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Nachhaltigkeit, digitale Mode und Krieg kollidieren auf Helsinki Fashion Week 22

Von Rachel Douglass

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Mode

Bild: Chereshnivska / Kristian Presnal

Die Helsinki Fashion Week (HFW), die vom 5. bis 7. August stattfand, kehrte in diesem Jahr in physischer Form zurück und wollte einmal mehr Gespräche über wichtige gesellschaftliche Themen innerhalb und außerhalb der Modebranche anregen.

Während der Veranstaltung in der finnischen Hauptstadt stellten insgesamt acht Designer:innen und Marken aus, die aufgrund ihrer Nachhaltigkeitspraktiken und Ziele ausgewählt worden waren. „Die HFW hat sich schon immer auf Nachhaltigkeit konzentriert, aber im Laufe der Jahre hat sich die Bedeutung des Wortes erweitert“, sagte Saga Weissmann, Executive Producer der HFW, im Gespräch mit FashionUnited. „In diesem Jahr lag der Fokus auf sozialer und kultureller Nachhaltigkeit sowie auf geistiger Gesundheit in Form von digitaler Nachhaltigkeit.“

„In dieser Saison lag unser Schwerpunkt auch auf Slow Fashion und Handwerkskunst. Die Pandemie hat viele Dinge verlangsamt, und unser Konsum ist eines der Dinge, die so bleiben sollten. Wir sehen in der Handwerkskunst die Zukunft der physischen Mode, da die Menschen beginnen, den Wert hinter der Kleidung und den Lieferketten zu erkennen und sich bewusster darüber zu werden, woher ihre Kleidungsstücke kommen“, so Weissmann weiter.

Ukrainische Designer:innen im Vordergrund

Ein weiteres Ziel der HFW war die Unterstützung ukrainischer Designer:innen, denn die meisten der auf dem Programm stehenden Marken stammten aus diesem Land. Die aktuelle Situation in der Ukraine, die derzeit von einer russischen Invasion heimgesucht wird, war die Inspiration für viele Teilnehmer:innen der Modewoche, die entweder ihre gesamten Kollektionen oder ihre Modenschauen dem Krieg widmeten.

Bild: Jean Gritsfeldt

Dies galt auch für den HFW-Designer des Jahres, Jean Gritsfeldt, der während der Show das zehnjährige Bestehen seiner Marke feierte. Gritsfeldt präsentierte eine Kollektion, die an seine früheren Arbeiten erinnerte und die er als „Brücke in die Zukunft“ bezeichnete. Er rundete die Ausstellung mit einer Kundgebung ab, bei der die Menschen Plakate mit Bezug auf den Krieg in der Ukraine trugen, auf denen Zitate wie „In der Liebe vereint, im Kampf vereint“ und „Freie Menschen müssen zusammenstehen“ zu lesen waren. Neben den Kleidungsstücken bot Gritsfeldt auch eine Kollektion von Einkaufstaschen an, die mit ähnlichen Slogans bedruckt waren. 50 Prozent des Verkaufserlöses kommen der Fedor-Shpyg-Stiftung zugute, die sich für den Wiederaufbau von Kultureinrichtungen für Kinder einsetzt, die in der gesamten Ukraine zerstört worden sind.

Eine ähnliche Botschaft verfolgt Anastasiya Rozava, Designerin der ukrainischen Marke Chereshnivska, und sagt in der Beschreibung ihrer Kollektion: „In erster Linie wollte ich alle unterstützen, die derzeit [für ein normales Leben] kämpfen, und sie daran erinnern, dass sie auf dieser ‘Reise’ nicht allein sind. Gleichzeitig wollen wir noch einmal auf den Krieg in der Ukraine aufmerksam machen. Schließlich ist Kunst auch eine Waffe“. Die nachhaltige Kollektion der Marke, „2402“, spiegelte die verschiedenen Phasen des Krieges durch die Verwendung von Farben, Materialien und wiederverwendeten Secondhand-Artikeln wider und beinhaltete eine Zusammenarbeit mit ukrainischen Textilkünstler:innen.

Eine tierfreundliche Zukunft

Am ersten Tag der Veranstaltung sprach die Hauptrednerin der HFW, die leitende PR-Koordinatorin von People for the Ethical Treatment of Animals (PETA), Sascha Camilli, über ein weiteres gesellschaftliches Thema, das ihrer Meinung nach drastische Veränderungen erfordert. In ihrer Rede ging Camilli auf die Arbeit der Organisation in der Modebranche ein und erläuterte, wie sie hofft, den Blick der Branche auf eine tierfreundlichere Zukunft zu lenken. Die Präsenz von PETA auf der Veranstaltung baut auf der langjährigen Beziehung mit der HFW auf, die 2018 begann, als die Modewoche der Bitte von PETA zustimmte, kein Leder mehr auf ihren Laufstegen zu zeigen.

Bild: Boie&Bill

Camilli wies darauf hin, dass Leder, das in hohem Maße zu Umweltproblemen beiträgt und häufig unter Verwendung giftiger Stoffe hergestellt wird, zwar meist von Kühen und anderen Nutztieren stammt, dass aber Studien von PETA ergeben haben, dass ein Teil des Leders, das ursprünglich in Asien hergestellt wurde, auch von Katzen und Hunden stammen kann und nachweislich auch auf den europäischen Markt gelangt. Camilli fuhr fort, weitere negative Aspekte der Verwendung von Leder und ähnlichen Materialien auf Tierbasis aufzuzählen, und forderte die Branche auf, die Verwendung dieser Produktionsmethoden zu überdenken und tierfreundliche Alternativen einzusetzen.

„Die wichtigste Erkenntnis, die ich der Modebranche mit auf den Weg geben möchte, ist: Wenn wir uns wirklich ethisch, nachhaltig oder human nennen wollen, müssen wir uns von Tierhäuten, Überproduktion und dem hohen Verbrauch von Tiermaterial verabschieden“, sagte Camilli abschließend.

Nachhaltige Innovationen

In Fortsetzung des HFW-Schwerpunkts auf Nachhaltigkeit boten auch andere teilnehmende Designer:innen ihre eigene Auffassung von Öko-Mode an, von denen viele einen besonderen Schwerpunkt auf Upcycling legten. Während die SS23-Kollektion „Middle Voices“ von 7585 das Thema Recycling durch avantgardistische Designs erforschte, zeigte Boie&Bill by Ellisha Boie aus Ghana eine Kollektion, die Plastikabfälle und Secondhand-Kleidung, die auf den Märkten von Accra gesammelt wurden, für die Linie der Marke verwendete.

Bild: 7585

Das auf virtuelle Realität (VR) fokussierte Unternehmen Only One On Planets' (OOOPS) hingegen nahm sich des Themas Nachhaltigkeit an, indem es den Einsatz digitaler Fortschritte untersuchte. Als Teil seiner Kollektion bot OOOPS einmalige Vintage-Stücke als physische und digitale Kleidungsstücke an und nutzte die NFT-Technologie (Non-Fungible Token), um den Stücken einen Mehrwert zu verleihen.

Die Idee, das Physische mit dem Digitalen zu verschmelzen, ist etwas, das die HFW schon früher erforscht hat. Bei früheren Ausgaben der Veranstaltung gab es Kooperationen mit digitalen Welten und VR-Designer:innen. Zu diesem Thema sagte Veranstaltungsleiterin Weissmann: „Die Digitalisierung der Modebranche hat definitiv einen Einfluss auf die physische Mode. Sie macht sie inklusiver, was wir bei HFW als eine Priorität sehen. Digitale und physische Mode sollten Hand in Hand gehen und nicht als getrennte Gegensätze betrachtet werden. Handarbeit war noch nie so wertvoll und attraktiv wie heute, und wir sehen das als etwas, das wir wirklich beleuchten müssen.“

Mit der weiteren Entwicklung der HFW hoffen die Organisator:innen, ihre Mission weiter voranzutreiben und mehr Aussagen in ihre übergreifende Botschaft einzubauen. Auf die Frage nach den Plänen für die nächste Saison sagte Weissmann: „Wir denken bereits darüber nach, wie wir das nächste Jahr noch nachhaltiger gestalten können, indem wir uns sowohl auf Materialinnovationen als auch auf soziale Nachhaltigkeit und Inklusivität konzentrieren. Sie können Vielfalt auf dem Laufsteg, phygitale Kollektionen und noch mehr erstaunliche nachhaltige Designer:innen erwarten.“

Bild: Kris Marán / Kristian Presnal

Diese Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.

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