Reference Studios: Berliner Modewoche soll besser als London werden
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Die Berliner Modewoche wird immer internationaler und unter Besuchenden schon teilweise als “das neue London” angesehen. Mit dafür verantwortlich ist auch die Berliner PR-Agentur Reference Studios, die mit ihrem Schauen-Format ‘Intervention’ bekannte Namen wie Shayne Oliver mit seinem Anonymous Club, GmbH und Lueder dazu gebracht hat, ihre Kollektionen in der deutschen Hauptstadt und eben nicht in Paris, Mailand oder London zu zeigen.
Agentur-Gründer Mumi Haiati und Tim Neugebauer, Creative Lead bei Reference Studios, lassen die aktuelle Ausgabe der Modewoche im Interview Revue passieren und geben einen Ausblick auf die kommenden Pläne.
Welches Fazit ziehen Sie von der Berlin Fashion Week?
Mumi Haiati: Intervention, aber auch Berlin Fashion Week als Ganzes nimmt mehr Form an. Es hat eine stärkere und klare Identität. Wir sind auf dem richtigen Weg. Auch das Feedback der internationalen Presse war total positiv. Man spricht von einem neuen London und das hat uns sehr gefreut.
Tim Neugebauer: Wir wollen es sogar besser machen als London – langlebiger – und vor allem einen Hub für Brand Experiences schaffen. Neben den Designer:innen-Runways würden wir gerne das, was wir mit C.P. Company gemacht haben [Anm. d. Red.: Installation und DIY-Workshop] und, sowie die Party mit Ugg und all die anderen Cases, weiter vertiefen und ausbauen. Das Interesse ist auf jeden Fall total groß und es gibt wahnsinnig viele Marken, die jetzt schon anklopfen. Berlin bietet mit den ganzen tollen Locations und so viel Geschichte auch einfach die Spielfläche dafür.
Gab es eine Show, die besonders überzeugte?
Tim Neugebauer: GmbH wurde viel genannt, aber ungefähr in derselben Frequenz auch Anonymous Club. Anonymous Club war ja schon in der vergangenen Saison dabei, wo Shayne Oliver das erste Mal in Berlin gezeigt hat, und für GmbH war es jetzt das erste Mal. Das macht es dann nochmal ein bisschen besonderer in der Wahrnehmung.
GmbH sitzt in Berlin und Shayne Oliver soll auch in Berlin wohnen. Brauchen die Marken, die Sie für Intervention auswählen, diese Verbindung?
Beide: Ja, genau Shayne wohnt seit zwei, zweieinhalb Jahren in Berlin.
Mumi Haiati: Ein Berlin-Bezug ist in irgendeiner Form wichtig, ob sie jetzt wirklich physisch in Berlin sind oder ob sie sich einfach nur als Inspirationsquelle auf Berlin beziehen. Schon bei der ersten Intervention hatten wir Olly Shinder dabei, der einen natürlichen Bezug zu Berlin durch seinen Mann Wolfgang Tillmans [Anm. d. Red.: Deutscher Fotograf] hat.
Tim Neugebauer: Er bezieht sich ja auch ästhetisch auf eine Szene in Berlin.
Mumi Haiati: Wir freuen uns zu sehen, dass all diese Kreativen, die Designer:innen, die Berlin als Inspirationsquelle nehmen, in Berlin schöpfen, aber woanders zeigen, jetzt das Vertrauen fassen, um auch in Berlin was zu zeigen – das Potenzial auch zu erkennen.
Tim Neugebauer: Wir wollen es ja auch niemandem verkaufen, in Berlin zu zeigen, sondern überzeugen, dass es wirklich das Umfeld gibt, dass es eine Wertschöpfung geben kann und dass es auch Sinn über die Sichtbarkeit hinaus gibt – einen kommerziellen Nutzen.
Herr Neugebauer, Sie erwähnten zu Beginn den Vergleich mit London. Was hat es damit auf sich?
Tim Neugebauer: Der Vergleich ist einerseits sehr inspirierend. Es ist toll, dass viele so denken. London hat es immer erreicht, besonders jungen Designer:innen ein großes Level an Aufmerksamkeit zu bieten und dann auch anfänglich kommerziellen Erfolg.
Mumi Haiati: Es war ein Sprungbrett für viele mittlerweile große Designer:innen wie Craig Green, J.W. Anderson und Martine Rose.
Tim Neugebauer: Bei vielen war der Erfolg nur anfänglich und die Sichtbarkeit nur bis zu einem bestimmten Grad. Deshalb wollen wir eine langlebigere Version davon schaffen. Die Designer:innen, die bei uns zeigen, sollen nachhaltigen Erfolg und langfristige Sichtbarkeit bekommen.
Tim Neugebauer: Aber der erste große Schritt ist schon mal, dass Berlin als eine Art Sprungbrett gesehen wird. Das ist natürlich ein großer Unterschied zu den vorherigen Ausgaben.
Kann die Berliner Modewoche also international mithalten?
Tim Neugebauer: Es ist eine Sache der Kuration. Berlin hat so viele Elemente, die die Stadt total eigen machen. Keine andere Stadt hat eine so große Bandbreite an Ästhetik und Werten, die in der Stadt aufeinandertreffen, die koexistieren, die sich gegenseitig auch noch befruchten, eben weil es einen so großen kulturellen Austausch in Berlin gibt. Wenn wir das konstant weiterspielen, hat das Konzept auch ein Potenzial, nachhaltig zu werden.
Wie sieht es mit der deutschen Modelandschaft insgesamt aus? Ist sie international relevant?
Tim Neugebauer: Ottolinger kommt sofort in den Kopf. Es gibt ja auch deutsche Brands in New York oder Beispiele wie Jil Sander, aber die Sichtbarkeit insgesamt ist doch recht gering. Wenn man an die deutsche Modelandschaft denkt, entsteht ganz schnell ein relativ bürgerliches Bild – Karstadt, Peek & Cloppenburg, Funktionsmode. Dabei gibt es so viel, was wir vielleicht gar nicht in erster Linie als deutsch verstehen. Und darum geht es wiederum bei Intervention. Es geht nicht um eine Ästhetik, sondern um die Bandbreite und unterschiedlichen Werte, die diese Designer:innen und Marken darstellen.
Der Diskurs hat uns aber auch irgendwo eine gewisse Engstirnigkeit gegeben, dass wir in diesem Klischee denken, was Modedesign in Deutschland eigentlich ist. Es spielt gar keine Rolle, wie es hier wahrgenommen wird, sondern vielmehr, wie es überall sonst wahrgenommen wird. Von ‘Made in Germany’ haben Leute in Japan ein ganz anderes Bild als in Deutschland. Es ist schon immer ein Nährboden für Design gewesen.
Auch Ihr ‘New Wave’-Showroom ist ein Nährboden für neue Talente. Wie entdecken Sie diese?
Mumi Haiati: Das ist wirklich ein wahrhaftes Interesse. Es ist der Grund, warum ich überhaupt diesen Job mache und es ist für mich ein großes Anliegen, zu schauen, was passiert, wer wirklich was Spannendes und Bahnbrechendes macht. Natürlich haben wir auch nur bedingt Kapazitäten, junge Designer:innen zu unterstützen, aber wir machen schon wahnsinnig viel. Wir haben ja auch einige Emerging Designers von Anfang an aufgebaut, die jetzt durch die Decke gehen, wie No Faith Studios oder Magliano.
Wie geht es jetzt mit Intervention und auch dem früheren Konzept Reference Festival weiter? Folgt jetzt wieder was ganz anderes?
Mumi Haiati: Intervention wird es definitiv im Februar geben. Wir können noch nicht so viel sagen, aber es wird auf jeden Fall ein größeres Spektrum mit sehr vielversprechenden Namen – kommerzielle, ikonische sowie progressive Independent Labels. Und unser Reference Festival wird wahrscheinlich im Ausland abgehalten.
Das Interesse für Intervention ist auf jeden Fall da. Die Marken und andere Vertreter:innen freuen sich ja auch, weil sie die Möglichkeit haben, die Stadt zu aktivieren und zu erreichen, weil eben auch die richtigen Leute kommen. Es gab einfach auch tolle Gäste dieses Mal. Mark Holgate und Stavros Karelis von Machine-A waren da, aber auch Ye [Anm. d. Red.: Synonym des US-Rappers Kanye West] bei der Anonymous Club Show.
Tim Neugebauer: Dann aber auch Stefano Pilati. Also wirklich Leute, die aus unserem engeren beziehungsweise erweiterten Netzwerk kommen und neben Mode auch aus allen kreativen Sektoren stammen. Sie kommen bei unseren Veranstaltungen zusammen.
Aber auch die Agentur entwickelt sich immer weiter. Im vergangenen Jahr haben Sie einen neuen Showroom in Mailand eröffnet. Was sind die nächsten Schritte?
Tim Neugebauer: Wir werden im September unser Pariser Headquarter eröffnen, aber mehr können wir noch nicht sagen.