Öko-Labels, die man kennen sollte: No Nasties
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Ein sonniger Tag in Goa, Indien - nicht unbedingt ein Reiseziel, das man mit der Bekleidungsbranche in Verbindung bringt. Aber genau hier trifft FashionUnited Apurva Kothari, den Gründer von No Nasties, Indiens erstem 100 Prozent zertifizierten Bio- und Fairtrade-Modeunternehmen, um sich über eine Lieferkette zu unterhalten, die absolut nichts "Übles" wie genmanipulierte Saatkörner, synthetische Pestizide oder Düngemittel, Kinderarbeit, Ausbeutung beim Preis oder Selbstmorde von Bauern enthält.
FashionUnited: Apurva, wie fing No Nasties an? Auf der Website (www.nonasties.in) werden die Selbstmorde von Baumwollanbauern genannt - war das der Auslöser, um aktiv zu werden?
Apurva Kothari: Ja. Die durchschnittliche Rate, mit der Landwirte in Indien sich umbringen, ist etwa einer alle halbe Stunde; das sind 250.000 Selbstmorde von Landwirten in 15 Jahren. Diese Zahl war für uns zu beunruhigend, um sie zu ignorieren. Wir entschlossen uns, etwas dagegen zu tun und haben uns die derzeitigen Initiativen in Indien angeschaut, die dieses Problem angingen. Wir waren froh, eine Lösung im Bereich des organischen und Fairtrade-Anbaus zu finden. Jedoch wurde die ganze Arbeit nur auf Basisebene getan; es gab nicht genung Unterstützung von Endverbrauchern – also von Leuten wie dir und mir.
So entstand also No Nasties?
Ich hatte die Idee schon seit etwa 10 Jahren im Hinterkopf und find dann vor fünf Jahren ernsthaft an, sie umzusetzen. Ich war 12 Jahre in den USA und hatte aber schon von dort aus Fabriken recherchiert. In Indien habe ich mir dann Bio-Bauernhöfe angeschaut und festgestellt, dass es einige gibt, sie aber für den Export produzieren. Wir arbeiten jetzt mit Chetna Organic zusammen, der einzigen landwirtschaftlichen Kooperative in Indien, die den Farmern gehört. Sie agiert hauptsächlich im Norden des Landes, in Maharashtra und Andra Pradesh. Wir fingen mit ihnen im Norden an und schauten uns dann auch im Süden um.
Wie stand es mit der Produktion?
Wir haben uns auch in Tirupur umgeschaut, der T-Shirt-Metropole Indiens, in der jeden Tag Hunderttausende von T-Shirts hergestellt werden. Insgesamt ist die Industrie ein großer Umweltverschmutzer, aber es gibt dort auch nachhaltige Unternehmen, allerdings sind diese noch exportorientierter. Wir haben dann eine kleine Fabrik in Bangalore ausprobiert, die wirklich weiche Produkte herstellte, die wir mochten.
Die Produktion stellte die größte Herausforderung dar, da alle große Mengen wollten. Und wir mussten mit großen Fabriken arbeiten, da nur sie sich die Zertifizierung leisten können - und alle Fabriken und Lieferanten müssen zertifiziert sein. Wir haben über die Jahre drei Produktionsstätten ausprobiert und konzentrieren uns in diesem Jahr auf eine.
Wie stellt No Nasties sicher, dass die Fabriken sich an die zur Zertifizierung benötigten Vorgaben und andere Bestimmungen halten?
Ich besuche die Fabriken mindestens zweimal im Jahr. Wir produzieren nur in Indien. visit Die Kooperative der Landwirte produziert nur Bio-Baumwolle. Ironischerweise muss sie die manchmal als normale Baumwolle verkaufen, da es keine Nachfrage nach Bio-Baumwolle gibt. Natürlich bekommen sie dann auch keinen Aufpreis.
Wie ging es weiter, nachdem der landwirtschaftliche Teil und die Produktion geregelt waren?
Die Reaktion auf unsere erste Kollektion war fantastisch, was uns angespornt hat, unser Angebot zu erweitern. Seit letztem Jahr sind wir eine vollständige Bekleidungsmarke und planen als nächstes auch Tuniken und Webwaren anzubieten. Im nächsten Jahr wollen wir auch Kinderbekleidung hinzufügen, was uns einen völlig neuen Markt bescheren wird. Wir verkaufen über People Tree, einen Marktplatz mit Sitz in Goa und Neu Delhi, und über einige kleinere Geschäfte landes- und weltweit. Und natürlich über unsere eigene Website, von der aus wir in die ganze Welt versenden.
Wie bleibt No Nasties wettbewerbsfähig? Sind die Leute nicht immer auf Schnäppchen aus?
Sie sind preisbewusst, aber unsere Produkte sind sehr erschwinglich; wir bieten T-Shirts ab 399 Rupien an (rund 5,40 Euro). Unsere Preise sind gut, weil wir die Gewinnspanne reduzieren. Es ist einfach nicht möglich, ein T-Shirt für 100 Rupien auf der Linking Road [Straßenhandel mit Schleuderpreisen in Mumbai] zu kaufen. Da bleibt nichts für die Fabriken oder die Arbeiter übrig. Fast Fashion macht alles kaputt.
Wie steht's mit der Konkurrenz?
Für das, was wir tun, gibt es in Indien keine Konkurrenz. Es gibt nur Kollaborateure; wir sind "die grünen Leute" Indiens.
Hilft es, die Kunden aufzuklären? Und bildet sich eine Bewegung hin zu Bio und Fairtrade?
Kunden aufzuklären hilft sicherlich. Unser Hauptziel ist es, die Endverbraucher zu erreichen. Wenn man sich zum Beispiel die Schokoladenindustrie in Großbritannien anschaut, sieht man, dass die Anbieter von Bio-Schokolade wirklich Gutes geleistet haben. Die Verbraucher haben angefangen, nach dem Produkt zu verlangen. Es dauerte 10-12 Jahre, bis aus Fairtrade eine Bewegung wurde, aber es ist passiert. Levi's stellt Bio-Jeans her, verkauft sie aber hier nicht; Bio-Mode in die herkömmlichen Bekleidungsgeschäfte zu bekommen ist eine Herausforderung in Indien.
Welche Tipps können Sie jemandem geben, der motiviert ist, selbst ein Öko-Label auf die Beine zu stellen?
Man muss einfach sicherstellen, dass die Lieferkette stabil ist, das ist das Wichtigste. Business-Pläne, etc. können gut sein, aber sie funktionieren nicht, wenn die Lieferkette nicht stabil ist. Transparenz ist auch ausgezeichnet, ebenso Zertifikationen. Skepsis sollte man mit Transparenz bekämpfen und als Marke offen und ehrlich sein.
Fotos: No Nasties