Première Vision: Welche Materialtrends bestimmen Frühjahr/Sommer 2024?
Wird geladen...
Auf der Textilmesse Première Vision wurden die ersten Trends für Frühjahr/Sommer 2024 enthüllt. Die modischen Strömungen wurden in drei Segmente – Dekoration oder Gestaltungselemente, Essentials und Leder – aufgeteilt. FashionUnited war vor Ort, um die Trendprognosen einzufangen.
Gestaltungselemente: Der Einfluss von Pflanzen auf Stoffe im Frühjahr/Sommer 2024
‚Natürlichkeit‘ war das meistgenutzte Wort der Materialexpert:innen, die auf der Première Vision im Februar ihre Stoffe zeigten. Uns erwartet also eine Frühjahr/Sommer-Saison 2024, in der natürliche Materialien (Leinen, Seide, Wolle) den Vorrang haben. Aber da es keine Mode ohne die menschliche Fantasie gäbe, wird diese ‚Natürlichkeit‘ in Texturen mit Flammgarneffekten, Flechtwerk und anderen Arten von handwerklichem Können veredelt. Die Kraft der Pflanzen drückt sich auch in den Mustern aus. Während die Sommersaison sehr oft bukolisch oder ländlich ist, dreht sich der Pflanzen-Trend des Sommers 2024 um das Blatt und manchmal sogar um den Baum.
Wer ‚Natürlichkeit‘ sagt, meint auch den Einfluss der Erde auf die Mode. In Webmustern und Drucken führt dies zu Effekten, die an die Erdkruste, seismische Wellen und Rinde erinnern. Selbst im Outdoor-Bereich hüllen sich Performance-Stoffe in mineralische Oberflächen und vulkanische Texturen.
Wie sieht es mit Tiermotiven in diesem Dschungel der Modewelt aus? „Im Frühjahr/Sommer 2024 ist der Anteil an Tiermotiven im Vergleich zu anderen Saisons geringer", so Ariane Bigot, stellvertretende Direktorin für Mode bei der Première Vision. „Aber was bei der Darstellung von Zebra-, Panther- oder Schlangenmustern interessant ist, ist der Einsatz von verlaufenden Farbgebungen oder vergrößerten Mustern“.
„In der Gesamtheit des Angebots fiel uns der übergroße Anteil an Zeichnungen auf, die denen entsprechen, die normalerweise in der Möbelbranche verwendet werden.“ Der Expertin zufolge kann der Einfluss des Home sweet Home in einigen Designs mit dem „Wunsch nach visueller Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken“ zusammenhängen. Je größer das Bild, desto sichtbarer sind wir. Eine klassische Blume, wenn man sie skaliert, oder eine einzigartige Platzierung im Schnitt des Kleidungsstücks, ermöglicht es, sich abzuheben.
Ein digitaler Traums, eines unwirklichen Garten Eden
Der Trend rund um die digitale Ästhetik beeinflusst die Designs. Sie entwickeln sich zu noch pastelligeren, vibrierenden Farbtönen, mit zeitgenössischen Perlmuttfarben und unwirklichen Wellen. Vektorisierte Blätter und Blumen erreichen neue, fantastische Höhen. Diese Motive werden mehr oder weniger vergrößert und zufällig aneinandergereiht. Aus einer meist metallischen Note (Gold, Kupfer, Silber) heraus überziehen sie Spitzen, Jacquards und Stickereien mit farbigem, irisierendem und transparenten Glanz.
Genderfluides Tailoring in sanften Tönen
Dieser Trend zur Natürlichkeit spiegelt sich in einer Reihe von natürlichen, hellen, neutralen, sogar etwas gedeckten Tönen wider – so der erste Eindruck, den das Forum Essentials vermittelt. Die Farbpalette entspricht dem klassischen Angebot an Kleidern, Hosen und Jacken, aber es weht auch ein Hauch von Frische und Vitalität, der sich in etwas sauren, hellen Farben und sogar Pastelltönen ausdrückt. „Beige hat die Oberhand über Grau gewonnen, es gibt etwas weniger Schwarz“, sagte Ariane Bigot. „Aber die Überraschung sind die Drapierungen aus echter, fließender Wolle in Lila und Blassrosa. Seit ich bei Première Vision arbeite, hatte ich noch nie die Gelegenheit, fünfzehn schöne, klassische Drapierungen in einer solch süßen Farbpalette auszustellen.”
Diese Bewegung entspricht dem Aufkommen eines geschlechterübergreifenden Looks, der auch schon in den letzten Menswear-Shows zu sehen war. Er wird von einer Wiederbelebung von Blau begleitet, einer Farbe, die traditionell mit dem männlichen Geschlecht assoziiert wird und durch das klassische Arbeitshemd oder den Matrosenanzug symbolisiert wird. Blau befreit sich und wird zu einem Spektrum: ‘International Klein Blue’ des Künstlers Yves Klein, Türkis, Himmelblau, Königsblau.
Spitze als Neuzugang im Forum Essentials
Diese neue Raffinesse geht Hand in Hand mit der Aufnahme von Spitze in das Forum Essentials. „Unsere Besucher:innen kommen in erster Linie wegen Konfektionskleidung oder Couture, aber sie haben auch spezielle Bedürfnisse in ihren Kollektionen, wie Dessous“, so die Expertin. „Daher wollten wir die Spitze in den Vordergrund stellen. Der Stoff ist ein Neuling auf der Messe, reiht sich aber nahtlos in den Bereich des Forums ein, der Sport, Swimwear und Lingerie gewidmet ist“.
Wild Feline, Opulente Verführung, ein neuer Bereich öffnet sich für die Branche, die die Lockdowns im Pyjama-Modus erlebt hat und sich jetzt wieder mit mehr Verführung und Raffinesse schmücken möchte. Mit fließenden Strickwaren, Baumwollmolton, der innen kuschelig und außen weich und geschmeidig ist, oder auch mit subtileren Verzierungen, die zwischen der Welt des Badeanzugs und der Lingerie changieren, soll dies gelingen.
Eine Wende findet statt: Die Vorstellung von Komfort wird mit Chic und Verführung kombiniert. Popelin und Satin werden in komplizierte Strukturen geformt, die ihre geradlinige Seite durchbrechen. Leinen oder Hanf bringen Unifarben zum Leuchten. Auf der Suche nach Mehrwert werden die ikonischen Strukturen der Seidenstoffe mit horizontalen Streifen in Ottoman oder Faille verziert
Forum Leder: Das Comeback von Leder
Der Begriff der Natürlichkeit legitimiert natürlich die Verwendung von Leder gegenüber seinen synthetischen Alternativen. „Die Besucher:innen stellen den Gerbereien viele Fragen über Rückverfolgbarkeit, Nachhaltigkeit und Tierschutz, aber sie stellen das Material als solches nicht mehr in Frage“, sagt Carine Montarras, Produktmanagerin für Leder bei der Messe Première Vision. Sie stellt eine wiedererwachte Nachfrage nach Leder-Accessoires – Schuhe und Lederwaren – und Lederbekleidung fest, „sowohl im Winter als auch im Sommer.“
Die Lederindustrie hat ihre Methoden verfeinert: freie Metallgerbung mit pflanzlichen Gerbstoffen aus Mimosen, Kastanien und den lateinamerikanische Bäumen Quebrachos; Nubuk- und Prägeleder, das mit biobasierten Polymeren aus Hanföl hergestellt wird; gewalktes Leder, das mit Weinabfällen natürlich gefärbt wird – es gibt viel zu entdecken.
Mode oder die Kunst, mit Kontrasten zu spielen
„Am auffälligsten ist die Dichotomie, die es in Modetrends geben kann“, so die Expertin. Es gibt eine enorme Inspiration zu mehr Natürlichkeit, diffuse Farben, die patiniert werden, um die Lebendigkeit der Materialien und ihre natürlichen Muster hervorzuheben. Auf der anderen Seite gibt es dieses digitale Licht, das man in der Nail Art oder in der mehrfarbigen Lackierung von Autos findet.
Leder wird mit Präzision veredelt. Das zeigt auch ein Stück, das am Eingang des Forums Leder ausgestellt ist und mit einem Leopardenkopf und Pailletten bestickt ist. Im Gegensatz dazu wird die anfangs erwähnte ‚Natürlichkeit‘ durch natürlich genarbtes Leder ersetzt, das in der Walkmaschine gefärbt wird, ohne Pigment-Finish, um die Texturen besser erahnen zu lassen. Hier ist die Farbe satt und absorbierend. Sie reicht von Indigo über Terrakotta bis hin zu Violett oder dem berühmten Klein-Blau – benannt nach dem Maler Yves Klein, der es zum Emblem einer Suche nach Immaterialität und Unendlichkeit machte – und das sich als die Trendfarbe schlechthin der Frühjahr/Sommer-Saison 2024 erweisen könnte.
Dieser Artikel wurde auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ