Queere Repräsentation in der Streetwear: Filling Pieces setzt auf Inklusion
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Wie repräsentativ ist Streetwear eigentlich? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch die Marke Filling Pieces, die es sich seit ihrer Gründung zur Aufgabe gemacht hat, Brücken zu schließen.
Die niederländische Streetwear-Brand hat eine Kapselkollektion mit der deutschen Skatemarke Dagger herausgebracht, die eng mit der LGBTQIA+ Community zusammenarbeitet. Im Mittelpunkt steht die Glam-Punk-Ära. Darauf folgt bereits die nächste Zusammenarbeit mit Yamuna, einer multidisziplinären queeren Künstlerin, die die LGBTQIA+-Subkultur und “Ballroom”-Community in den Spotlight setzt. Das Ergebnis ist eine Kollektion voller weicher, farbenfroher Styles.
FashionUnited sprach mit Alberto Lopez über die Kollektionen und die Rolle, die sie für Filling Pieces und die Streetwear-Branche spielen. Der Marketingmanager bei Filling Pieces findet, dass die Streetwear-Branche noch einen weiten Weg vor sich hat und dabei von der Haute Couture lernen kann. Mit den Kooperationen hofft er, die Kluft zwischen queerer Kultur und Streetwear zu überbrücken, um eine inklusivere Zukunft zu schaffen.
Filling Pieces baut seit der Gründung 2009 Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Ethnien. Als Lopez vor zwei Jahren in das Unternehmen eintrat und gemeinsam mit Chin das Thema Repräsentation von LGBTQIA+ aufgriff, wurde das Markenethos beibehalten, allerdings auf einer völlig neuen Grundlage. So gab es verschiedene Kooperationen und Kampagnen – darunter mit dem Berliner Onlinehändler Zalando – die das Thema in den Fokus gerückt haben. Auch im eigenen Team gab es einen Wandel, denn das ist insgesamt vielseitiger geworden.
Wie repräsentativ ist die Streetwear-Welt eigentlich?
Streetwear ist immer noch sehr männlich. Das ist mit der Gemeinschaft und dem Erbe verwoben. Natürlich gibt es viele Modemarken, die sich mit der Queer-Community auseinandersetzen, und auch die Repräsentation in der Streetwear nimmt langsam zu, aber es ist noch ein langer Weg bis dahin. Das hoffe ich bei Filling Pieces zu ändern. Als ich zur Marke kam, hatte ich das Gefühl und sah, dass das Image, das Filling Pieces als Marke projizierte, sehr männlich war. Ich wollte mehr Offenheit schaffen, um verschiedene Arten von Energie zu vermitteln und die Marke für alle zugänglicher zu machen.
Wie lief das?
Es ist schön, wenn man die volle Unterstützung des Gründers der Marke hat. Wir haben die gleiche Vision, und es war eine Lernkurve für alle Beteiligten. Es hat mit unseren Markenwerten zu tun und mit der Vision, die Chin am Anfang hatte: 'bridging the gap'. Also die Überbrückung verschiedener Menschen und Kulturen. Gemeinsam haben wir besprochen, dass wir, wenn wir wirklich eine Marke auf dieser Grundlage aufbauen wollen, auch wirklich danach handeln müssen. Wir begannen dann, nicht nur ethnische Zugehörigkeit, sondern auch Geschlecht und Sexualität zu berücksichtigen.
Chin und ich wollten uns an einen Tisch setzen und er mehr darüber erfahren, wie wir als Marke, auch intern, vielfältiger sein können. Er vertraute mir in dieser Vision und dass ich diesen Weg einschlagen würde. Wir stellten Leute ein, die mir beim Aufbau helfen und der Marke Glaubwürdigkeit verleihen sollten. Dies führte auch zu internen Initiativen. Wir haben einen 'Culture Club' gegründet, um das Team in kulturellen Fragen zu schulen, einschließlich der queeren Community. Zu diesem Zweck organisieren wir alle vierzehn Tage Aktivitäten wie Podiumsdiskussionen und Ausflüge. Ich bin selbst queer, aber wenn man queere Mitarbeiter:innen einstellt, bedeutet das nicht, dass sich über Nacht alles ändert. Auch für mich war es eine Reise, auf der ich den Menschen zuhörte und neue Arbeitsweisen entdeckte.
Warum haben Sie sich für eine Zusammenarbeit mit Dagger and Yamuna entschieden?
Natürlich haben wir schon früher mit Zalando und Joolz zusammengearbeitet und auch für Keti Koti haben wir mit LGBTQIA+ Künstler:innen gearbeitet. Bei dieser Zusammenarbeit wollten wir uns speziell mit Vielfalt und Identität auseinandersetzen. Energie spielte dabei eine zentrale Rolle. Das ist auch der Slogan für beide Kampagnen: "Energie ist alles". Wir wollten auf dieser Philosophie aufbauen, dass Mode etwas Persönliches ist. Die Wahrnehmung dessen, was feminin, maskulin oder neutral ist, ist bei jedem anders. Wir wollten also über die Polarisierung von männlich und weiblich hinausgehen und stattdessen diese beiden Säulen mit einem Gefühl verbinden, das von Tag zu Tag unterschiedlich sein kann. Es spielt keine Rolle, welches Geschlecht oder welche sexuelle Identität man hat; in der Mode sollte das keine Rolle spielen. Es geht um Selbstdarstellung. Morgens kann man sich super feminin fühlen oder eine starke Energie haben, und abends kann es wieder anders sein. Wir wollten Kapseln kreieren, die für jede:n geeignet sind, um verschiedene Arten von Energie zu verschiedenen Zeiten auszudrücken.
Also haben wir uns für die beiden Marken entschieden, die das unserer Meinung nach am besten vermitteln können, weil sie beide eine unverwechselbare und sehr unterschiedliche Energie ausstrahlen. Wenn man Yamuna kennenlernt, ist sie so mutig, kraftvoll und durchsetzungsfähig mit einer superfemininen, eindeutig rosafarbenen Energie, während es bei Dagger eher punkig, undergroundig und trotzig zugeht. Aber beide sind queer und beide fühlen sich damit wohl. Wir wollten Marken auswählen, die zwar sehr unterschiedliche Energien ausstrahlen, aber dennoch unter demselben Schirm der Marke zusammenarbeiten können.
Es war auch wichtig für uns, verschiedene Märkte zu vertreten. Deshalb haben wir uns für Dagger in Deutschland und Yamuna in den Niederlanden entschieden.
Können Sie ein wenig mehr über den kreativen Prozess hinter den Kollektionen erzählen?
Dabei waren wir hauptsächlich als Vermittler:in tätig. Wenn wir sagen, wir bieten eine Plattform für queere Talente, dann meinen wir das auch wirklich so. Wir setzten uns mit ihnen zusammen, diskutierten darüber, was Identität und Energie für sie bedeuten, und erklärten ihnen unsere Werte und Markenidentität, die sie gut verstanden und respektierten. Unser Loafer ist eines unserer ikonischsten Stücke, also haben wir ihn als Vorlage für die Gestaltung der Kollektion und des Capsule genommen. In diesem Sinne waren alle drei Marken vertreten. Wir gaben ihnen die Bausteine, die bereits existierenden Kleidungsstücke, und sie kreierten dann ihre eigene Interpretation davon. Aus Respekt vor der Identität der beiden Marken haben wir auch den Fotografen, die Regieassistenz und die Schauspieler:innen für die Kampagne gemeinsam ausgewählt. Das war wirklich Teamarbeit.
Wie sind die Reaktionen auf die neuen Stücke?
Ich verstehe, dass das für einige Leute zunächst zu weit weg von dem ist, was wir bisher gemacht haben. Wie ich bereits sagte, verstand die Marke Vielfalt vor allem in Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit, und jetzt wollen wir diese Tür öffnen und zeigen, dass Vielfalt viel mehr umfasst, vor allem in der Streetwear und in der Mode. Das kann am Anfang etwas kontrastreich sein. Aber bis jetzt waren die Reaktionen, die wir bekommen haben, wirklich gut.
Einige Leute haben gesagt, dass dies für unsere Marke ziemlich gewagt ist, aber nichts wirklich Schlimmes. Ich denke, es hat eher damit zu tun, dass unsere Marke fest in einer bestimmten Ästhetik verwurzelt ist und das Öffnen dieser neuen Tür in der Tat etwas kontrastreich sein kann. Ich denke, unsere Community versteht das, und das habe ich auch erwartet.
Aber es ist wichtig, konsequent zu sein und wirklich weiter in diese Richtung zu investieren – es sind kleine Schritte. Wir werden den Weg wirklich ebnen müssen. Wir müssen mit den Projekten weitermachen, wie wir es bisher getan haben. Dies ist kein einmaliges Ereignis. Ich möchte nicht, dass jemand denkt, wir würden das nur zur Schau stellen. Wir haben über ein Jahr lang eng mit der Community zusammengearbeitet, und wir werden dies auch weiterhin tun. Es geht um mehr als nur darum, ein Zeichen zu setzen.
Abgesehen von dem direkten Einfluss von Filling Pieces, wie sehen Sie die Zukunft der Streetwear in Bezug auf Inklusion?
Man sieht immer mehr Menschen aus der LGBTQIA+-Gemeinschaft in der Streetwear, und da liegt die Zukunft. Marken wie Daily Paper bewegen sich ebenfalls in diese Richtung und sprechen die Community an. Aber das braucht Zeit und sollte schneller gehen. Deshalb machen wir diese Schritte, denn manchmal ist ein Statement nötig. Wenn es nach mir geht, ist keine Zeit zu verlieren.
Sind weitere Kooperationen geplant?
Wir wollen weiterhin mit der queeren Community und anderen Minoritäten zusammenarbeiten. Es ist wichtig zu erwähnen, dass es für uns nicht nur um die Zusammenarbeit mit anderen queeren Marken geht, sondern dass wir ständig mit queeren Fotograf:innen, Models, Stylist:inne und Kreativen zusammenarbeiten. Unser Team und die Leute, mit denen wir wöchentlich arbeiten, sind oft queere Talente, die uns helfen, die Vision der Marke zu vermitteln. Im Moment haben wir einige Kollaborationen in der Pipeline wie mit der niederländischen Marke Fest.
Wenn ich auf die Zeit vor zwei Jahren zurückblicke und dann sehe, wo wir jetzt stehen, bin ich unheimlich glücklich. Diese beiden Kapselkollektionen fühlen sich sozusagen wie meine Babys an. Es fühlt sich an wie eine Kristallisation all dessen, woran wir gearbeitet haben und was wir innerhalb des Unternehmens zu ändern versuchen. Natürlich haben wir das Projekt mit Zalando und all die anderen Kollaborationen, die wir in diesem Rahmen gemacht haben, aber die Arbeit mit zwei so besonderen queeren Marken ist eine echte Ehre für mich und die Marke, zu der ich gehöre.
Dieser übersetzte und bearbeitete Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl.