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Munich Fabric Start & Bluezone: Trends für SS26 zwischen Nachhaltigkeit, Sicherheit und Risiko

Von Regina Henkel

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Mode
Bluezone Januar 2025. Credits: Regina Henkel / FashionUnited

In einer Welt voller Widersprüche schwanken auch die Trend-Themen der Stoffkollektionen für die Saison Spring/Summer 2026 zwischen verschiedenen Extremen. Während die einen mit klassischen Themen auf Sicherheit und Essentials setzen, suchen andere gezielt nach Optiken und Styles, die Individualität und Einzigartigkeit betonen. Und über all dem thront ein weiteres Thema: die nachhaltige, EU-konforme Transformation der Textilproduktion.

Nach zwei Tagen ging gestern die internationale Stoffmesse Munich Fabric Start mit ihren Show-in-Show-Konzepten Bluezone, Keyhouse und The Source zu Ende. 625 internationale Aussteller zeigten ihre rund 1.200 Kollektionen mit den neuesten Materialinnovationen für Spring/Summer 2026, begleitet von einem umfangreichen Vortragsprogramm zu aktuellen Themen der Textil- und Modeindustrie. Und die drehten sich wie in den Vorjahren vor allem um das Thema Nachhaltigkeit und wie es der Branche gelingen kann, die bestehende und künftige EU-Gesetzgebung erfolgreich umzusetzen. Schließlich rücken die Fristen für neue EU-Gesetze immer näher. Das Jahr 2030 ist ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zur Netto-Null im Jahr 2050, in dem wichtige Ziele erreicht werden müssen.

Not Reproducible Trend Thema. MFS Januar 2025 Credits: Regina Henkel / FashionUnited

Trends: Spiel zwischen riskantem Nonkonformismus und sicheren Basics

Neben den neuen Stoffen für den Sommer 2026 spielte vor allem das Thema Kostenkontrolle eine Hauptrolle auf der Messe. „Man merkt, dass die Branche verunsichert ist“, sagt ein Designer, der nicht genannt werden will. „Immer weniger Brands investieren in Kreativität, alle wollen nur noch Basics und Sicherheit.“ Gleichzeitig laufe aber gerade das sehr gut, was eben nicht basic ist, sondern überrascht und Spaß macht. Aber das lässt sich nunmal schwer planen. In diesem Widerspruch präsentieren sich auch die Trendzonen der Munich Fabric Start, die auf der einen Seite mit Trend-Themen wie „Unorthodox“, „Limitless“ oder „Not Reproducible“ auf individuell kuratierte Looks, radikale Stilbrüche, wilde Mustermixe und alles Überraschende setzten, und auf der anderen Seite mit Trend-Themen wie „Lasting“, „Emotional Heritage“, „From the Archive“ oder „Timeless Modernity“ klassische Farben, Muster und Kontraste feiern. Überhaupt werde das Thema Trendfindung zunehmend schwieriger, da Fast-Fashion Anbieter wie Shein jeden Trend sofort kopieren, egal ob es Laufteg-Trends sind oder welche von der Straße.

Trend Thema Timeless Modernity auf der MFS Januar 2025. Credits: Regina Henkel / FashionUnited

Im Bereich Denim geben weiterhin Streetstyles den Ton an. „Ich glaube, dass die super-oversized Silhouette länger bleiben wird“, sagt Tilmann Wröbel, Designer und Inhaber vom Monsieur-T. Denim Lifestyle Studio, der auf der Bluezone die Trend-Areas gestaltet hat und den Trendvortrag hielt. Während es auch im Bereich Denim die Standardmode gerade schwer hat, sucht die Branche nach Möglichkeiten, ohne großes Risiko für Aufsehen zu sorgen. Wichtige Impulse liefern daher spannende Kollaborationen, wie beispielsweise Levi’s mit Lego oder Diesel mit Coca-Cola. „Reconstruct“ heißt ein weiteres Trendthema für Denim, das optisch an Upcycling erinnert, aber mit ikonischen Zeichen der Brands spielt. Wröbel sieht auch gute Chancen für Denim-Brands aus den 2000er Jahren, deren Zeit jetzt reif für ein Revival sei. True Religion sei hierfür ein gutes Beispiel. Hierzu passt auch das Thema Secondhand, dessen Attraktivität weiter steigt, weil es eben gerade nicht reproduzierbar ist. Wröbel erzählt von der Pariser Brand Coperni, die zusammen mit der eigenen Kollektion auch Secondhand-Teile über den Laufsteg schickte. „Vor fünf bis zehn Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Secondhand-Teile genauso moderelevant sind wie neue Teile und den gleichen Stellenwert haben.“

Foto von der Trend Area in der Bluezone: Oversized Silhouetten bei Balenciaga Credits: Regina Henkel / FashionUnited

Neue Optiken brachte beispielsweise der Denim-Anbieter Isko mit seiner neuen Multitouch-Kollektion mit nach München. Nur mit Hilfe von Hitze lassen sich Stoffe mit ganz unterschiedlichen Effekten wie Falten oder Prägemustern versehen. „Designer wollen mehr Möglichkeiten mit ein und demselben Stoff haben“, erklärt Keith O’Brien von Isko. Gewohnt opulent zeigte sich auch die Kollektion Isko Luxury by PG, in die beispielsweise Karos und andere Muster aus echten Silberfäden eingewebt wurden.

Denim mit Prägemuster von Isko. Credits: Regina Henkel / FashionUnited

Denim: Neue Technologien um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren

Gerade die Denimbranche hat in den letzten Jahren viele neue Technologien entwickelt, die den ökologischen Fußabdruck von Denim verkleinern hilft, von der Verwendung von Recyclingfasern bis hin zu wasserfreien Färbeprozessen. Weitere Neuheiten im Bereich Färben präsentierten die Unternehmen Sonovia Tech aus Israel und Synovance aus Frankreich. Die Färbetechnologie von Sonovia beruht auf Ultraschall und kommt völlig ohne giftige Chemikalien und 85 Prozent weniger Wasser aus. Sonovia benötigt nur ein einziges Färbebad, das spart Energie und reduziert die Komplexität des Färbeprozesses und damit letztlich Kosten. „Diese Technologie wird die Denimherstellung revolutionieren“, ist Annabelle Evenhaime von Sonovia, überzeugt. Die Technologie funktioniert bereits im industriellen Maßstab und soll in diesem Jahr an mindestens fünf Standorte implementiert werden, unter anderem auch in Kooperation mit Kering.

Die Methode des französischen Bio-Tech-Unternehmens Synovance beruht darauf, den Denimfarbstoff Indigo biologisch, mittels Genforschung nachzubauen. Im Gegensatz zu synthetischen Färbeverfahren, die auf Erdöl als Rohstoff basieren und die heute hauptsächlich angewendet werden, fallen bei dieser Färbemethode keine gefährlichen chemischen Reaktionen mit vielen giftigen Zwischensubstraten an. Noch ist der Farbstoff teurer als synthetischer Farbstoff, „aber in fünf bis sechs Jahren wollen wir so weit sein, dass wir mit den Preisen von synthetischem Indigo konkurrieren können“, sagt Efthimia Lioliou, Mit-Gründerin und COO von Synovance. „Wir glauben, dass in zehn Jahren biologisch hergestellte Farbstoffe die Standardoption für die meisten Textilanwendungen sein werden.“

Silberfäden bei Isko Luxury by PG, Bluezone Januar 2025 Credits: Regina Henkel / FashionUnited

Nearshoring von Denim: Ist das eine Alternative?

Die Lieferketten in der globalen Textil- und Bekleidungsindustrie sind in den letzten Jahren mehrfach auf die Probe gestellt worden. Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump mehren sich erneut die Sorgen, wie sich in Zukunft die globalen Produktionsrouten entwickeln werden. Unter dem Motto „Blue made in the EU“ diskutierten Brancheninsider:innen, wie die Denimlieferkette wieder stärker in Europa genutzt werden könnte. Denn es gibt sie noch: vom europäischen Baumwollanbau (in Griechenland und Spanien) bis zu den Spinnereien, Webereien, Färbereien und Wäschereien. In Europa steckt zudem viel Knowhow, das die Branche auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit weiterbringt. So hat beispielsweise der renommierte italienische Denimweber Candiani ein Material aus 70 Prozent Post-Consumer-Garn und 30 Prozent regenerative Baumwolle entwickelt, das dennoch robust und haltbar ist. „Wir müssen uns an der Automobilindustrie orientieren“, sagt Stefano Tessarolo von Finishing-Spezialist Jeanologia, das mithilfe von Automation und Digitalisierung Kosten reduzieren, die Effizienz steigern und somit in Europa tätig sein kann. Zudem erleichtert eine europäische Lieferkette die Transparenz. George Kitas von Nafpaktos Textile Industry aus Griechenland arbeitet eng mit den lokalen Baumwollbauern zusammen und kann hiesigen Unternehmen volle Transparenz und Rückverfolgbarkeit bieten. Gerade die künftige Gesetzgebung könne hier helfen, ist man sich einig, wenn sie umgesetzt wird. „77 Prozent der in Europa verkauften Produkte wurden importiert“, sagt Simon Giuliani von Candiani. „All das muss eigentlich nach den gleichen EU-Richtlinien produziert werden wie die heimischen Produkte, aber das wird nicht kontrolliert.“

Nähgarn, dass sich fürs Recyceln auflösen lässt von Climatex. Credits: Regina Henkel / FashionUnited

Neue Materialien für die Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft ist zu einem festen Bestandteil des Design- und Herstellungsprozesses geworden – nicht mehr nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Zahlreiche Start-ups, Institute und etablierte Unternehmen präsentierten ihre Lösungen, wie sich Materialkreisläufe künftig schließe lassen. Neben neuen Recyclingfasern- und Fasermischungen widmen sich auch immer mehr Unternehmen der Frage, wie man die Voraussetzungen in den Unternehmen verbessern kann, um die Transformation voranzubringen. Das neu gestartete, dreijährige und geförderte Projekt „Retrakt“ von DTB und der Hochschule RWTH Aachen geht der Frage nach, wie man Nachhaltigkeit in Unternehmensprozesse integrieren kann. Als Partnerunternehmen beteiligen sich die deutsche Outdoormarke Ortovox und der japanische Stoffanbieter Toray. „Wir wollen untersuchen, welches Setting erforderlich und welche Management-Tools hilfreich sind, damit die Textil-Compliance hergestellt werden kann“, erklärt Nicole Espey von der RWTH Aachen. Die Texroad Foundation aus den Niederlanden wiederum arbeitet daran, Daten für den Post-Consumer-Recycling-Markt zu generieren. „Wir stellen ganz einfache Fragen“, sagt Traci Kinden, Gründerin von Texroad, und meint etwa: Wie viel Ware wird wo gesammelt? Wieviel davon lässt sich als Secondhand weiterverwerten, wieviel wird verschickt, was wird recycelt, wie viel Abfall entsteht? „Diese Informationen sind sehr wichtig für die Transparenz, aber auch um beispielsweise Standorte für Recyclinganlagen zu bestimmen oder herauszufinden, welche Daten für den Digitalen Produktpass nötig sind, um das Recycling zu vereinfachen“, so Kinden. Aufgrund einiger Recycling-Skandale seien in den letzten Jahren viele Menschen beim Thema Textil-Recycling misstrauisch geworden. „Mehr Transparenz in der Recycling-Lieferkette würde das Vertrauen wieder stärken.“

Der Umgang mit Textilmüll und Recycling waren wichtige Themen auf der MFS/Bluezone. Credits: Regina Henkel / FashionUnited
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