Schuhe für Rihanna und eine eigene Akademie: Zeynep Dag von Alzúarr denkt gerne groß
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Das niederländische Schuhlabel Alzúarr existierte kaum zwei Wochen, als die Gründerin Zeynep Dag einen Großauftrag erhielt. Absender: Rihannas Assistent:in. Dags Welt wurde von einem Moment auf den anderen "völlig auf den Kopf gestellt", sagt sie. Der Auftrag kam aber auch nicht völlig aus heiterem Himmel. Schließlich hatte Dag Rihanna selbst über einen raffinierten Instagram-Trick kontaktiert. „Alle meine Freund:innen sagten: die Schuhe, die du entwirfst, das sind wirklich Schuhe für Rihanna. Sie hatten Recht, dachte ich. Also fragte ich mich: Warum versuche ich nicht einfach, sie zu erreichen?" Naiv, dachten einige, aber Dag sah das anders. „Es ging nur darum, groß zu denken."
Dag denkt gerne in großen Dimensionen, und das hat sie schon weit gebracht. Fünf Jahre nach der Gründung von Alzúarr hat sie Kund:innen in der ganzen Welt, ihre hochwertigen Absatzschuhe werden in den Galeries Lafayette verkauft und sie leitet ihre eigene Modeakademie. Dag hat nicht nur eine klare Designvision, sondern auch ihre eigenen Vorstellungen von der Modeausbildung. FashionUnited spricht mit Dag anlässlich des fünften Jahrestages von Alzúarr über ihren Arbeitsprozess und die Lektionen, die sie selbst über die Modeindustrie gelernt hat.
Fünf Jahre Alzúarr, wie fühlt sich das an?
Eher wie 30 Jahre, aber auf eine gute Art. Ich habe so viel erlebt, dass es sich anfühlt, als wäre ich schon sehr lange dabei. Vor fünf Jahren habe ich mich selbständig gemacht, mit dem Ziel, Alzúarr zu einer internationalen Marke zu machen. Ich dachte: Wenn ich das innerhalb von drei Jahren schaffe, habe ich es wirklich gut gemacht. Jedenfalls kam dann zwei Wochen nach dem Start dieser Auftrag von Rihannas Stylist:in. Seitdem ist es ein einziges Tollhaus.
Wie haben Sie das geschafft?
Wir sprechen von 2017, damals war Instagram sehr beliebt. Das habe ich damals geschickt ausgenutzt. Anfangs hatte ich keine Ahnung, wie ich mit Rihanna in Kontakt treten konnte, aber ich fand heraus, dass sie einer Reihe von Fanpages folgt. Ich habe Betreiber:innen einer dieser Seiten gefragt, ob ich für fünfzig US-Dollar eine Anzeige auf dem Instagram-Profil schalten kann. Es wurde mir erlaubt. Aber anscheinend war der Typ selbst total begeistert, denn ohne dass ich es wusste, schickte er eine Instagram-Nachricht an Rihanna, in der er schrieb: „Schau dir dieses Label an, das sind wirklich Schuhe für dich". Rihanna hat das offenbar gelesen, denn 24 Stunden später war eine E-Mail von ihrer Assistenz meinem Posteingang. Und sobald Rihanna deine Schuhe trägt, bekommst du E-Mails von allen Star-Stylisten.
Sicherlich lag es auch an den Schuhen.
Ja, natürlich. Bei Alzúarr sehen die Leute sofort: Das sind Schuhe, die ich sonst nirgendwo bekomme. Es sind einzigartige Designs, und das ist auch heute noch die Stärke der Marke. Unsere Kund:innen sind Kenner:innen, Menschen, die wirklich wissen, was in Schuhen steckt. Sie verlieben sich in die Modelle von Alzúarr, weil sie so etwas noch nie gesehen haben.
Was ich an Alzúarr am meisten liebe: Unsere Kund:innen sind sowohl in Amerika als auch im Nahen Osten. Wir haben Kundinnen, die in Miniröcken laufen und leicht bekleidet sind, aber auch Kundinnen, die unter ihrer Burka meine Absätze tragen. Mit einem Schuh können wir eine sehr unterschiedliche Zielgruppe ansprechen. Was sie verbindet: Sie schauen nicht auf die Marke, es muss nicht Gucci oder Prada sein. Sie wollen Kunstwerke für ihre Füße.
Woher kommt Ihre Inspiration für diese Kunstwerke?
Meine Inspiration ist sehr vielfältig, ich besuche viele verschiedene Orte und hole mir Ideen von Dingen, die ich sehe oder erlebe. Ich habe Kunstgeschichte studiert und bin in der Kunstwelt aktiv, aber es muss nicht immer von dort kommen. Nehmen Sie zum Beispiel den Schuh mit der Wassermelone darauf. Ich habe diese Wassermelone gerade im Supermarkt entdeckt. Dann sehe ich eine dieser Melonen herumliegen und denke: Wow, was für eine schöne Sache! Und nett und banal, wirklich etwas, das man auf einen Luxusschuh setzen kann. Ich liebe diesen Kontrast. Das ist das Schöne an Alzúarr: Ich kann tun, was ich will.
Sie sind immer noch völlig unabhängig?
Ja, ich entwerfe auch selbst. Die Leute denken oft, dass ich ein ganzes Designteam hinter mir habe, aber das ist nicht der Fall. Ich habe zwar eine kreative Assistenz, die die Design-Zeichnungen macht, aber keine Design-Abteilung, ich glaube nicht, dass ich das durchziehen kann.
Warum nicht?
Ich bin die Identität von Alzúarr. Die Marke ist von der Frau geprägt, die ich bin. Von der Farbe der Federn bis zum Finish der Accessoires: Es sind meine Ideen. Natürlich bespreche ich meine Entwürfe mit den Herstellern und Modellbauern, aber die kennen mich inzwischen: Ich brauche keine Empfehlungen für andere Farben oder andere Obermaterialien zu hören. Ich habe eine ganz klare Vorstellung: So sollte es sein, und nicht anders.
Ist es schon einmal vorgekommen, dass ein Hersteller sagte: „Tut mir leid, Zeynep, aber das können wir wirklich nicht herstellen"?
Lacht: Ja, das passiert eigentlich immer. Wenn ich bei einem Hersteller mit einem Entwurf ankomme, heißt es immer sofort: „Zeynep, das geht nicht.” Dann sage ich: „Das war keine Frage, das war eine Ansage. Ich will diesen Schuh.”
Andere Marken wagen es nicht einmal, sich an die Art von Schuhen heranzuwagen, die Alzúarr herstellt. Es sind unglaublich schwierige Schuhe. Ein Beispiel ist der Schuh mit der Orchidee darauf. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um sie genau richtig hinzubekommen, von der Form bis zur Wölbung der Blütenblätter und der Art der Steine darauf. Darauf sind die meisten Hersteller nicht eingestellt.
Wie bringt man also die Hersteller dazu, es trotzdem zu tun?
Ich mache immer weiter. Aber ich versuche auch, die Leute so zu begeistern, dass sie von sich aus an diesem Schuh arbeiten wollen. Dann erkläre ich ihnen die Geschichte des Schuhs und warum er meiner Meinung nach dort hingehört. Viele meiner Schuhe haben eine persönliche Geschichte, das hilft.
Wenn der Schuh fertig ist, kommen die Macher immer zu mir und sagen dann: „Du hattest Recht, es ist wirklich ein Wahnsinnsschuh geworden”.
Welche Art von Schuh würden Sie gerne noch entwerfen?
Ich werde oft gefragt, wann Schuhe für Männer kommen, Turnschuhe zum Beispiel. Wenn ich regelmäßig eine Frage bekomme, habe ich irgendwann Lust, etwas daraus zu machen. Ich bin dann auch neugierig, was für ein Sneaker dabei herauskommen würde. Ich denke an einen sehr sexy Sneaker.
Sie haben schon einmal Schuhe für Männer hergestellt: Vor ein paar Jahren waren Sie in den Schlagzeilen, weil Sie Absätze in größeren Größen anbieten wollten, damit auch Männer sie tragen können.
Das ist richtig. Wir haben sie damals auf Instagram vorgestellt, mit tollen Fotos. Die amerikanischen Kund:innen waren sehr angetan. Wir erhielten unzählige Nachrichten von Leuten, die sich bei uns bedankten, vor allem von Dragqueens. Sie können Absätze in ihrer Größe finden, aber sie sind in der Regel ein bisschen vulgär. Manchmal wollen sie auch einfach nur einen wirklich edlen Schuh tragen.
Gleichzeitig ist der Absatz im Nahen Osten plötzlich zurückgegangen. Wir hatten das im Vorfeld unterschätzt, oder vielleicht sind wir zu lässig mit dem Risiko umgegangen. So oder so gerieten wir in Schwierigkeiten und mussten die Fotokampagne von allen unseren Kanälen abziehen. Der Markt im Nahen Osten ist für uns zu wichtig. Dennoch macht es mich sehr traurig. Alzúarr soll für jeden sein, die Marke steht für Stärke und den Mut zu zeigen, wer man ist. Ich hoffe, dass wir eines Tages an den Punkt kommen, an dem wir wieder mit Absätzen für Männer werben können, aber so weit sind wir noch nicht.
Gibt es eine Frau, von der Sie hoffen, dass sie Ihre Schuhe wieder tragen wird?
Máxima. Ich finde, sie ist eine fantastische Frau, sie verkörpert die Stärke und den Mut, für die wir als Marke stehen. Wir haben ihr schon vor zwei Jahren ein Paar Schuhe geschickt, aber wir haben sie zurückbekommen, weil man den Mitgliedern der königlichen Familie keine Geschenke im Wert von mehr als 40 Euro machen darf. Ich warte also immer noch.
Was würdest du gerne noch mit Alzúarr machen?
In den letzten fünf Jahren haben wir den Großhandel ein wenig hinter uns gelassen. Das war Absicht, denn ich komme aus dem E-Commerce, und das ist ein ganz anderes Geschäft. Aber seit Januar 2022 haben wir ein eigenes Großhandelsteam, das sich auf den Verkauf über andere Parteien konzentriert. Außerdem würde ich gerne Kooperationen eingehen, zum Beispiel für Herrenschuhe. Alzúarr ist keine Sneaker-Marke und sollte es auch nicht werden, daher scheint es strategisch besser, Sneaker im Rahmen einer Zusammenarbeit herauszubringen.
Außerdem möchte ich wieder mehr selbst gestalten. Ich habe Alzúarr eigentlich als Designerin begonnen, aber weil sich das Unternehmen international so schnell entwickelt hat, bin ich eigentlich eher Unternehmerin geworden. Die Gestaltung trat in den Hintergrund, und das machte mich unglücklich. Im Juni habe ich also viele Managementaufgaben abgegeben, und seit kurzem habe ich ein Studio zu Hause. Mein Atelier befand sich früher im Büro, aber ich bin nicht dazu gekommen, dort zu entwerfen. Jetzt plane ich Tage, an denen ich nur designe. Das steht dann auch im Kalender: „Rufen Sie mich nicht an, ich entwerfe.”
Sie haben früher selbst als Lehrerin gearbeitet. 2019 haben Sie Ihre eigene Business Fashion Academy gegründet. Was lernen die Studierenden dort über Modeunternehmertum?
Die Zusammenfassung unserer pädagogischen Vision lautet: Wissen, Macht und Liebe. Wir wollen den Studierenden nicht nur beibringen, gute Designende und Unternehmer:innen zu werden, sondern auch, sich selbst so sehr zu lieben, dass sie alle ihre Träume verwirklichen können. Darin sind auch die Lehrkräfte der Business Fashion Academy geschult: Wie gibt man Schüler:innen Kraft? Mit dieser Frage im Hinterkopf sind Sie vor der Klasse ganz anders.
Modeakademien werden oft in einem schlechten Licht gesehen. „Es ist eine harte Welt, die Menschen sind so streng, jeder wird umgelegt'' - Sie kennen die Geschichten. Das ist einer der Gründe, warum ich die Business Fashion Academy gegründet habe. Schüler:innen zum Weinen zu bringen, ist meiner Meinung nach nicht der beste Weg, sie auf die Herausforderungen der Modewelt vorzubereiten. Disziplin lernen sie bei uns einfach in einem Bereich, das sich Professionalität nennt. Es ist ein hartes Programm, aber wir bringen niemanden zum Weinen, das ist bei uns verboten.
Was haben Sie selbst in den letzten fünf Jahren über das Modegeschäft gelernt?
Puh, ich lerne jeden Tag so viel. Das gefällt mir auch, denn ich bin sehr wissbegierig. Die wichtigste Lektion ist: Man muss weitermachen. Bleiben Sie nicht stehen, denn dann werden Sie überholt. Bleiben Sie innovativ, sonst sind Sie raus aus dem Spiel. Das ist es auch, was die Modewelt so herausfordernd macht. Es hilft, sich Ziele zu setzen. Große Ziele, aber vor allem: konkrete Ziele. Dann hat man etwas, auf das man jeden Tag hinarbeiten kann.
Dieser übersetzte und bearbeitete Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl.