Shanghai Fashion Week: Chinas Showrooms steuern ein internationales Comeback an
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Der chinesische Luxusmarkt musste 2022 einen Rückschlag hinnehmen und beendete damit eine fünfjährige Wachstumsphase in der Region, die mit den Folgen langwieriger Lockdowns und verschärfter Covid-19-Maßnahmen zu kämpfen hatte. Im Jahr 2023 scheint der Sektor jedoch wieder einen Aufwärtstrend zu erleben, da Marken und der Einzelhandel sich erholen und sich sowohl für die heimische als auch für die globale Industrie neu erfinden. Das sagt eine Studie der Unternehmensberatung Bain & Company, die prognostizierte, dass in China bereits vor Ende des ersten Quartals dieses Jahres wieder positive Bedingungen herrschen werden.
Eine Reihe von Veranstaltungen der Modebranche in China unterstreicht diesen Optimismus. Die Marketingagentur Dia Creative Communications gehört ist eine derjenigen, die auf die zunehmende Zuversicht für das laufende Jahr setzen. Das Unternehmen hat die Modesaison erneut mit der Einführung seines Tube- Showroom-Konzepts eingeläutet. Das Projekt wurde erstmals 2015 vorgestellt und soll junge Labels präsentieren und fördern, indem es sie in ein größeres Netzwerk von Marken, Medien und Vertriebskanälen einbettet – im Gegensatz zur traditionellen Funktion eines Showrooms.
Für die Saison Herbst/Winter 2023 stand der alle zwei Jahre stattfindende Showroom unter dem Motto ‚Trek n Trek Inspired Hiking‘, mit dem er junge Designschaffende und die von ihnen präsentierten Geschichten für die kommende Ordersaisonfeiern will. Die Agentur startete ihre 16. Saison zeitgleich mit der Shanghai Fashion Week und eröffnete am 8. April das neue experimentelle Einzelhandelskonzept Dia Underground, in dem 59 Designmarken – davon 38 von der Stange – ihre neuen Kollektionen ausstellen werden.
Die Eröffnung ist eine Reaktion auf die langwierigen Lockdowns in der Region, wie die Dia-Gründerin Zemria Xu gegenüber FashionUnited erklärte: „Die Pandemie muss einen sehr großen Einfluss auf jede Branche gehabt haben, und wegen dieser schwierigen Herausforderung haben wir uns entschlossen, den Sprung zu wagen und die Dia- Underground- Einzelhandelsfläche zu eröffnen, um eine umfassendere Plattform für Designmarken zu schaffen, auf der sie ihre Konzepte und ihre Ästhetik präsentieren können. Außerdem wollen wir Marketingunterstützung und Warentests für unsere Partnerläden anbieten, während wir mit dem Einzelhandel experimentieren.“
Während die Markenauswahl von Dia den Anforderungen des aktuellen chinesischen Konsumklimas entspricht (das der Lokalisierung der Produktion und der Marken einen hohen Stellenwert einräumt – etwas, das durch die Pandemie auch auf globaler Ebene deutlich geworden ist) bleibt der Wunsch, den internationalen Austausch weiter zu stärken, unverkennbar. Daies spiegelt sich in der Auswahl der Marken für die Einzelhandelsfläche wider. Sie wurden laut Xu aufgrund ihrer Fähigkeit ausgewählt, eine unverwechselbare chinesische Ästhetik zu zeigen, um „eine emotionale Resonanz zwischen Verbraucher:innen und Marken für künstlerische und inspirierende Kreationen zu schaffen“ und gleichzeitig der globalen Modeindustrie die Designqualitäten des Landes zu präsentieren.
Eine solche Mission war in der Herangehensweise einiger Marken an ihre Kollektionen zu erkennen. Ihre Designsprache konzentrierte sich auf die Erforschung des kulturellen Erbes Chinas in einer modernen Art und Weise. Während Fabric Qorn Entwürfe mit Humor entwarf, erforschte die Konfektionsmarke Nonsense Official die Einstellungen junger Chines:innen und experimentierte mit kulturellen Bedeutungen. Viele der Marken, die Tube vertritt, nahmen in dieser Saison an der Shanghai Fashion Week teil, die nach drei Jahren erstmals wieder stattfand. Die Modewoche wurde an verschiedenen Orten in der Stadt abgehalten, der zentralste unter ihnen lag im Xintiandi-Bezirk. Sie dauerte zehn Tage und begann am 23. März mit einem Programm von mehr als 70 Labels.
Die Teilnahme an der Modewoche in Shanghai bietet den Teilnehmenden zahlreiche Möglichkeiten, insbesondere eine Plattform zur Präsentation der neuesten Produkte und Konzepte. Xu fügte hinzu: „Als Showroom, der sich der Förderung unabhängiger Labels verschrieben hat, können wir durch die Teilnahme an der Shanghai Fashion Week chinesische Qualitätsmarken besser präsentieren und fördern, mehr Aufmerksamkeit bei in- und ausländischen Einkäufer:innen und Medien, Kanälen für Endkund:innen und Verbraucher:innen erregen und den Marken mehr Absatzmöglichkeiten und Möglichkeiten der geschäftlichen Zusammenarbeit bieten.“ Die Marken, die bei Tube ihre jeweiligen Präsentationen und Showrooms abhielten, unterstützen die lokale Industrie und stärkten gleichzeitig die internationalen Beziehungen in der Modebranche.
Intercontinental: von Kollaborationen zu einer physischen Präsenz
Viele der Marken, die im Rahmen von Tube präsentieren, verfügen bereits über eine eigene internationale Präsenz. Sie haben sich aber dafür entschieden, in diesem Jahr auf der Shanghai Fashion Week zu zeigen, um das Revival des Landes zu unterstützen. Ein wichtiger Teil der Schauen waren daher auch Kollaborationen mit globalen Marken. Für Shie Lyu, die ihre Marke in New York gründete, bevor sie nach China zurückkehrte, manifestierte sich dies in Form einer Partnerschaft mit der britischen Designerin Stella McCartney. Während Lyu ihr Thema ‚Land Mermaids‘ (Landes-Meerjungfrauen) mit von Fischschwänzen inspirierten Details in den Mittelpunkt stellte, stammte ihre Idee, Anzugstoffe zu verwenden, aus ihrer kreativen Zusammenarbeit mit McCartney. Das Duo tauschte Entwürfe aus, die die jeweils andere nach Belieben verändern konnte. Wie McCartney hält sich auch Lyu an das Konzept der Nachhaltigkeit und setzt ihre eigene Zero-Waste-Produktionstechnologie ein. Ihre Werte drückten sich auch durch die Unterstützung des japanischen Unternehmens Ultrasuede aus, einem künstlichen Ersatz für Wildleder, der besonders langlebig ist.
Ein weiteres Unternehmen, das sich für eine Zusammenarbeit mit der Außenwelt entschied, war Staffonly, das für seine Show mit dem Titel ‚Orbit Voyagers‘ eine Partnerschaft mit der amerikanischen Schuhmarke Ugg einging. Für die Show stellte Ugg Modelle aus der Foamo Slide- und der Tasman-Serie zur Verfügung, die die Weltraum-Stimmung, die die Marke vermitteln wollte, noch verstärkten. Das Konzept für die Schuhe entstand in Zusammenarbeit mit dem Industriedesigner Ah Bin. Er hatte ein Konzept entwickelt, das 3D-Drucktechnologie nutzte, um Silhouetten zu produzieren, die der Schwerkraft trotzen. Wie die Schuhe wurde auch der Rest der Kollektion von außerirdischen Welten inspiriert, insbesondere vom Planeten Saturn, was sich in der auffälligen Verwendung von geschlungenen Details und ringförmigen Drucken zeigte.
Währenddessen kehrten andere Marken in ihr Heimatland zurück, nachdem sie sich in den Jahren zuvor aus Shanghai zurückgezogen hatten. Shuting Qiu, die an der Mailänder Modewoche teilnahm, hatte mehrere Monate in Europa gelebt, bevor sie in die Stadt zurückkehrte, um ihre Herbst/Winter 2023-Kollektion zu präsentieren, mit dem Ziel, eine neue Vision zu präsentieren. Ihre Zeit in Europa spiegelte sich in ihrer Inspiration für die Kollektion wider, mit Verweisen auf den tschechischen abstrakten Maler Frantisek Kupka, dessen Werk sich in der Verwendung von Blumenmustern und -drucken zeigte. Nachhaltigkeit und Technologie waren ebenfalls in der Kollektion vertreten. So wurden 60 Prozent der Stoffe aus nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Materialien hergestellt – wie es in einer Mitteilung hieß – und künstliche Intelligenz (KI) wurde in den Designprozess integriert.
Shushu/Tong ist eine weitere Marke, die begonnen hatte, die Gewässer des internationalen Marktes zu testen. Die 2015 gegründete Marke genießt internationales Renommee und hat Einzelhandelsstandorte auf der ganzen Welt, unter anderem in London und New York, beim Dover Street Market und bei Online-Händlern wie Farfetch und MatchesFashion. Das Label wird von Liushu Lei und Yutong Jiang geleitet, die beide nach ihrem Abschluss am London College of Fashion nach China zurückkehrten, um die Marke zu gründen, was auf ihre Absicht hindeutet, ihren Wurzeln treu zu bleiben.
Für diese Saison folgten Shushu/Tong dem Thema ‚Backrooms‘, einer urbanen Legende, die 2019 in einem Online-Forum entstand. Dort posteten Nutzer:innen Bilder von beunruhigenden leeren Räumen, die nur über einen Cheatcode betreten werden konnten, der die Menschen aus der Realität reißt. Um sich diesem Thema zu nähern, untersuchten die Kreativen die Idee der alltäglichen Welt unter einer etablierten Ordnung. Sie entwickelten eine Erzählung über das Gefühl der Uniformität mit Looks, die klare und geometrische Strukturen aufweisen. Während sie scheinbar an klassischen Schnitttechniken festhielten, versuchten sie, die Wahrnehmung zu verändern, indem sie Stoffe und Verzierungen verwendeten, die darauf abzielten, die etablierte Formalität zu dekonstuieren. Verstärkt wurde diese Optik durch die Verwendung von verstreuten Diamanten und Looks, die ein Gefühl der Kontemplation auslösen sollten, wie zum Beispiel ein Kleid ohne Arme.
Mit seinem Portfolio an Marken, die bereits die Aufmerksamkeit internationaler Einzelhändler:innen und Verbraucher:innen auf sich gezogen haben, hofft Dia Communications, diese Strategie auf sein gesamtes Angebot ausweiten zu können. Xu fügte hinzu: „In den letzten Jahren sind auf der Plattform Tube Showroom viele Marken entstanden, die in der internationalen Modeszene aktiv sind und ihre eigenen Einzelhandelsgeschäfte eröffnet haben. Mit dieser Partnerschaft sehen wir auch die Bedeutung von künstlerischem Ausdruck und Kommunikation in Offline-Einzelhandelsräumen. Mit Dia Underground wollen wir es erreichen, dass Menschen eine tiefere Verbindung zu den Marken aufbauen können.”
Zurzeit besteht die Kundschaft des Showrooms hauptsächlich aus Geschäften, die ein gutes Verständnis für Design haben und die Marken in vollem Umfang unterstützen. Ihre Kundschaft hat sich noch nicht auf Endverbraucher:innen ausgeweitet, aber Xu stellte fest, dass das Netzwerk in den letzten Jahren jünger und internationaler geworden ist, was den branchenweiten Wandel weiter vorantreibt. „Das hat uns mehr Vertrauen in die kommerzielle Entwicklung von Designermarken gegeben.”
Dieser Artikel wurde auf FashionUnited.com veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ