Recycling-Mode: Wie Marken die Scheinheiligkeit kultivieren
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Nachhaltigkeit, Ökologie und die Einhaltung sozialer Mindeststandards werden in der Textilproduktion immer wichtiger. Dies könnte man tatsächlich glauben, wenn man den PR-Meldungen der großen Modemarken aus den letzten Monaten und Jahren Glauben schenken dürfte. Kaum eine große Marke oder Textilkette, die sich noch nicht auf die Fahnen geschrieben hat, in Zukunft weniger Müll und Gift zu produzieren und nachhaltiger herstellen zu lassen.
Egan ob H&M, C&A, Zara, Mango oder andere Hersteller – anscheinend haben mittlerweile die meisten Unternehmen erkannt, dass der Umwelt- und Menschenschutz künftig an erster Stelle stehen muss. Und sie alle engagieren sich nach Kräften, um ihre Produktion entsprechend umzustellen. Auf Chemikalien soll plötzlich ganz verzichtet werden, Wasser soll gespart und die Bodenbelastung signifikant verringert werden. Zudem sollen kaum noch umweltschädliche Kunststofferzeugnisse verwendet werden, Arbeiter gerecht bezahlt und krankenversichert sein.
Um ihre Fortschritte auf dem Weg zum politisch korrekten Unternehmen zu dokumentieren und vor allem der Öffentlichkeit vorzuführen, wie sehr man sich um das Thema bemüht, veröffentlichen mittlerweile die meisten Modemarken einen sogenannten Nachhaltigkeitsbericht. Hier wird regelmäßig aufgezeigt, welche Ziele sich das Unternehmen gesteckt hat und welche Zwischenschritten man bereits gegangen ist. Zudem lancieren immer mehr Hersteller eine Öko- oder Nachhaltigkeits-Linie, die mit großem PR-Aufwand in die Medien gedrückt wird und von der Modernität der Marke zeugen soll. Soziale Verantwortung ist nämlich ziemlich sexy.
Müll vermeiden, statt recyceln
Dabei handelt es sich bei den PR-Kollektionen meist lediglich um einen Versuch der Konzerne, sich von ihren Verfehlungen reinzuwaschen. Die Modeindustrie verursacht weltweit mit den meisten Plastikmüll und ist mit ihren aufwändigen, chemisch unterstützten Herstellungsprozessen einer der größten Umweltverschmutzer des Planeten. Der Siegeszug von Fast Fashion tut sein Übriges, um die Umwelt noch mehr zu belasten als zuvor.
Wurden früher lediglich zwei Kollektionen im saisonalen Rhythmus in die Läden gebracht, füllen die meisten Marken mittlerweile ihre Regale im Abstand weniger Tage mit neuen Teilen, neuen Styles und neuen Produkten. Die Folge: Kleidung wird immer kürzer getragen, die Klamottenberge in den Haushalten wachsen ins Unermessliche und der stets zunehmende Einsatz von Polyesterfasern steigern die Umweltbelastung ins Unermessliche.
Anstatt, wie nun der Sportartikelhersteller Adidas, medienwirksame Kooperationen mit fragwürdigen Umweltorganisationen einzugehen, sollte die Branche also lieber darauf achten, generell weniger Müll zu erzeugen. Adidas hat unlängst angekündigt, gemeinsam mit der Organisation „Parley for the Oceans“ Sportschuhe aus recyceltem Plastik aus den Weltmeeren auf den Markt zu bringen. Dies kommt zwar auf Modeblogs und bei manchem Instagram-Hipster gut an, trübt jedoch letztlich nur den Blick auf’s Wesentliche: dafür zu sorgen, dass der Müll erst gar nicht entsteht.
Die einzige Nachhaltigkeit, die sich in der Modebranche glaubhaft etabliert hat, ist die der Scheinheiligkeit. Ein modischer Charakterzug, der so alt ist wie die Klamotte selbst. Mode macht Leute, Mode macht Image, Mode verdeckt und verkleidet – auch und gerade das Schlechte.
Foto: Hartmut Giessler / pixelio.de