerdem freien Zugang zur Show und trugen damit zum Ziel des digitalen Projekts bei, ein exklusiveres Gefühl für die NFT-Mitglieder zu schaffen. Martens merkte an, dass er damit bezweckt habe, dass die Veranstaltung auch für die Öffentlichkeit und Menschen zugänglich ist, die vielleicht noch nie bei einer solchen Veranstaltung gewesen seien, denn „sie verdienen eine Show“.

Der Designer führt aktuell bei Diesel eine „Markenevolution“ durch. Die Strategie, die im Abschlussbericht 2021 der OTB Group enthüllt wurde, besagt, dass sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt hat, die Marke im alternativen Luxussegment neu zu positionieren. Neben dem Abschluss eines Requalifizierungsprozesses für den Vertrieb erklärte OTB, dass Diesel unter seiner neuen kreativen Leitung seinen Blick auf eine trendorientierte internationale Kundschaft richten werde. Der Gründer und Vorsitzende der Gruppe, Renzo Rosso, erklärte gegenüber der Financial Times, er sei bereit, sich mit den größten französischen Konzernen wie Kering und LVMH zu messen.

Bild: Diesel, F/S23

Das Augenmerk, das der Konzern auf seine Positionierung im Luxusmarkt legt, zeigte sich auch bei der Übernahme von Jil Sander. In einer Mitteilung hieß es, dass das Unternehmen nur neun Monate nach der Übernahme den operativen Break-Even erreicht habe. Das Schwesterunternehmen von Diesel präsentierte sich ebenfalls in Mailand, wenn auch in abgeschwächter Form. Das Kreativduo Luke und Lucie Meier haben sich dafür entschieden, die Herren- und die Damenkollektion wieder zusammenzuführen, nachdem sie diese beiden Bereiche 2018 getrennt hatten.

Bild: Moncler, Mailänder Modewoche F/S23
Bild: Moncler, Mailänder Modewoche F/S23

Fantasievolle Präsentationen waren jedoch nicht Mangelware, wie das Beispiel von Moncler zeigt. Wie die von Martens, war auch diese Show auf der Piazza del Duomo für die Öffentlichkeit zugänglich. Die groß angelegte Veranstaltung diente der Feier des 70-jährigen Jubiläums des Labels und bildete den Auftakt zu einem 70-tägigen Programm mit weltweiten Feierlichkeiten. 1.952 Tanzende traten auf dem Platz in einer Choreographie auf, die meisten von ihnen in der Maya-Jacke der Marke, einem Design, das die Marke als Brücke zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft schlägt.

Die Gruppe, zu der auch Stone Island gehört, konnte sich in ihrem Jubiläumsjahr über ein starkes finanzielles Ergebnis freuen: Der Umsatz stieg um 48 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021. Die Resonanz auf den Laufsteg spiegelte den gemeldeten Erfolg wider, denn 18.000 Zuschauer:innen strömten auf den zentralen Platz, um die Vorstellung zu sehen. Remo Ruffini, Vorsitzender und CEO der Moncler-Gruppe, sagte zu dem Ereignis: „Am stolzesten bin ich darauf, dass wir alle Generationen zusammengebracht haben und die starke Energie zu spüren war, die von unseren Communitys ausgeht. Mit ihnen wollen wir die nächsten 70 Jahre gestalten.“

Führung rundum erneuert

In scharfem Kontrast zu Monclers Parade weißer Pufferjacken erzählte der Laufsteg von Versace die Geschichte einer „dunklen Gothic-Göttin“, wie Donatella Versace ihre Muse für diese Saison nannte. Neben robusten Bikerjacken aus Leder und grafischen Prints gab es auch aufwändig gestaltete Chiffonteile und Kleider, sowie viele Stücke, die aus recycelten Produktionsabfällen hergestellt wurden, so die Marke in einer Mitteilung.

Bild: Versace F/S23

Die Kollektion folgt auf eine Ankündigung des CEO der Holdinggesellschaft Capri Holdings. Darin sagte John Idol, das Label werde seine Preise anheben und damit in eine neue Ära eintreten. Im Gegensatz zu den meisten Einzelhandelsgeschäften sei die Preiserhöhung bei Versace jedoch nicht auf die Inflation zurückzuführen, sondern auf die Absicht des Unternehmens, mit der Luxusbranche zu konkurrieren. Ursprünglich hatte der Konzern erklärt, dass er im Jahr 2020 einen Umsatz von zwei Milliarden US-Dollar mit Versace erreichen wolle, und das Ziel verfolge, mit Accessoires und Schuhen 60 Prozent seines Umsatzes zu erwirtschaften.

Bild: Versace SS23

Wie auch schon bei Fendi, ließ sich bei der F/S23-Show von Versace beobachten, dass die Accessoires hervorgehoben wurden. Eine Vielzahl von Taschen aus der La Medusa-Linie wurde in den typischen Grün-, Violett- und Metallic-Farben der Kollektion gezeigt, während die neue Medusa Anthem-Kollektion ebenfalls eine große Auswahl an Modellen bot. Die Wachstumsstrategie der Marke wird von ihrem neuen CEO, dem ehemaligen Alexander McQueen-Manager Emmanuel Gintzburger, geleitet, der mit der Leitung der strategischen Initiativen und Zukunftspläne von Versace betraut wurde.

Etro ist ein weiteres Unternehmen, das vor kurzem sein Führungsteam umgestaltet hat. Dazu gehörte auch die Begrüßung des neuen Kreativdirektors Marco De Vincenzo. De Vincenzo gab sein Debüt auf dem Laufsteg mit der F/S23-Kollektion der Marke und präsentierte Looks, die sich vom Erbe von Etro inspirieren ließen und der Marke eine neue Perspektive gaben, die sich auf Schlichtheit und Wesentliches konzentrierte.

Bild: Etro F/S23
Bild: Etro F/S23

Der neue Designer deutete auch eine mögliche nachhaltige Perspektive für das italienische Label an. So zeigte er Accessoires, die archivierte Stoffe mit recycelten Materialien kombinierten, sowie handgefärbtes, mehrfarbiges Kaschmir, das in Denim-Brokatstoffen und in Form von Baumwollhemden präsentiert wurde.

Auch bei der Marke Boss, die zum Metzinger Modekonzern Hugo Boss gehört und sich in den letzten Monaten einer kompletten Überarbeitung ihrer Identität unterzogen hat, war ein Wandel zu spüren. Die jüngsten Präsentationen und Kampagnen, darunter auch die H/W22-Show in Mailand, zielten darauf ab, das Motto der Marke 'Be Your Own Boss' in einer modernisierten Form darzustellen. Die jüngste Kollektion zielt darauf ab, diese Botschaft durch eine dekonstruierte Idee von ‚Power Dressing‘ zu vermitteln, bei der Boss-Kleidungsstücke aus dem Archiv für eine neue, jüngere Generation neu aufgelegt werden. Auch die Laufstegshow selbst spiegelte dieses Ziel wider: Biker vollführten in Kugeln der Schwerkraft trotzende Tricks. Ein Versuch, einen weiteren Social-Media-Moment zu schaffen, auf den die Marke bei früheren Präsentationen so scharf war. Dies wurde noch verstärkt durch den ‚See now, buy now‘-Ansatz, den Boss bei diesen ohnehin schon spannenden Veranstaltungen verfolgt und der es seiner digital-affinen Kundschaft ermöglicht, die Laufsteg-Looks sofort zu kaufen, sobald sie gezeigt werden.

Die Bemühungen für diese Saison sind Teil der Wachstumsstrategie ‚Claim 5‘ der Hugo Boss Gruppe, mit der sie sich zum Ziel gesetzt hat, eine neue Generation von Verbraucher:innen zu verstehen. Die Marke erklärte in einer Mitteilung, dass das neu entwickelte Boss-Logo eine der treibenden Kräfte hinter der aktuellen Kollektion war. Es streben eine neue Perspektive des Schneiderhandwerks und des eleganten ​​Power Dressings für Männer und Frauen an, so das Unternehmen.

Bild: Boss, H/W22
Bild: Boss, H/W22

Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ.

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