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Neue Stimmen, alte Wurzeln: Mailänder Modewoche im Wandel für HW24

Von Jule Scott

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Mode

Bottega Veneta FW24 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Stand die Londoner Modewoche ganz im Zeichen junger, kreativer Talente, so hielt die Mailänder Modewoche einmal mehr an der alten Garde fest. Während Glenn Martens’ demokratischer Ansatz bei Diesel, mit seinen tausenden von virtuellen Gästen mit Backstage-Pass, dem ersten Tag der Mailänder Modewoche einen Hauch von Innovation und Wandel verlieh, wurde an den restlichen Tagen das beibehalten, wofür die italienische Stadt schon lange bekannt ist: große Marken, kommerzielle Kollektionen und vor allem Prada.

Im Grunde ist es nicht verkehrt, das zu tun, was man am besten kann – etwas, worauf sich die meisten Mailänder Designer:innen in dieser Saison stark konzentriert haben, – aber inmitten einer sich verändernden Luxuslandschaft kommt die Frage auf, ob mehr vom Gleichen wirklich das ist, was die Branche, und vor allem die Kund:innen, wünschen. Es ist eine Frage, auf die viele Designer:innen – entweder mit ihrer mit Spannung erwarteten Debütkollektion oder der vielleicht wichtigeren zweiten Darbietung an der Spitze einer Marke – für Herbst/Winter 2024 eine Antwort finden mussten.

Zwischen Historie, Nostalgie und Zukunft

Es ist eine bekannte Tatsache, dass in der Mode viele Designer:innen dazu neigen, zuerst einen Blick zurückzuwerfen, um einen Schritt nach vorn zu machen, und das schien auch bei Adrian Appiolaza der Fall zu sein, der sein Debüt als Kreativdirektor bei Moschino gab. Die Neuausrichtung der italienischen Marke, die einst von Franco Moschino mit einem Augenzwinkern, Witz und einer politischen Agenda gegründet wurde und sich unter Jeremy Scott vollends in Richtung Camp entwickelte, wurde mit Spannung erwartet.

Moschino FW24 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Keine einfache Aufgabe für Appiolaza, der erst im Januar dieses Jahres die Leitung von Moschino übernommen hatte. Vielleicht erklärt das Timing die Wahl des Designers, sich am Archiv des Markengründers vorsichtig vortasten und gleichzeitig die Marke wieder im Alltag zu verankern. Natürlich ist der Humor nicht verloren gegangen, ebenso wenig wie das Politische oder die vertraute Ikonografie Moschinos. Es gab Slogans – am erkennbarsten ein Aufruf zum Frieden, der auf einem Strickkleid prangte -, surreale Wolken, Smileys und jede Menge italienische Archetypen. Was am Ende des Tages vielleicht fehlte, war beides, Neuartigkeit und ein Gefühl dafür, wofür Appiolaza Moschino in den kommenden Saisons stehen wird.

Die Tatsache, dass Debütkollektionen in vielerlei Hinsicht eine undankbare Aufgabe sind, ist allgemein bekannt. Die Erwartungen sind zu hoch, die Kritiker:innen harsch und der kommerzielle Erfolg wird sich erst in einigen Monaten zeigen. Ein Designer, der hiervon wohl ein Lied singen könnte, ist Guccis-Kreativdirektor Sabato De Sarno. Sein Debüt und die damit einhergehende Neugestaltung des italienischen Modehauses war wohl das am meisten kommentierte Geschehen des vergangenen Modejahres, blieb aber letztlich für viele hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück. Während seine erste Kollektion in den nächsten Tagen in die Läden kommen soll und endlich einen Einblick in seine kommerzielle Tragfähigkeit seiner Vision geben wird, zeigt seine zweite Damenkollektion für Herbst/Winter 2024 bereits eine sicherere Hand als sein Erstlingswerk.

Gucci FW24 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Immer noch in der „Realität“ verankert, wie De Sarno es in seinen Shownotizen beschreibt, fügte der Designer in dieser Saison buchstäblich etwas Funkelndes hinzu, während er sich weiterhin stark auf Tailoring, Mäntel, "Ancora-Rot" und das Gucci-Logo konzentrierte. Die Kollektion setzte auf Struktur und Sex-Appeal, mit Beinen als Helden der Stunde, die in schenkelhohen Lackstiefeln gekleidet waren und nur wenige Zentimeter Haut zeigten, bevor die hohen Saumabschlüsse begannen. Burschikose kurze Anzüge und kastenförmige Jacken trafen auf strukturierte monochrome Sets, Mäntel und Kleider mit Fransen und Glitzer sowie Slipdresses und Lingerie-Details.

Wenn einige der Looks an die Vergangenheit erinnerten, war es vielleicht für einige nicht unbedingt oder offenkundig Gucci, sondern Prada – ein Phänomen, das nicht auf De Sarno oder Gucci beschränkt ist, sondern in letzter Zeit immer wieder zu beobachten war. In der vergangenen Saison bezeichnete Vanessa Friedman, Chef-Modekritikerin der New York Times, Miuccia Prada als Muse der Saison, und auch wenn das Timing ihres Abbilds auf dem aktuellen Titelblatt der US-Vogue sicherlich etwas zufällig ist, ist die Macht von Prada auch in dieser Saison unbestreitbar.

Alles beim Alten?

Ein großer Unterschied zwischen Prada und Gucci besteht jedoch darin, dass sich Prada, wie so oft, eher auf die Historie als auf die Realität konzentriert. Das Duo Miuccia Prada und Raf Simons bettet die „Mode in Fragmente der Geschichte ein, um den Begriff der Schönheit und eine zeitgenössische Welt zu erforschen, die von Erinnerungen geprägt ist“, wie sie in ihren Mitteilungen für Herbst/Winter 2024 erklärten.

Prada FW24 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

In vielerlei Hinsicht war die Kollektion eine Fortsetzung dessen, was die Marke im Januar in ihrer Herrenkollektion präsentierte. Die Stücke der Damenmode spiegelten die für die Herren präsentierten Looks wider, aber es gab auch „Klischees der Weiblichkeit“ – Schleifen, Rüschen, Volants, allesamt Markenzeichen des aktuellen "Coquette"-Trends –, die Prada neu bewerten wollte. Röcke experimentieren mit Kontrasten und kombinieren zarte Seide mit taillierter Wolle; Biker- und Bomberjacken sowie Strickteile wurden mithilfe von nostalgischen Erinnerungen verwandelt und schlanke Silhouetten setzten auf vertikale Linien, wodurch Proportionen neu erdacht wurden.

Neu gedacht wurde auch Blumarine, allerdings blieb dennoch einiges beim Alten. Der ehemalige Tod’s Kreativdirektor Walter Chiapponi markierte sein Debüt mit einer Abkehr von ‘Y2K’ und seinen Schmetterlingen und verwurzelte es in Romantik anstelle einer großen Enthüllung. Seine Kollektion erinnert an den Luxus, den er während seiner Zeit bei Tod's präsentierte, wenn auch weit weniger streng und ruhig. Der neue Kreativdirektor von Tod's, Matteo Tamburini, scheint jedoch dort weiterzumachen, wo Walter Chiapponi aufgehört hat, auch wenn er ein Metallband anstelle eines auffälligen Logos und etwas lässigere Schnitte für die Kleidung eingeführt hat.

Blumarine FW24 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

“Der Akt des Anziehens”

Eine Marke, bei der „dasselbe wie immer“ eine eindeutige Erfolgsformel gefunden zu haben scheint, ist Bottega Veneta. Matthieu Blazy hat die italienische Marke seit seinem viel gelobten Debüt 2022 mit Bedacht und Sicherheit gestaltet, wobei Texturen, Details und Schneiderkunst zu seinen Markenzeichen geworden sind. Seine Herangehensweise an die Alltagskleidung wird nicht unbedingt als jederzeit tragbar wahrgenommen, sondern verändert mit jeder Saison die Herangehensweise an den Alltag und die traditionellen Formen der vertrauten Kleidung, jedoch ohne diese unkenntlich zu machen.

Bottega Veneta FW24 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Die Models waren in übergroße Mäntel mit unterschiedlichen Strukturen und auffälligen Details gehüllt, wobei die Farbpalette von gedeckten Tönen bis zu leuchtenden Rot- und Grüntönen reichte. Materialien waren vielfältig, von kuscheliger Wolle und robustem Leder hin zu verspielten Fransen und Baumwollmischungen. Mit Quasten verzierte Jacken und Röcke erinnerten an vergangene Saisons, ohne diese zu imitieren, während strukturierte Ensembles das Gesamtbild abrundeten.

Blazys Kollektion und seine Amtszeit bei Bottega deuten in vielerlei Hinsicht darauf hin, dass man das Rad nicht für jede Saison neu erfinden muss, dass vielleicht eine ruhige Hand und ein tiefes Verständnis – nicht nur für die Kund:innen, sondern auch für die eigene Marke und die Zeit, in der wir leben – mehr als genug sein können. „In einer Welt, die in Flammen steht, hat der einfache Akt des Anziehens etwas sehr Menschliches“, so Blazy.

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