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Modedesigner Jean Paul Gaultier wird 70

Von DPA

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Mode

Bild: Jean Paul Gaultier

Jean Paul Gaultier hat Männer in Röcke gesteckt und Frauen in Korsetts: Der Modedesigner war seiner Zeit schon immer voraus. Mit neuen Projekten geht es für den Star auch nach seinem Haute-Couture-Abschied weiter.

Autodidakt, Antikonformist und Visionär: Jean Paul Gaultier hat die Vorstellung von Schönheit revolutioniert und mit seinen Event-Defilees die Grenzen zwischen Mode und Spektakel verschoben. Mit einer Haute-Couture-Parade, die ihresgleichen sucht, verabschiedete sich der Stardesigner vor über zwei Jahren überraschend von der Welt der hohen Schneiderkunst. Doch nicht ganz. Mit neuen Projekten mischt Gaultier, der am Sonntag (24. April) 70 Jahre alt wird, weiter mit.

Er werde etwas anderes tun, aber auf jeden Fall etwas, das mit Mode zu tun habe, denn etwas anderes könne er gar nicht, teilte er nach seiner gigantischen Abschiedsshow am 22. Januar 2020 mit. Nur wenige Wochen später kündigte er ein neues Konzept an: Die Neuinterpretation seiner Kreationen durch verschiedene Designer.

Glenn Martens for Jean Paul Gaultier. Bild: Arnaud Lajeunie (via Lucien Pagès)
Glenn Martens für Jean Paul Gaultier. Bild: Arnaud Lajeunie (via Lucien Pagès)

Diese Idee habe er schon in den 1990er Jahren gehabt, zitierte die Zeitschrift «Elle» den Stardesigner. Damit gibt Gaultier sein Erbe und Know-how weiter. Oder wie er sagt: Die Marke Gaultier werde es weiterhin geben, aber ohne ihn. Heute befindet sich das Haus Gaultier mehrheitlich im Besitz der spanischen Puig-Gruppe, zu der auch die Modemarke Nina Ricci gehört.

Die erste, die sich in Zusammenarbeit mit Gaultier an die Neugestaltung seiner Kunst wagte, war die Japanerin Chitose Abe für die Haute-Couture-Schauen Herbst-Winter 2021/2022 im vergangenen Juli. Das Ergebnis: Korsettkleider mit Tennisstreifen.

Tutus für Männer, Korsetts mit Spitztüten-BH, Matrosenanzüge und Minimal-Outfit für die Frau: Der Couturier war schon immer seiner Zeit voraus. Mit seinen exzentrischen Kreationen brach er Tabus, hinterfragte Konventionen und den Begriff von Schönheit. Dazu gehörte auch, dass er nicht nur langbeinige Models auf den Laufsteg holte, sondern normale Menschen von der Straße: Dicke, Dünne, Alte, Junge, Schwarze und Weiße.

Gaultier galt lange Zeit als «enfant terrible» der Modewelt. Er selbst bezeichnete sich eher als «Contestataire», Systemgegner, der Klischees, Normen und Traditionen verschiebe und sprenge, um sie besser zu rekonstruieren, wie er der belgischen Zeitung «L'Echo» sagte. Denn viele seiner Entwürfe vermitteln politische Botschaften über Gleichstellung der Geschlechter und Freiheit.

«Als ich einen Rock für Männer vorschlug, sah ich, dass sich die Männer veränderten und bereit waren, ihre feminine Seite zu zeigen», sagte er der Zeitschrift «France Today». «Als ich ein Korsettkleid machte, sah ich, dass meine Freundinnen wieder anfingen, BHs zu tragen, nachdem ihre Mütter in den 70ern ihre BHs verbrannt hatten, und dass sie zu ihren eigenen Bedingungen sexy sein wollten», erklärte er weiter.

Fotos: Nicolascoulomb/ Jean Paul Gaultier

Der Werdegang Gaultiers

Gaultier wurde am 24. April 1952 nahe Paris geboren. Die Mutter war Sekretärin, der Vater Buchhalter. In der Schule war er nicht gerade ein Ass. Noch heute erzählt er gerne die Anekdote, wie er zum Zeichnen und zur Mode fand. Sie beginnt mit einer neuen Tanzschau des Pariser Kabaretts Folies Bergère, die er im Fernsehen anschauen durfte und die ihn so sehr beeindruckt habe, dass er am nächsten Tag in der Schule eine Frau mit Federn malte.

Womit der Anfang einer frühen Karriere begann: Kaum 18-jährig schickte er seine Skizzen den berühmtesten Modeschöpfern in Paris. Pierre Cardin erkannte als erster sein Talent. Der legendäre Modeschöpfer engagierte ihn im Jahr 1970 als Assistent. Als 24-Jähriger stellte Gaultier seine eigene Linie vor und 1978, nur zwei Jahre später, gründete er sein nach ihm benanntes Modehaus. International zum Star wurde er mit dem kegelförmigen Brüsten-Korsett, das er 1990 für Madonnas «Blond Ambition»-Tour entwarf.

Heute hat Jean Paul Gaultier alles erreicht, was man in der glamourösen Welt der Mode erreichen kann. Seine Haute-Couture-Kollektionen haben Geschichte geschrieben ebenso wie seine spektakulären Modeschauen, etwa 2014 mit Dragqueen Conchita Wurst als Laufsteg-Mannequin. Unter stürmischem Beifall führte die bärtige Gewinnerin des Eurovision-Song-Contest feierlich ein schwarzes langes Kleid vor, geschmückt mit rotgoldenen Ornamenten. Die Schau stand ganz im Zeichen des Morbiden: Hintergrund des Laufstegs war eine Art Gruft, von Kerzen erleuchtet.

Im Parfümsegment brachte Gaultier einen Klassiker nach dem anderen auf den Markt, er lancierte eine Make-up-Serie mit Kajalstift und Puderdose für den Mann. Seine Mode wird nicht nur getragen. Mit der Ausstellung «From The Sidewalk To The Catwalk» (Vom Bürgersteig auf den Laufsteg) zog sie auch in internationale Museen ein.

Warum Gaultier sich vor über zwei Jahren von der Haute-Couture verabschiedet hat? Er habe sein Haus in einer Zeit gegründet, in der Kleidungsfreiheit herrschte, sagte er der Zeitschrift «Elle». Das sei lustig, erfinderisch und kreativ gewesen. Für ihn hat die politische Korrektheit alles dem Erdboden gleichgemacht. Mode sei heute aalglatt, meinte er. Doch erst vor wenigen Wochen sorgte er bei Heidi Klums Castingshow «Germany's Next Topmodel» mit seinen Entwürfen wieder für Aufsehen. Gaultier hatte für die Nachwuchs-Models knappe Leder-Unterwäsche mit viel nackter Haut geschaffen. (dpa)

Haute-Couture-Kreation des Designers. Bild: Jean Paul Gaultier
Jean Paul Gaultier