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„Selbstkontrolle reicht nicht": SOS Kinderdörfer kritisieren indische Textilindustrie

Von Reinhold Koehler

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Wenn es um faire Produktionsbedingungen, soziale Beschäftigungsstandards und eine umweltverträgliche, nachhaltige Textilproduktion geht, setzen Regierungen und Unternehmen bislang vor allem auf den Faktor Freiwilligkeit und Eigenkontrolle. Dass dies nicht unbedingt zum gewünschten Erfolg führt, hat sich mittlerweile in vielen Fällen gezeigt – egal ob in China, Bangladesch oder anderen Produktionsländern.

Das Gebot der Selbstkontrolle gilt bei der Textilproduktion auch in Indien, wo die lokale Textilindustrie mit einem freiwilligen Verhaltenskodex gegen Kinderarbeit vorgeht. Dieser beinhaltet beispielsweise ein Verbot von Nachtschichten für Teenager und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Zudem sollen internationale Unternehmen dazu angehalten werden, auf die Einhaltung der Sozialstandards bei ihren Bezugsquellen zu bestehen. Was sich in der Theorie durchaus vernünftig anhört, ist jedoch auch hier längst nicht gängige Praxis. So halten es die SOS-Kinderdörfer für nicht ausreichend, sich auf die freiwilligen Anstrengungen der Unternehmen zu verlassen.

„Das Ausbeutungssystem in indischen Textilfabriken steht für die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, da reicht es nicht, wachsweiche Verhaltensregeln zu formulieren, deren Einhaltung zudem freiwillig ist", so Shubha Murti, Leiterin der Hilfsorganisation für die Region Asien. Ein auf Selbstkontrolle basierender Kodex gleiche einer Kapitulation vor den Unternehmensinteressen auf Kosten der Kinderrechte. Zudem würden die meisten der Forderungen bereits jetzt durch Gesetze abgedeckt, es sei jedoch offensichtlich, dass die Produzenten die Rechte der Kinder dennoch verletzten.

Verhaltenskodex für die gesamte Beschaffungskette gefordert

Es sei schlichtweg nicht akzeptabel, dass Kinder Kleidung herstellten, so die Organisation, die zugleich fordert, dass Waren, die unter Sklavereibedingungen hergestellt worden seien, nicht länger in den Kaufhäusern der westlichen Industrienationen verkauft werden dürften. „Unternehmen, die sich daran nicht hielten, müssen verfolgt und bestraft werden“, so die Aktivistin Murti.

Laut Informationen der SOS Kinderdörfer ist ein beträchtlicher Anteil der indischen Wirtschaft abhängig von Kinderarbeit. Rund 44 Millionen Jungen und Mädchen sollen in verschiedenen Branchen unter Bedingungen schuften, die an Sklaverei erinnern. Unter den Profiteuren des Systems seien zahlreiche Textilhersteller, die allein in 2016 ein Exportvolumen von 40 Milliarden Dollar erwirtschafteten. „Die Kinder müssen bis zu 24 Stunden am Tag schuften und sind einem hohen Druck ausgesetzt. Mädchen und Frauen werden diskriminiert, sexuell belästigt, verdienen weniger als die Männer und haben keine Möglichkeit, sich zu beschweren", so Murti weiter. Dabei trage vor allem auch das indische Kastensystem zur Diskriminierung bei.

Nichtregierungsorganisationen wie SOS fordern nun einen Verhaltenskodex, der die Verhältnisse wirklich ändert. Dieser müsse jedoch sämtliche Zweige mit einbeziehen, auch die kleinen, informellen Betriebe. Allein in indischen Spinnereien und Baumwoll-Farmen arbeiten laut SOS Kinderdörfer fast 500.000 Jungen und Mädchen. Der Kodex müsse zudem für Geschlechter- und soziale Gerechtigkeit sorgen und zwingend Beschwerde- und Schutzmechanismen miteinbauen. „Andernfalls bleibt er ein Papiertiger und wirkungslos", so Murti.

Foto: SOS Kinderdörfer-Vorstand Vyslozil

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