Slow-Fashion-Label Couture To Your Door als Gegenpol zum Polyesterwahn

Der Kleiderkauf kann eine stressige Erfahrung sein - online oder im Geschäft - von falschen Größen und unbequemen Materialien bis hin zu Kleidung, die einfach nur langweilig und seelenlos ist. Kein Wunder also, dass maßgeschneiderte Mode, die individuelle Wünsche berücksichtigt, immer beliebter wird. 

Das britische Label Couture To Your Door (CTYD) setzt sich für Slow Fashion ein und macht die Welt des Luxus mit einer zeitlosen und eleganten Kollektion, die individuell und umweltfreundlich ist, für alle zugänglich. FashionUnited sprach mit der CTYD-Gründerin und Designerin Maria Loria per E-Mail über die Anziehungskraft von gut gestalteter Kleidung, die individuell angepasst werden kann und ein Leben lang hält.

Wie ist die Idee zu Couture To Your Door entstanden?

Ich hatte das Gefühl, dass es eine Marktlücke für eine Designerin gibt, die den Weg zu tragbarer Upcycling-Haute-Couture weist, die umweltfreundlicher ist, gut designt und transparent von jemandem hergestellt wird, dem Menschenrechte, Biodiversität und das Klima am Herzen liegen. 

In den letzten zwei Jahren habe ich mit meiner Marke zum Mieten auch aus erster Hand erfahren, wie schwierig es für die Menschen ist, gut geschnittene Mode zu finden, die genau zu ihrer Ästhetik und Körperform passt. Kund:innen probierten ein geliehenes Kleid an, das ihnen gefiel, von dem sie aber wussten, dass der Ausschnitt nicht zu ihnen passte, oder einen wunderschönen Mantel, der ihnen gefiel, aber zu lang war, oder sie wünschten sich, dass das Muster in einer dunkleren Farbpalette wäre, die besser zu ihrem Hautton passt. 

Ich habe selbst auch schon die Erfahrung gemacht, dass mir gebrauchte Kleidung von mittelgroßen und großen Modemarken aufgrund meines ungewöhnlichen Verhältnisses von Taille zu Hüfte nicht passte. Ich wusste, dass, wenn ich diese Probleme habe, es auch vielen anderen Menschen so gehen muss.

Ist Couture To Your Door ein Gegenpol zur Massenproduktion?

Mit der Verlagerung hin zum E-Commerce und zum Re-Commerce war ich besorgt, dass die Kluft zwischen der Online-Bestellung und der Suche nach etwas Passendem immer größer würde. Für mich bedeutet das eine Zukunft mit mehr Massenproduktion, mehr Verpackung, mehr Transportwegen, mehr Rücksendungen und mehr Abfall, der sich ins Unendliche multipliziert! Ich sah voraus, wie sich die Mode zu einem Warenmarkt für Fast Fashion, Marktplätze und Luxuskonglomerate entwickelt, und das machte mich ziemlich traurig. 

Auch die Kleidungsstücke des mittleren Marktsegments sehen für mich allmählich ziemlich gewöhnlich aus, doch die Verkaufspreise liegen im Bereich von Hunderten von Euro. Wenn ich die Etiketten überprüfe, stelle ich fest, dass die meisten Artikel im oberen, mittleren und unteren Preissegment immer noch aus 100 Prozent Polyester oder irgendeiner Form von synthetischen Textilien oder neu produziertem Material bestehen. Die Grenzen zwischen Fast Fashion, mittlerem Marktsegment und Luxuskonfektion sind fließend, und das einzige wirkliche Unterscheidungsmerkmal ist der Herstellungsort des Kleidungsstücks.

Angesichts der großen Menge an alten Baumwoll-, Jacquard- und unerwünschten synthetischen Textilien, die es bereits gibt, frage ich mich, warum die Marken des mittleren und des Luxussegments nicht mit einem soliden Upcycling-, Maß- und Bestellservice für Konfektionskleidung vorangekommen sind und warum sie die vorhandenen Textilien nicht wiederverwenden? Warum verarbeiten sie angesichts ihrer Reichweite und ihrer Ressourcen immer noch neue Baumwolle und recyceltes Polyester, wo doch bereits mehr als genug vorhanden ist, das ohne einen schwierigen und energieaufwendigen Recyclingprozess wiederverwendet werden könnte?

An diesem Punkt habe ich beschlossen, CTYD zu gründen. Ein pret-a-porter-artiges Geschäftsmodell, das darauf ausgerichtet ist, es beim ersten Mal richtig zu machen, mit der Überzeugung, dass Kund:innen, wenn sie etwas bekommen, das genau ihren Anforderungen und Passformen entspricht, das Kleidungsstück immer wieder tragen und schließlich der Massenmode den Rücken kehren werden. 

Sie sind auch Gründerin des Mietservices WearMyWardrobeOut - wie ergänzen sich die beiden Plattformen? Gibt es Überschneidungen in Bezug auf die Kundschaft?  

Ja, in der Tat gibt es viele Überschneidungen. Die Verleihplattform war ursprünglich ein Service für Leute, die Outfits mieten wollten, die nur aus bereits im Umlauf befindlichen Textilien bestehen, die ich repariert und für die Wiederverwendung und den Verleih umgestaltet habe. Mir fiel auf, dass viele Kund:innen ein einzigartiges Kleidungsstück mieten wollten, dass dieses ihnen aber ein wenig zu groß oder zu klein war oder nicht richtig sass. Also bot ich ihnen an, ihr Leihkleid vorübergehend zu ändern, damit sie es bei ihrer Veranstaltung tragen und darin glänzen konnten.

Ich bekam bald Stoffspenden von Stammkund:innen; eine Mischung aus alten Vorhängen und Textilien, so dass ich anfing, upcycelte Kleidungsstücke in einer Mustergröße zu entwerfen, um sie auf WearMyWardrobeOut anzubieten, die vermietet werden konnten. Ich fertigte diese Kleidungsstücke in Größe 38-40 an, weil ich dachte, dass ich sie, wenn sie nicht vermietet werden, immer noch selbst tragen könnte und sie nicht weggeworfen werden würden. 

Dann begannen Kund:innen mich zu bitten, ihnen eine Maßanfertigung in einem meiner Upcycling-Designs anzufertigen, jedoch in einem anderen Stoff oder Muster. Das brachte mich dazu, auf der Verleihplattform eine maßgeschneiderte Kollektion vorzustellen. Aber das war umständlich und verwirrend für die Leute, da sie nicht in ihrer gewohnten Online-Klickmethode einkaufen konnten. 

Also entwickelte ich eine neue Plattform, um die durchgehende Anpassung auf CTYD zu ermöglichen, auf die alle weltweit zugreifen können. Mit dem übergreifenden Anliegen von kreislauffähiger und Zero-Waste-Mode - sei es durch das Mieten oder von der Stange, das Umgestalten bestehender Kleidungsstücke durch Änderungen oder das Bestellen von upcycelter Haute-Couture-Maßanfertigungen - wollte ich diejenige sein, die upcycelte Haute Couture zirkulär online anbietet.

CTYD ist Slow Fashion mit einer schnellen Lieferzeit. Die Kleidungsstücke werden in Großbritannien innerhalb von sieben Tagen zugeschnitten und hergestellt und am nächsten Werktag versandt - können Sie uns erklären, wie dieser Prozess funktioniert? Wie schaffen Sie es, so schnell zu liefern?  

Ich habe bewusst darauf verzichtet, Trend- oder ausgefallene Designs zu entwerfen, so dass die CTYD-Kollektion auf Statement-Designs mit weniger Schnittteilen und geringerer Komplexität optimiert ist. Das macht die Kleidungsstücke nicht nur tragbarer, sondern erleichtert auch das Zerlegen und Umgestalten in späteren Phasen. Die von mir entworfenen Designs sind so gestaltet, dass sie die Bereiche kaschieren und berücksichtigen, die von meinen Verleih- und Änderungskund:innen als problematisch empfunden werden.

Die siebentägige Bearbeitungszeit ist möglich, weil sie von Anfang an auf der Entwicklung eines guten Designs beruht. Viele Artikel, die an Einzelhändler:innen zurückgeschickt werden oder auf der Mülldeponie oder Wiederverkaufsseiten landen, sind darauf zurückzuführen, dass die ursprünglichen Entwürfe grundlegend fehlerhaft sind, oder dass der falsche Stoff für die Produktion ausgewählt wurde, oder dass eine komplizierte oder modische Ausführung nicht zu vielen Menschen oder bestimmten Körperformen passt.

Mit einem gut durchdachten Satz von Schnittmustern, die in einer Basisgröße von 36 bis 46 geschnitten sind, kann ich zwei bis drei Maße mit Leichtigkeit für Endkund:innen anpassen. Der Austausch von Ausschnitten, Ärmeln, Längen und Basiskomponenten zwischen Schnittmustern und Designs ist einfach eine clevere Art, als Designerin zu arbeiten. Das Hinzufügen von weniger aufwändigen Verarbeitungen, wie zum Beispiel als Option ein Futter, Schleifen in Sondergröße und Ungesäumtes, verleihen jedem Entwurf eine natürliche Authentizität, ohne dabei unnötig kompliziert zu sein.

Der Zeitaufwand ist bereits in der Entwurfsphase entstanden, was bedeutet, dass ich innerhalb von sieben Tagen ein Grundmuster anpassen, den Stoff zuschneiden und das Kleidungsstück nähen kann, ohne den Prozess zu überfordern. Ich habe das Glück, eine autodidaktische Designerin zu sein und den gesamten Prozess selbst durchführen zu können. Das macht mich flexibler und weniger abhängig von der Lieferkette Dritter oder einer unnötigen Komplexität in der Lieferkette. Ich wähle alle Textilien selbst aus, reinige sie und repariere sie, weil ich weiß, welche Textilien zu welchem Design passen.

Ich habe nicht vor, Hunderte von Designs zu haben oder den Saisonen zu folgen. In seiner weiteren Entwicklung wird CTYD einen „Revolving Fashion-Service anbieten, der es Kund:innen ermöglicht, Teile ihres Kleidungsstücks im Laufe seines Lebenszyklus auszutauschen. Dies bedeutet letztendlich weniger Textilabfall, weniger Kosten für die Kund:innen und die Schaffung einer Ganzjahresgarderobe, bei der sie Passepartouts, Ärmel, Kragen, Schleifen und mehr austauschen können, um ein Basisdesign immer wieder neu zu erfinden. Die Gesamtbetriebskosten sind bei diesem Designansatz niedriger als beim Kauf von 20 Kleidungsstücken und einem mittleren Preisniveau pro Jahr.

Wenn CTYD an seine Kapazitäten stösst, werden meine Mutter und meine Nichte die arbeitsreichen Zeiten unterstützen. Wir sind eine Familie von autodidaktischen Kreativen.

Wie war der bisherige Zuspruch, was sind einige der beliebtesten Entwürfe?

Resonanz und Zuspruch sind unglaublich, wobei Kleider mit tiefem Ausschnitt, langem Rock und Schleifenabschluss am beliebtesten sind. Die Rückmeldungen zeigen, dass die Kleider sehr edel aussehen und dass man sich in ihnen aufgrund der Passform, des Schnitts und des strukturierten Stoffs sehr wohl fühlt. 

Die Kund:innen waren überrascht zu erfahren, dass sie für jedes CTYD-Design auch ihren eigenen Stoff verwenden können, wodurch noch mehr Hindernisse für eine Kundin beseitigt werden, genau das zu bekommen, was sie tragen möchte. Viele Menschen haben bereits Textilien, Baumwolllaken, wunderschöne, aber veraltete Vorhänge und Vintage-Stoffe zu Hause oder in Secondhand-Läden gefunden, die sie selbst ausgesucht haben, aber bis jetzt keine Möglichkeit gefunden, etwas zum Anziehen zu bekommen und online darauf zuzugreifen.

Woher beziehen Sie Ihre Stoffe?

Es ist ein kompletter Mix aus Spenden von Leuten durch Mundpropaganda und aus Restbeständen, wobei die meisten von mir auf Secondhand-Märkten, Secondhand-Seiten von Verbaucher:innen und Vintage-Märkten ausgesucht werden. Alle Stoffe stammen aus Großbritannien.

Eine damit zusammenhängende Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, wenn keiner der Vintage-Muster einer Kundin zusagt; kann sie ein Muster/Material vorschlagen? 

Kund:innen können ihr eigenes Material zur Verfügung stellen und es direkt in unser Atelier liefern lassen. Nicht alle möchten einen ausgefallenen Blumendruck oder einen gefütterten Jacquard-Mantel. Ich schätze es, dass alle ihre eigene Ästhetik haben. Außerdem möchte ich die Menschen dazu ermutigen, bereits vorhandene Textilien für Upcyclingzwecke zu verwenden. Kund:innen können dies online selbst tun, indem sie an der Kasse die Option „Ich möchte mein eigenes Material zur Verfügung stellen“ wählen. Wenn sich Kund:innen dafür entscheiden, gibt es einige nicht verhandelbare Punkte, wie zum Beispiel, dass ich unter keinen Umständen neues 100-prozentiges Polyester akzeptiere und Kund:innen bitte, kein anderes neues synthetisches Material zu schicken. 

CTYD-Kleidungsstücke sind für Vintage-Baumwolle, Leinen, Bio-Textilien, Vintage-Polycotton und Jacquard-Textilien konzipiert. Ich weise Kund:innen darauf hin, dass sie mindestens 3,5 Meter Stoff für Kleider benötigen. Sobald sie einen Designauftrag erteilt haben, setze ich mich mit ihnen in Verbindung, um die genaue Größe des Stoffes zu bestätigen, der für das gewählte Design benötigt wird. Die 3,5 Meter geben ihnen einen Anhaltspunkt für die Preisgestaltung, wenn sie Bio-Stoff von einem Einzelhändler oder aus zweiter Hand kaufen. 

Was steht als Nächstes bei CTYD geplant?

Die nächste Phase wäre die Integration einer auf künstlicher Intelligenz beruhenden Maß-App. Kund:innen können zwei Fotos mit ihrem Smartphone machen, die bis zu 20 virtuelle Maße liefern, sodass man sich nicht mehr manuell messen muss. 

In den nächsten acht Wochen werde ich die endgültige Kollektion auf die Plattform hochladen, um die Capsule Collection zu vervollständigen, und während CTYD einen Kund:innenstamm aufbaut, werde ich eine kleine Avantgarde-Kollektion „von der Stange“ anbieten. Dabei handelt es sich um einmalige Laufsteg-Kleidungsstücke, die ich von Hand upgecycelt habe und zum Verkauf anbieten werde. Der Traum wäre eine LFW-Kooperation mit einer gleichgesinnten, zirkulären Partnermarke.

Wird sich Ihrer Meinung nach Slow Fashion durchsetzen, vielleicht sogar Fast Fashion und kommerziellere Ansätze verdrängen?

Irgendwann wird billige Mode so untragbar werden, dass die Menschen nach einem besseren und einzigartigeren Modeerlebnis suchen werden als nach einem transaktionalen. Die Menschen werden sich immer mehr Sorgen um den Klimawandel machen, wenn die großen Klimaereignisse immer näher an ihr Zuhause heranrücken. Dies wird die Menschen dazu veranlassen, ihren Konsum zu überdenken und zu verlangsamen. Vielleicht fühlen sich einige von ihnen durch das Greenwashing und die Nachlässigkeit betrogen, die einige ihrer einst „vertrauten“ Marken beim Klimaschutz an den Tag gelegt haben. 

Ich denke, dass der traditionelle Weg der Modedesigner:innen und bestehende Einzelhandelsmodelle abnehmen und der Re-Commerce von technologiegesteuerten Marktplätzen und Apps überschwemmt werden wird. Ein Warenmarkt aus Polyester, der Wiederverkauf von luxuriösen „Logo“-Supermarken und synthetischen Stoffen, die ihren Weg über eine Vielzahl verschiedener Wiederverkaufsplattformen finden. Die Menschen werden irgendwann müde und suchen nach reichhaltigeren und weniger transaktionalen Möglichkeiten, Mode zu konsumieren. Eine, die erfüllender und transparenter ist und die ihnen letztlich authentische, tragbare Modeleistungen bietet, die sich an ihre laufenden Bedürfnisse anpassen lassen.

Fast-Fashion-Marken wie Zara und H&M dringen bereits leise in den Luxusbereich vor, indem sie mehr Kollaborationen mit bekannten Couture-Designer:innen fördern und Investitionen in Biodiversitätsinitiativen mit Unternehmen wie Kering zusagen. Ich denke, die ultraschnellen Modemarken wissen, dass ihr kommerzieller Ansatz „pile it high, sell it cheap“ überholt ist und dass die Influencer-Kultur sich wiederholt und Verbraucher:innen nicht mehr überzeugen kann.

Als verantwortungsbewusste Designerin muss Wegwerfmode ein besonders schmerzhaftes Phänomen für Sie sein, da jedes Kleidungsstück Ressourcen, Energie und Kreativität erfordert. Wenn Sie die Verbraucher:innen aufklären könnten, was würden Sie ihnen sagen? 

Es verblüfft mich, dass die Menschen sich immer noch nicht bewusst sind, welche irreversiblen Auswirkungen ihre Konsumgewohnheiten auf unseren Planeten haben. Wenn ich die Verbraucher:innen aufklären wollte, würde ich sie bitten, sich auf YouTube anzusehen, wie Polyester und synthetische Fasern hergestellt werden. Nur wenn die Menschen diesen intensiven Herstellungsprozess mit eigenen Augen sehen, werden sie begreifen, wie schädlich der Prozess in allen Phasen ist, um auch nur ein einziges Garn für ihre Kleidung zu produzieren, und zwar noch bevor die Textilien in die Hände der Näherinnen gelangen.