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navabi: “Plus Sizes sind allein in Europa ein Milliardenmarkt”

Von Simone Preuss

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Mode |INTERVIEW

Auf der Suche nach ungewöhnlichen Marken, Unternehmen und Geschäftsmodellen ist FashionUnited auf navabi gestoßen, den weltweit führenden Online-Shop für Premium-Mode ab Größe 42. Dabei ist Mode in Plus Sizes eigentlich nichts Ungewöhnliches, schließlich gibt es weltweit Millionen Menschen, die sie tragen. Doch weit gefehlt - schöne, ausdrucksstarke Mode in Plus Sizes zu finden war lange ein K(r)ampf, gerade für Frauen. Die beiden navabi-Gründer Zahir Dehnadi und Bahman Nedaei erzählten uns mehr.

Erzählen Sie uns doch bitte ein bisschen von den Anfängen von navabi - die Geschäftsidee entwickelte sich ja quasi unbeabsichtigt, während Sie einer Tante beim Verkauf der Mode Ihrer Boutique auf Ebay halfen.
Ja, die Anfänge waren schon spannend und ein bisschen beängstigend. Wir haben tatsächlich dabei geholfen, die Mode der Boutique meiner Tante auf Ebay zu verkaufen und bekamen bereits damals Liebesbriefe von Kundinnen, die mit unserer Mode so glücklich waren. Wir waren natürlich erstaunt, dass Plus-Size-Mode diese Gefühle hervorrief und haben uns daraufhin näher mit dem Markt auseinandergesetzt.

Warum zum Beispiel nahmen australische Kundinnen damals 100 Euro Liefergebühren in Kauf und bestellten doch immer wieder? Wie konnte das sein? Wie kam es, dass der Plus-Size-Markt noch so unentdeckt war?

Zugleich hatten wir auch keine wirkliche Konkurrenz im Bereich Premium-Plus-Size-Fashion, da war wirklich kein anderer, der das machte und diesen großen Markt abdeckte. Wir waren erstaunt und es war eine aufregende Zeit.

Zuerst wurden wir tatsächlich nur ausgelacht, mit dem Argument, es gäbe keinen Markt und Plus-Size Frauen hätten kein Geld. Wir haben dann aber trotzdem den Schritt gewagt und sind nur mit privaten Mittel gestartet. Erst später, als klar wurde, dass unsere Idee ein Erfolg wird, kamen Investoren an Bord.

Wurde dieser Markt inzwischen mehr erforscht, hat sich in den Jahren seit Ihrer Gründung von navabi etwas getan?
Anfangs gab es wirklich das Stigma in der Branche zum Thema Plus-Size, das war ein richtiges "Fashion Ghetto". Allein die Google Suche nach dem Begriff 'Plus-Sizes' erzeugte damals relativ wenig Ergebnisse. [Anmerkung: Das hat sich inzwischen deutlich geändert und man erzielt heute Millionen von Treffern.]

Wir kämpften praktisch an vorderster Front, stellten aber auch fest, dass dies eine weltweite Bewegung war. Der Bedarf nach Plus-Sizes ist global.

Im Laufe der Jahre haben wir auch gemerkt, dass wir uns einen Namen gemacht haben und immer mehr Brands auch mit navabi reden und von unseren Erfahrungen profitieren wollen.

Wie viel sich verändert hat beziehungsweise wie stark der Markt gewachsen und in den Mainstream gerückt ist, sieht man auch daran, dass im letzten Jahr mehr Plus-Size-Models auf den Titelseiten von Top-Modemagazinen waren als in den letzten 20 Jahren zusammen.

Aber nichtsdestotrotz: die Top Fashion Brands trauen sich immer noch nicht an Plus-Size heran und vernachlässigen so die Realität. Da sind wir noch ein gutes Stück weg vom Ideal.

Wie sieht das Ideal aus?
50 Prozent aller europäischen Frauen tragen eine Größe 42 oder größer. In einer idealen Welt, würde sich rein logischerweise 50 Prozent des Modeangebots an sie richten - inklusive eines ausreichenden Angebots an hochwertiger Bekleidung. Hiervon sind wir jedoch weit entfernt! Sehen Sie sich nur einmal in einem x-beliebigen Kaufhaus oder Ladengeschäft Ihrer Stadt um: Große Größen werden hier allenfalls in Basic-Modellen angeboten, gerne verdrängt in unattraktive Ladenecken und von aktuellen Styles können Kundinnen nur träumen. Shopping-Freude kommt dabei nicht gerade auf.

Hätte sich das ganze damals für Sie auch ohne E-Commerce so entwickelt?
Wir haben damals nicht nur in E-Commerce investiert, sondern auch viel in die Marktforschung, haben Street Interviews gemacht, Panels abgehalten und auch sonst viel in die Forschung gesteckt.

So haben wir auch herausgefunden, dass der 'Offline'-Einkauf für Plus-Size-Frauen eigentlich schon immer frustrierend ablief und weit von 'Retail Therapy' entfernt war. So ist zum Beispiel selbst in einer Stadt wie London die Plus-Size-Abteilung immer noch neben dem Klo angesiedelt oder tief versteckt in der Männerabteilung. Da macht das Einkaufen über den stationären Handel einfach keinen Spaß. Dabei ist dies allein in Europa ein Milliardenmarkt!

Der Weg, Plus-Size-Kundinnen zu bedienen, ist da über E-Commerce einfach viel besser. Sie können in Ruhe und von zu Hause aus auswählen und bestellen und ersparen sich peinliche oder frustrierende Momente.

Das sehen wir auch beim Feedback der Kundinnen, was natürlich auch ein Vorteil des E-Commerce ist: Man erhält Daten und Rückmeldungen und wir haben extrem loyale Kundinnen, die uns sofort sagen, was funktioniert und was nicht.

Und bekommen Sie immer noch 'Liebesbriefe' von Kundinnen?
Ja, wir bekommen Feedback aus der ganzen Welt. Keine Liebesbriefe, aber sehr positive Erfahrungsberichte von Kundinnen. Zum Beispiel danken sie uns, weil sie durch die von uns angebotene Mode ihre Fashion-Sprache wieder gefunden haben. Sie können jetzt auch endlich ihre Identität ausdrücken, durch Mode, die für sie steht und nicht nur zweckmäßig ist. Wir bekommen oft die Rückmeldung, dass sich dadurch das Leben unserer Kundinnen verändert hat.

Das ist auf der einen Seite natürlich super, auf der anderen Seite stimmt es einen aber auch ein wenig traurig, dass die Situation früher so unbefriedigend war.
In den letzten fünf Jahren hat sich viel getan, nicht nur in der Mode, auch in den Medien, die sich langsam mit Plus Size und einem realistischen Körperbild angefreundet haben und mehr über dieses Thema berichten. Allgemein ist die Modebranche aber sicher immer noch eher realitätsfern.

Warum hat es so lange gedauert, bis sich der Plus Size-Markt herausgebildet hat? ?
Historisch gesehen, ist die Entwicklung interessant: Kurvig war immer wieder in, nur leider nicht in den letzten 100 Jahren. Und die Modemagazine haben das propagiert - sie forcieren das Ideal, was eben Size Zero ist. Von daher ist es ganz normal, dass die gesamte Industrie realitätsfern ist.

Vom geschäftlichen Aspekt ist es sicher nicht leicht, in einen komplett neuen Markt mit negativem Stigma einzutreten. Große Retailer haben es halbherzig versucht, sind aber gescheitert, weil eben keine Liebe zu großen Größen dahinter steckte. Große Retailer verstärken daher oft ihr Kerngeschäft, statt in Plus Size zu investieren.

Wir helfen dabei, große Marken zum Thema Plus Size zu beraten. Wir sind inzwischen die erste Adresse für Premium-Plus-Size - in Großbritannien, in Deutschland, in Frankreich und Rest of the World. Das Wachstum ist dort auch generisch. Wir wollen erst einmal in Europa stark sein und dann vielleicht in den USA. Durch die Eigenmarke navabi können wir auch ein besseres Angebot bieten.

Wie sieht es in den Entwicklungsmärkten wie Indien, China und Nahost aus? Haben Sie Pläne, dort zu expandieren?
Wir haben in Nahost und Indien bereits jetzt schon einige Kundinnen, auch in Arabien, die immer wieder von uns bestellen. Es ist eben ein 'Blue Ocean'-Markt - wir haben keine Konkurrenz. Aber wir wollen uns Schritt für Schritt entwickeln und nichts überstürzen.

Wie sehen Sie das Thema Plus-Size in der Ausbildung, gibt es Kooperationen mit Hochschulen?
In Großbritannien gibt es die ersten Unis, in London, die Plus-Size in ihren Lehrplan aufgenommen haben. Ende des Jahres planen auch wir die ersten Kooperationen mit Universitäten. Unsere Kernaufgabe ist es, viel darüber zu reden, was wir machen.

Sie bieten auf Ihrer Website jeden Tag neue Styles an - wie schaffen Sie das?
Auf jeden Fall steckt viel Arbeit dahinter. Unsere Kundinnen schätzen Aktualität auf unserer Seite. Sie kommen so oft wieder, da wollen sie gerne jeden Tag etwas Neues entdecken. Deshalb wird bei navabi auch alles In-house gemacht, einschließlich der Logistik. Dadurch bleiben wir schnell und reaktionsfähig.

In diesem Zusammenhang sollten wir erwähnen, dass wir das beste In-House Team haben; Designer, Einkäufer - die haben alle schon etliche Jahre Erfahrung in der Branche und wollten endlich einmal etwas anderes machen. Die Leute, die zu uns kommen, haben das Gefühl, sie arbeiten endlich da, wo es Sinn macht, und wo sie etwas bewegen. Wir sitzen in Aachen und nicht etwa in der Startup- oder Mode-Hype-Stadt Berlin und trotzdem kommen die Leute.

Wir gehen niemals den einfachen Weg und rebellieren direkt an der Front gegen die Fehler der Modeindustrie. Gegen alles Alteingesessene, das es zu hinterfragen gilt. Die Veränderung beginnt bei uns selber, beim gesamten Thema und wie wir die Sachen vorantreiben. Wir sind sehr stolz auf unser navabi-Team und unsere modemutigen Kundinnen.

Fotos: navabi
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