Sneaker-Experte: Der Trend geht zum Nicht-Trend
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Amadeus Thüner zählt zu den bekanntesten Sneaker-Expert:innen in Deutschland, schließlich ist er auch schon fast 20 Jahre im ‘Game’. Für FashionUnited gibt er einen Ausblick auf die kommenden Trends, verrät seine Wunschkollaboration und beweist, dass “Sneakerheads” nicht nur Turnschuhe im Schrank haben müssen.
Als Gründer von Oh! Sneaker Media – eine Plattform mit Podcast für Sneaker, Streetwear und Lifestyle – wirft Thüner regelmäßig einen Blick auf die neuesten Trends, Modelle und Entwicklungen in der Branche. Außerdem unterstützt der selbsternannte ‘Subculture Connaisseur’, wie es auf seiner Visitenkarte steht, mit der Unternehmensberatung ‘Studio Highfivesandstagedives’ Marken im Bereich Cultural Marketing.
Die kalte Jahreszeit wurde eingeläutet und damit wechselt auch das Wetter. Welcher Sneaker ist Ihre aktuelle Nummer eins für diese Periode?
Alles, was Vollleder ist, weil es sich besser reinigen lässt. Da ist es nicht schlimm, wenn es mal ein bisschen schmutzig oder nass wird. Außerdem kannst du es gut vorbereiten, imprägnieren et cetera. Wenn die Pfützen mal doch ein bisschen tiefer sind, dann ist sicherlich auch ein Hightop eine gute Idee.
Eine gelernte Wahl der letzten Jahre ist bei sowas immer ein ‘Jordan 1’ oder ‘Nike Dunk High’. Aber eigentlich haben auch alle anderen Marken High Tops im Portfolio. Selbst New Balance, die ja normalerweise eher im Running-Bereich unterwegs sind, haben da ein bisschen was.
Und unabhängig vom Wetter?
Das Schöne ist eigentlich, dass wir aktuell bei allen Marken Modelle haben, mit denen man wunderbare Dinge machen kann. Ganz persönlich bin ich einfach schon seit Jahrzehnten ein großer ‘Nike SB Dunk’-Fan. Bei der Skateboarding-Sparte passiert echt noch einiges. Gerade nach Olympia gab es viele Modelle, die für Paris gedacht waren. Außerdem begeistert mich auch die gesamte 990-Reihe von New Balance, egal ob 991, 992…Ich bin auch weiterhin “Jordan”-Träger. Auch wenn das für viele Leute ein bisschen langweilig geworden ist, macht einen Klassiker nichts kaputt.
Gibt es einen Sneaker, der bei Ihnen Langeweile auslöst?
Den Adidas Samba habe ich zum einen in meiner Jugend ganz viel gesehen und natürlich jetzt zuletzt auch. Auch die Adidas Gazelle, der Handball Spezial und alle Cord-Silhouetten von Adidas machen den Schuh nicht schlecht, aber das ist etwas, was ich jetzt genug gesehen habe. Ich freue mich auch wieder darauf, ein bisschen was anderes zu sehen.
Was wäre das bei Adidas?
Also Adidas hat natürlich eine große und breite Heritage in allen möglichen Sportarten. Dementsprechend gibt es da hundertprozentig irgendwas im Archiv, was schlummert und cool wäre, wieder zu sehen. Es ist auch durchaus gut, dass sie diesen Run gehabt haben mit den Cord-Silhouetten, aber die habe ich einfach satt gesehen.
Adidas könnte alles rund um ZX wieder verstärkter spielen. Es wäre schön, wenn das wieder ein bisschen stärker aufgegriffen werden würde. Hat mich ehrlicherweise auch ein bisschen gewundert, warum sie das nicht im Rahmen der Europameisterschaft im Fußball gemacht haben. Aber da war der Fokus eher auf dem Samba. Aber ansonsten hat Adidas ganz, ganz viele schöne Sachen. Jetzt bringen sie gerade wieder ein bisschen Basketball-Heritage zurück.
Welche Trends sehen Sie insgesamt gerade in der Sneakerwelt?
Der Trend geht zum Nicht-Trend und das ist eigentlich ganz geil. Damit möchte ich nicht sagen, dass natürlich gewisse Modelle auch in Kollaborationen mal ein ganz kurzes Momentum haben und einen Hype haben können. Aber vielmehr müssen wir nicht nur Swoosh, Adidas Three Stripes oder nur New Balance tragen.
Einfach alles geht und wir können alles tragen. Jede Marke gibt sich durchaus mal mehr, mal weniger Mühe. Du findest Modelle, Kollaboration und spannende Colorways. Ob du jetzt heute halt eben mit den großen Nike, Adidas, Puma, New Balance, meinetwegen auch Skechers rumrennst oder halt dir was von Hookah, Salomon, Diadora, Saucony oder anderen Brands aussuchst – alles geht. Das spielt dem Individualismus in die Karten. Und das ist auch eigentlich das, was die Sneaker-Culture ausgezeichnet hat: etwas zu tragen, was nicht alle tragen.
In der Streetwear-Szene gab es einen Wandel, bei dem auch Schuhe abseits des Sneakers beliebter wurden. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Gerade in Deutschland muss es immer irgendwie eine Gegenbewegung sein. Es ist negativ konnotiert, was ich total schade finde. Du kannst einen Sneaker, Loafer oder einen krassen Boot im Schrank haben, worauf auch immer du Bock hast, und musst dich deswegen nicht irgendwie zwangsläufig von irgendwas abgrenzen.
Ich habe selbst Clarks Wallabees stehen und auch Boots, wenn es wirklich mal schneien sollte. Bin ich deswegen weniger Sneakerhead oder ist jemand, der Loafer trägt, automatisch ein Sneakerhead, wenn er sich einen Sneaker kauft?
Ist eine Sneaker-Sättigung der Grund?
Natürlich war der Sneaker lange sehr omnipräsent, weswegen die Leute sich aus verschiedenen Gründen entschieden haben, auch mal was anderes zu tragen. Timberland ist im vergangenen Winter mit den Boots wieder sehr angesagt gewesen. Das waren sie früher auch immer schon.
Für die neue Generation, die jetzt anfängt, sich mit Mode zu beschäftigen, ist das dann frisch und neu. Wir haben das dann schon gesehen und das ist auch okay. Es zeigt, wie Timberland oder Clarks für Brands sind, die Leute immer wieder neu begeistern können.
Wie unterscheiden sich die Generationen?
Sie werden mittlerweile anders kombiniert. Die Art und Weise, wie man Loafer aktuell trägt, ist ja nochmal anders, als es gedacht war. Der ursprüngliche Casual-Schuh hat bereits in den 90ern Einzug in ein von Hip-Hop geprägtes Klientel gefunden, was heute zulässt, den Schuh eher im Streetwear-Bereich zu kombinieren. Genauso wie der Turnschuh ja auch für den Hallenboden war und heute auf der Straße getragen wird.
Sicherlich hat auch ein Maß an sommerlichem "Saint Tropez"-Chic dazu beigetragen, dass es nicht immer die Leinenhose sein muss, die zum Gucci Loafer addiert werden kann.
Welche Sneaker-Marken sind Ihr Geheimtipp?
Es gibt Marken, die eigentlich immer noch eine ziemliche Größenordnung haben, aber aufgrund der eigenen Heritage nicht so bekannt sind. Mizuno ist in Asien riesengroß. Die trägt da gefühlt jede:r und ist mit Sportarten wie Volleyball und Tischtennis vertreten. In Deutschland sind die noch nicht so bekannt. Ich bin aber definitiv ein Fan.
Saucony macht gerade Moves, die New Balance vor einigen Jahren gemacht hat. Sie setzen auf ausgewählte Partner:innen mit Nischen-Following, statt die größten Kollaborationspartner:innen. Das funktioniert auf eine sehr organische Art und Weise.
Vans ist zwar auch keine kleine Marke, aber mit dem Bestreben, wieder “back to the roots” (dt. zurück zu den Wurzeln) gehen zu wollen, haben sie sich einen großen Gefallen getan. Nur nichts, was ich unbedingt im Herbst oder im Winter anziehen würde.
Ansonsten ist es total spannend, zu sehen, was bei Merrell passiert, eine Brand die noch nicht riesengroß ist. Marken wie Flowers for Society, die ja auch nicht zum Mainstream gehören, haben sich auch eine gute Community gebaut. Die pushen und machen aktuell viel. Eine großartige Bereicherung!
Welche Sneaker-Collab hat Sie dieses Jahr umgehauen?
Patta und Nike sind immer eine sichere Sache. Gerade auch, dass sie den Schuh nach 15 Jahren zum 20. Jubiläum zurückbringen. Es ist zwar nichts Neues, aber viele kamen damals nicht an das Modell ran, waren noch nicht aktiv und konnten es jetzt miterleben.
Außerdem fand ich gut, was A Ma Maniére mit Nikes Jordan-Brand gemacht hat, sowie die Zusammenarbeit mit Aimé Leon Dore (ALD). Viele Leute finden es langweilig, weil es durchaus auch das ist, was sie vorher gemacht haben, aber “never change a winning Team” (dt. Verändere niemals ein siegreiches Team). Ansonsten hat Nike SB sehr viele spannende Dinge gemacht, wie das Modell zu Ehren des legendären Graffiti-Writers Futura 2000.
Von welcher Zusammenarbeit träumen Sie?
Palace und Nike SB. Es gibt aber das Gerücht, dass, solange Nike mit Supreme arbeitet, Palace es nicht tut. Von daher werden wir wahrscheinlich noch ein bisschen warten müssen.
Sind Kollaborationen überhaupt noch etwas besonderes?
Die Taktung ist größer geworden und wir sehen viele Collabs, aber auch weil sie funktionieren. Ich sage immer: Eins und eins ergibt drei, dann ist es eine gute Collab. Was ich damit meine ist, wenn man die beiden jeweiligen Zielgruppen zusammenführt, was Neues kreieren kann und wenn das was Kreatives ist, das auf Augenhöhe passiert, dann ist das klasse.
Da trennt sich dann aber auch die Spreu vom Weizen. Wenn nur zwei Logos aneinander geklatscht wurden, ist es nicht spannend. Nur Storytelling kann ein Produkt mit Emotionen aufladen und eine:n an das Produkt oder die jeweilige Marke binden.
Welche Story hat Sie emotional überzeugt?
James Whitner, der Mann hinter A Ma Maniére, hat eine gute Story geliefert und Eindrücke in die ‘Black Culture’, auch ‘Black Female Culture’ gegeben. Ich bin weder eine ‘Person of Colour’ noch eine Frau, aber entdecke durch die Geschichte, die er mir erzählt. Er setzt dabei einen Fokus auf Chicago. ‘Black Culture’ sieht andernorts vielleicht ganz anders aus, dennoch ist es total spannend, darüber mehr zu erfahren und so eine Geschichte zu entdecken. Darum sollte es doch auch gehen, sich gegenseitig Dinge zu zeigen.
Wo gehen Sie auf die Jagd nach neuen Modellen?
Gerade Deutschland hat viele sehr gute Stores, auch europaweit müssen wir uns im internationalen Vergleich nicht verstecken. Ich habe Liebe für alle.
Welche Rolle spielen nachhaltige Sneaker-Brands?
Ich habe den Eindruck, dass die Corona-Zeit den Fokus nochmal verändert hat. Sie hat die Sustainability nicht abgelöst, es gab aber auch einfach andere Probleme. Das soll nicht davon ablenken, dass Nachhaltigkeit ein sehr wichtiger Faktor ist. Wir, in dieser Modebranche, – egal ob Sneaker oder andere Bereiche – sind einfach mit die unnachhaltigsten Konsument:innen überhaupt. Da muss sich einiges tun in der gesamten Mode, von der Marke bis zu Konsument:innen.
Im Bereich Sneakers gibt es natürlich auch viele Bestrebungen und Momente, in denen das ganz gut geklappt hat oder auch zumindest schon mal ein Anstoß war. Allerdings könnte ich jetzt keine Brand nennen, von der ich so überzeugt war und der Meinung bin, dass diese zukunftsbedingt nochmal interessant sein könnte. Vieles ist auch einfach nur projektbasiert und das ist auch gut, aber darüber hinaus ist für mich zumindest noch nicht das passiert, was vielleicht passieren sollte.
Einige Marken stellen das Thema aber auch komplett in den Mittelpunkt…
Natürlich gibt es Brands, die sehr auf diesen Nachhaltigkeitsaspekt gehen, aber mir fehlt da persönlich der Zugang. Außerdem spielt bei vielen auch die fehlende Langlebigkeit eine Rolle. Die genutzten Materialien ermöglichen es meist nicht, dass der Schuh für einen gewissen Zeitraum funktioniert. Natürlich hat auch ein Nike-Schuh nach 20 Jahren Probleme mit Klebern und anderen Materialien. Dennoch gibt es für mich aktuell keine gute Alternative und keine Brand, die ‘top-notch’ ist.
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