Seit vier Jahren kaum Fortschritt: Textilbündnis bald vor dem Aus?
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Als sich im Jahr 2014 ein vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung initiiertes Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen zusammenschloss, um nachhaltigen Textilien in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, waren Euphorie und Aufbruchsstimmung greifbar. Deutschland wollte sich an die Spitze einer internationalen Bewegung stellen, die Textilien nur noch zu fairen Bedingungen und unter umweltpolitischen Mindeststandards produzieren lässt.
Die Mitglieder dieses sogenannten Textilbündnisses überschlugen sich geradezu mit großen Absichtserklärungen und visionären Ideen. Seitdem vergeht kaum ein Monat, in dem nicht eines der beteiligten Unternehmen einen umfangreichen Maßnahmenplan veröffentlicht – ohne dem jedoch ernsthafte Taten folgen zu lassen. Nun kritisieren vor allem die zivilgesellschaftlichen Mitglieder des Bündnisses, dass ein wirkliches Engagement seitens der Wirtschaft kaum vorhanden sei. In einer gemeinsamen Erklärung bemängeln etwa die Organisationen Clean Clothes Campaign (CCC), Femnet, Inkota und Südwind, dass das Bündnis Unternehmen nicht ausreichend dazu motiviere, sich für die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten zu engagieren.
Verbindliche Regeln statt Selbstverpflichtung
Die Unternehmen, die dem Textilbündnis beigetreten seien, deckten bisher noch nicht einmal 50 Prozent des deutschen Textilmarktes ab, so die Organisationen, die befürchten, dass Anfang Juli erneut Mitglieder das Bündnis verlassen müssen, wenn sie der Pflicht zur Erstellung eines jährlichen Maßnahmenplans nicht nachkommen. Man verweise darauf, dass das freiwillige Textilbündnis sinnvolle Beiträge zur Umsetzung von Standards leisten könne. Für die Verwirklichung der Menschenrechte in der textilen Lieferkette seien aber wirksame und für alle Unternehmen geltende gesetzliche Regeln notwendig, heißt es.
Damit das auf freiwilliger Basis bestehende Textilbündnis in der Öffentlichkeit glaubwürdiger werde, müsse mehr Transparenz im Prüfprozess geschaffen werden. „Bislang werden die Berichte der Mitgliedsunternehmen lediglich formal durch zwei Beratungsunternehmen auf ihre Plausibilität geprüft, nicht aber auf ihre inhaltliche Tiefe", so Dr. Gisela Burckhardt von Femnet e.V. „Notwendig wäre eine inhaltliche Prüfung und Transparenz über die Bewertung. Da die Ausgangsbasis nicht öffentlich ist, bleibt für Außenstehende schwer erkennbar, welche Verbesserungen ein Mitglied anstrebt. Dadurch ist der Prozess intransparent und ermöglicht zu wenige Rückschlüsse auf das tatsächliche Engagement der Unternehmen.“
Immerhin: Im August sollen die Maßnahmenpläne aller Mitglieder im Textilbündnis verpflichtend veröffentlicht werden. „Das Anspruchsniveau dieser Pläne ist ausschlaggebend, um zu bewerten, ob sich die Bündnismitglieder wirklich engagieren oder nur hinter den Minimalanforderungen verstecken", so Dr. Sabine Ferenschild vom Südwind Institut. Dies sei entscheidend für den Erfolg des Textilbündnisses.
„Das Textilbündnis läuft derzeit Gefahr wirkungslos zu bleiben, wenn die selbst gesteckten Schwerpunkte nicht eingehalten werden", kritisiert auch Berndt Hinzmann vom entwicklungspolitischen Inkota-Netzwerk. Für das Jahr 2018 habe der Steuerungskreis des Bündnisses zwar das Thema existenzsichernde Löhne als Schwerpunkt festgelegt. „Faktisch passiert ist bisher wenig", so Hinzmann. Existenzsichernde Löhne seien schließlich ein Kernthema und hingen unmittelbar mit anderen Problemen wie Gewerkschaftsfreiheit oder Einkaufspraktiken zusammen. Die NOG’s fordern daher unisono: „Bei diesem zentralen Punkt muss das Bündnis noch in diesem Jahr klare Fortschritte vorweisen.“
Sollte nach rund vier Jahren Textilbündnis auch 2018 nichts Greifbares passieren, könnte die Initiative sogar mittelfristig vor dem Aus stehen. Zumindest wollen sich die zivilgesellschaftlichen Mitglieder des Bündnisses nicht mehr lange als grünes Feigenblatt der Textilindustrie missbrauchen lassen. Es wäre eine vergebene Chance.
Foto: Jürgen Treiber / pixelio.de