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Modebranche setzt auf Unisex-Trend

Von Barbara Russ

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Mode

Egal ob Kleidung, Spielzeug oder Werkzeug – die eindeutige Design-Verortung nach Geschlecht wird in allen Branchen neu überdacht. "Statt von unisex würde ich eher von nosex reden, weil es bei den Produkten gar nicht mehr um das Geschlecht, sondern um den Menschen geht", sagt die Trendforscherin Verena Muntschick vom Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main. Doch lässt sich das wirklich auf dem Markt anwenden? Und wie sieht es damit in Deutschland aus?

Einer Studie des Online-Magazins Fusion zufolge begreifen bereits 50 Prozent der US-amerikanischen Millennials (also der Generation, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurde) Gender (das soziale, angelernte Geschlecht) nicht als ein binäres System, sondern als ein breites Spektrum. Dementsprechend ist es möglich, sein Gender irgendwo auf diesem Spektrum anzusiedeln oder gar ‚gender fluid’ zu sein, das heißt sich nicht festzulegen und so flexibel zu bleiben. Celebrities machen es vor: Ruby Rose, die in der Netflix-Serie Orange is the New Black eine lesbische Inhaftierte spielt, ‚outet’ sich im realen Leben als ‚gender fluid’. Auch lesbische Paare werden immer sichtbarer: Cara Delevingne, Kristen Stewart und Miley Cyrus haben alle öffentlich ihre Bi-Sexualität bekannt und sich öffentlich mit ihren Partnerinnen gezeigt. Auch Transgender-Berühmtheiten wie Caitlyn Jenner und Laverne Cox, ebenfalls aus Orange is the New Black, rücken immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit. Dabei handelt es sich streng genommen nicht um einen ‚Trend’, denn das würde implizieren, dass dieser, wenn er aus der Mode kommt, wieder enden würde. Eher ist es einer gesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Toleranz geschuldet, dass diese Berühmtheiten öffentlich zu ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Gender-Identität stehen können.

Vermeintlich in Stein gemeißeltes wird verflüssigt

Blau für Jungen, rosa für Mädchen – dies scheint heute eine unumstößliche Wahrheit zu sein. Doch noch vor hundert Jahren war es anders herum: Jungen trugen rosa, weil es das ‚kleine Rot’ war und somit für Blut und Kampf stand. Mädchen trugen hellblau, es wurde als das ‚kleine Blau’ gesehen und schließlich war Blau die Farbe der Jungfrau Maria, des ewig Weiblichen. Ewig ist demnach nicht vieles, was als in Stein gemeißelt scheint, gerade wenn es um Geschlechter und deren Attribute geht.

Modebranche geht mit gutem Beispiel voran

Vor allem in der Modebranche setzen einige Hersteller inzwischen auf Produkte, die sich keinem Geschlecht zuordnen lassen. "Das ist ein Lifestyle-Trend, der aus einer gesellschaftlichen Entwicklung kommt", sagt Handelsexperte Andreas Bauer von der Unternehmensberatung Roland Berger. Ein Beispiel sei die britische Kaufhauskette Selfridges, die mit "Agender" Anfang des Jahres probeweise eine geschlechtsneutrale Modeabteilung einrichtete. Als weiteres Beispiel für das Verwischen der Geschlechtergrenze wird vielerorts die Boyfriend-Jeans ins Feld geführt, die deutsche Hersteller mittlerweile flächendeckend in den Kollektionen haben. Allerdings ist es keinesfalls ein neuer Trend, dass die Damenmode sich Ideen aus der Herrenmode leiht. Bei H&M-Tochter &Other Stories gibt es mittlerweile sogar eine eigene Transgender-Kollektion, inklusive Transgender-Models, die für das Lookbook posierten. Produkte, die sich sowohl für Männer als auch für Frauen eignen, hat neben &Other Stories etwa das Münchner Taschenlabel MCM im Programm: dort hat man Unisex-Düfte eingeführt. Selbst der US-Einzelhandelsriese Target hob in seinem Kindersortiment die Trennung von Produkten für Mädchen und Jungen in diesem Sommer auf - als Reaktion auf öffentlichen Druck.

Klischees, #Notbuyingit und Gender Equality

In den USA gibt es schön länger eine Diskussion um von Industrie und Einzelhandel forcierte Gender-Klischees, wie die Farben Rosa und Blau bei Kinderkleidung. Einige Startup-Bekleidungsfirmen sind bereits mit dem Ziel angetreten, Stereotypen Alternativen entgegenzusetzen. Auch wird unter dem Hastag #Notbuyingit auf Sexismus und Gender-Klischees in Konsumprodukten und Werbefilmen, besonders während des SuperBowls, aufmerksam gemacht. Jüngst rief etwa Schauspielerin Emma Watson in einem Videoclip von der britischen Vogue zu Gleichberechtigung in der Modewelt auf und scharte dabei Designer und Modeprofis um sich, die Ihre Message unterstützten.

Deutsche Modefirmen zögerlich

Der deutsche Markt hinkt der Entwicklung jedoch noch hinterher. Bei oft alteingesessenen, deutschen Traditionsunternehmen bleibt man laut Handelsexperte Bauer noch skeptisch: "Das kommt mehr aus dem Ausland", sagt der Fachmann. "Deutsche Modefirmen gehen in der Hinsicht nicht voraus. Hugo Boss wird das erst dann machen, wenn es massentauglich ist."

Chancen und Grenzen des Unisex-Marktes

Für Unternehmen hätten geschlechtslose Produkte außerdem Vorteile bei der Werbung, "da die homogenen Zielgruppen Mann/Frau heutzutage gar nicht mehr existieren", erörtert Muntschick. Auch könne man mit einer geschlechtsspezifischen Marketingkampagne bei weitem nicht jeden erreichen. "Grundsätzlich erweitert es den Markt", sagt auch Handelsfachmann Bauer. "Wenn wirklich nur ein Produkt für alle hergestellt wird, hat das natürlich auch Vorteile bei den Produktionskosten." Aber: Für den breiten Markt gebe es erhebliche physische Grenzen. „Männern passen einfach keine Damengrößen“, so Bauer. Das insbesondere für die Sportartikelbranche, in der es auf perfekte Passformen ankomme oder auf Funktionen, die schlicht eigene Männer- oder Frauenprodukte nötig machten. Auch die Unisex-Abteilung bei Selfridges ist inzwischen aufgehoben. Es habe sich um ein sechswöchiges Experiment gehandelt, erklärt das Kaufhaus. Man überlege derzeit, wie das Projekt weitergehen könne.

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