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Mercedes-Benz Fashion Week Berlin: Modewoche für Entdecker

Von Jan Schroder

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Mode

In der Champions League der Mode hat die Berliner Mercedes-Benz Fashion Week auch in dieser Saison nicht gespielt. Den Anspruch haben die Veranstalter aber auch nie gehabt. Einige der siebzig Modenschauen, die es in der vergangenen Woche in der Hauptstadt zu sehen gab, bewegten sich aber trotzdem auf hohem Niveau. Langweilig war es trotz großer Qualitätsunterschiede auf den Laufstegen jedenfalls nicht – es gab wie immer einige Highlights zu entdecken.

Für die Höhepunkte der Woche sorgten bewährte Stammgäste ebenso wie Berlin-Debütanten. An erster Stelle stand dabei das deutsche Label Odeeh, das sonst in Paris zu zeigen pflegt. Die beeindruckende Baustelle des Humboldt-Forums nutzten die Designer Otto Drögsler und Jörg Ehrlich, um die in dieser Saison meistbeachtete Show zu inszenieren. Sportlich-klar waren die meisten ihre Entwürfe, mit raffinierten Details und großflächigen Drucken sorgten sie aber für bleibende Eindrücke.

Hoher Besuch aus Paris: Odeeh

Die Odeeh-Show fand im Rahmen des Berliner Mode Salons statt. Der temporäre Showroom im Kronprinzenpalais hat sich längst zu einer Institution der Modewoche entwickelt. Die handverlesenen deutschen Labels, die dort ihre Kollektionen vorstellen, bürgen für hohe Qualität. Während Odeeh für ihren großen Auftritt in den Rohbau des benachbarten Humboldt-Forums zogen, nutzten andere Teilnehmer des Berliner Modesalons den großen Garten des Palais für ihre Schauen. Zu denen zählte die inzwischen allenthalben geschätzte Marina Hoermanseder. Auch in dieser Saison konnte die gebürtige Wienerin, die mit ihrem Label in Berlin ansässig ist, die hohen Erwartungen erfüllen. Die orthopädischen Lederriemen, die seit ihrem Debüt das Schlüsselmotiv der Modeschöpferin sind, tauchen auch in der aktuellen Kollektion auf – teilweise verfremdet und in andere Materialien und Applikationen übertragen. Sie dienen mittlerweile aber mehr als unverkennbares Markenzeichen denn als gestalterisches Grundprinzip – selbst auf Saftpackungen, die Hoermanseder für einen Lebensmittelhersteller gestaltete, sind sie inzwischen zu finden.

Edition mit Kakteen: Steinrohner

Ihre Kollektion überzeugte auch dort, wo die Riemen abwesend waren: Neben den bekannten skulpturalen Silhouetten setzte die Designerin bewusst auf Leichtigkeit, auf üppig bestickte Outfits in Blau- und Orangetönen mit raffinierten Farbverläufen. „Ausgelassenheit, Leichtigkeit und Noblesse“, die ebenso entspannte wie stilsichere Atmosphäre der Côte d’Azur, wollte sie nach Berlin bringen – es ist ihr gelungen.

Während einige der etablierten Berliner Labels den Laufstieg mieden – Perret Schaad stellten ihre neuen Entwürfe mit einem 3D-Film vor, Lala Berlin mietete das „höchste Penthouse Berlins“ für eine Präsentation in kleinem Rahmen –, wussten einige aus der nachrückenden Generation auf dem Catwalk zu überzeugen. Darunter war das 2013 gegründete Label Steinrohner. Inna Stein und Caroline Rohner zeigten auf dem großen Laufsteg im Erika-Heß-Eisstadion ihre neuesten Kreationen, bei denen diesmal Kakteen im Vordergrund standen. Illustrationen aus einem historischen botanischen Tafelwerk hatten sie in schöne Drucke und originelle Applikationen übersetzt, die das Duo die mit fein detaillierten und präzise konstruierten Stücken in schlichtem Schwarz, Weiß und Grau kombinierten. Und Steinrohner machen nicht nur überzeugende Kleidung – sie stellen, wie viele Labels im Moment, auch die traditionellen Zwänge der Modeindustrie in Frage. So machen sie keine schnell vergänglichen „Kollektionen“, die nach einer Saison verramscht werden müssen, sondern nachhaltige „Editionen“, die langfristig verfügbar bleiben.

Keine Entschuldigungen: Julian Zigerli

Über das starre Regelwerk der Branche macht sich auch Julian Zigerli keine großen Gedanken. Die Show des Schweizers stellte die üblichen Abläufe gleich komplett auf den Kopf. Sie begann mit den Elementen, die üblicherweise erst zum Finale erwartet werden – dem Auftritt des Designers, dem großen Defilee. Danach durften die Models die einzelnen Outfits vorführen. Auch die scherten sich nicht sonderlich um Konventionen: Ob männlich, weiblich oder gleich unisex – die Grenzen zwischen den Geschlechtern waren fließend, obwohl Zigerli unter in die Kollektion auch seine ersten speziell für Frauen kreierten Stücke eingestreut hatte. Aber so ernst nimmt er sich und den Modezirkus eben nicht: „Sorry“ hieß die Kollektion – versehen mit dem Zusatz „not sorry, never sorry“. Soll heißen: Es gibt keinen Grund, sich für die einfachen Freuden des Lebens zu entschuldigen. Und für die sind seine sportiven, oft erfrischend spielerischen Entwürfe die perfekte Garderobe.

So gab es im großen Programm der Fashion Week einige erfreuliche Entdeckungen zu machen. Daneben waren auch die üblichen etablierten deutschen Marken zu sehen: Schumacher, Laurèl oder Marc Cain lieferten wie gewohnt solide marktgängige Kollektionen ab, die internationalen Gäste überzeugten mehr – wie das niederländische Label Avelon, dem die Eröffnungsshow vorbehalten war – oder weniger – etwa die New Yorker Marke Cushnie et Ochs, deren Schlauchkleider vermutlich sexy und selbstbewusst wirken sollten, aber letztlich nur Klischees bedienten.

So war auch diese Ausgabe der Mercedes-Benz Fashion Week wieder eine Wundertüte, die positive und weniger erfreuliche Überraschungen enthielt. Auf einen gemeinsamen Nenner ließen sich die Teilnehmer nicht bringen. Aber in Berlin werden ja schon traditionell keine Trends gemacht, hier verfolgen Designer mit klaren individuellen Vorstellungen ihre ganz eigenen Visionen von Mode.

Dass die Veranstaltung dadurch zunehmend zerfasert, ließ sich auch an den Örtlichkeiten ablesen. Viele wichtige Marken mieden den zentralen Laufsteg in der Erika-Heß-Eishalle. Die bietet zwar mit ihrer kargen Sichtbeton-Ästhetik einen hervorragenden Rahmen für Modenschauen, viele Besucher fremdelten aber mit dem entschieden unglamourösen Umfeld im rauen Arbeiterviertel Wedding. Schon ein wenig paradox, weil gerade Leute aus der Modeszene doch nach wie vor nicht müde werden, zu betonen, dass sie an Berlin gerade die Authentizität und den rohen Charme schätzen, der die deutsche Hauptstadt von traditionellen Metropolen wie Paris oder Mailand unterscheidet. Trotz aller Mäkeleien am Veranstaltungsort können es die Organisatoren hier also einfach ganz selbstbewusst mit Julian Zigerli halten: „Sorry? Not sorry!“

Foto: Julian Zigerli (Fotos (3): ©Getty Images), Marina Hoermanseder (Fotos (2), ©Stefan Kraul), Steinrohner (Fotos (2): ©Mercedes-Benz Fashion)

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