SS24: Rebellion und Klassiker sind die Trends
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Was bringt die Mode im Sommer 2024? Trendforscherin Hilde Francq beleuchtete diese und andere Fragen während ihres halbjährlich stattfindenden Farbtrend-Webinars, das FashionUnited hier zusammenfasst.
Wie immer basiert Francq ihre Vorhersagen auf vier gesellschaftliche Trends, die heute den Ton angeben. Jedes dieser Elemente beeinflusst auf seine Weise die visuellen Trends der Zukunft. Diesmal, so erklärt Francq zu Beginn ihres Vortrags, kann jeder dieser Trends als Bewältigungsmechanismus von Menschen verstanden werden, die in einer schwierigen Realität leben. Schließlich sind die Energiekrise, die Klimakrise und auch die Gesundheitskrise Teil des täglichen Lebens. Die Spannungen werden immer klarer und das Vertrauen in etablierte Systeme schwindet. Ein übergreifendes Bedürfnis nach Veränderung und Eskapismus prägt also die Sommersaison 2024.
Die Dinge selbst in die Hand nehmen
Ein blindes Vertrauen in etablierte Systeme ist daher heute selten. Stattdessen nehmen immer mehr Menschen die Zügel selbst in die Hand, um die Welt zu verbessern. Der Glaube, dass alles möglich sei, ist dabei von zentraler Bedeutung. Bei dem Thema ‚Revolte‘ geht es darum, sich gegen bestehende Systeme aufzulehnen, oder besser gesagt, gegen alles, was nicht zu nachhaltigen Lösungen beiträgt. Ein solches Verhalten wird auch von Marken erwartet. ‚Purpose Branding‘ ist ein Muss und Taten sprechen hier mehr als Worte: sie werden erwartet. Francq verweist beispielsweise auf das britische Luxuskaufhaus Selfridges, bei dem nach eigenen Angaben bis 2030 die Hälfte aller Angebote unter die Kategorien Resale, Reparatur oder Vermietung fallen soll.
Die Sehnsucht nach dieser ‚Revolte‘ übersetzt sich visuell in eine neue Version von Tarnfarben, die eng mit Erdtönen verwoben sind. Hier finden sich Hinweise auf Nachhaltigkeit und Revolution. Sandfarben, Brauntöne, Zimt und Militärblau stehen im Mittelpunkt. Rot ist eine weitere Akzentfarbe, die aufgrund ihres revolutionären Charakters von Bedeutung ist. Batiktechniken kommen in erdigen Tönen mit pflanzlichen Färbetechniken zum Einsatz. Linien, die an elektrische Kabel erinnern, werden so verwendet, dass Struktur entsteht. Eine Used-Ästhetik mit absichtlich unfertigen Elementen übersetzt die Lösungen ‚Wiederverwendetes‘ und ‚Repariertes‘ und verleiht dem Trend einen rebellischen Look. Die Rückkehr zu nachhaltigeren vorindustriellen Techniken führt zu unpolierten Oberflächen. Funktionalität und Komfort stehen dabei im Mittelpunkt.
Mond out, Sonne in
Während sich vor einigen Jahren das Bedürfnis nach Sinn, Frieden und Spiritualität noch in einem visuellen Fokus auf den Mond äußerte, hat sich das Interesse nun auf den Optimismus der Sonne verlagert. Die Sehnsucht nach ‚Licht am Ende des Tunnels‘ übersetzt sich in warme, optimistische Farben und glänzende Oberflächen.
Beim Spiel mit Licht, Schatten und Farbverläufen wird mit Orange und Gelb gespielt. Aber auch die kühleren Blau- und Violetttöne, die wir bereits im Mond-Thema beobachten konnten, bleiben relevant, allerdings diesmal im Zusammenspiel mit warmen Farben. Die Kombination von Rosa oder Lila mit Blau spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Betonung der Genderlessness. Auch Gold ist von Bedeutung, vor allem in Kombination mit der glänzenden und feinen Textur von Seide oder in Form von Perlen und Pailletten. Digital gedruckte Farbabstufungen erinnern an den Verlauf des Sonnenuntergangs.
‚Fake‘ ist kein Schimpfwort mehr
Der Begriff ‚Fake‘ ist nicht mehr negativ besetzt. Im Gegenteil, der Mehrwert davon wird zunehmend anerkannt. Die Digitalisierung steht im Mittelpunkt dieser Entwicklung. Die Grenze zwischen dem, was echt und was unecht ist, wird immer unklarer und es scheint eine bessere Option zu sein, sie zu akzeptieren, als sie zu bekämpfen. Seltsame Silhouetten scheinen ungewollt in Photoshop verzerrt und verweisen auf die digitale Welt. Neue Materialien erzeugen surreale und optische Effekte. Das Pixel-Top und der Pullover von Loewe zum Beispiel erregten viel Aufmerksamkeit, und bei der Show von Bottega Veneta sah man etwas, das wie eine Jeans und ein Flanellhemd aussah, in Wirklichkeit aber aus Leder gefertigt wurde.
Die jüngeren Generationen sind laut Francq offener gegenüber leuchtenden, gesättigten Farben geworden, was vor allem der Gaming-Industrie zu verdanken ist. Kräftigere Farben sind also nicht mehr nur etwas für Mutige im Jahr 2024. Sie werden auch in traditionellen Kontexten Platz finden. So werden beispielsweise Grasgrün, Fuchsia und Giftgelb vor allem bei Menschen in ihren Zwanzigern und Dreißigern an Bedeutung gewinnen. Eine neue Art von Pastellpalette, bei der sozusagen ein Schleier über den hellen Farben liegt, wird ebenfalls verwendet, mitunter auch mit einem Zusatz von Glanz oder einem metallischen Finish. Eine pastellfarbene Version von Limettengrün aus den Neunzigern feiert ein Comeback.
Rückbesinnung auf Klassiker
Es ist ein bekanntes Phänomen, dass sich die Menschen in turbulenten Zeiten auf die Sicherheit der Vergangenheit zurückbesinnen. In einer Finanzkrise ist es klug, in Sicherheiten und Produkte zu investieren, die Bestand haben. Daher wird auf die Art und Weise verwiesen, in der Luxus vor Hunderten von Jahren durch die Romantisierung der römischen Zeit und klassische Werte des Modedesigns definiert wurde. Eleganz und Luxus stehen im Mittelpunkt und werden durch Schneiderkunst, Raffinesse und Qualität erreicht. Die Zurschaustellung großer Logos ist nicht mehr erwünscht: Der wahre Luxus liegt in der Verarbeitung und im Detail. Auch in der Farblandschaft gibt es eine Rückkehr zu den Klassikern.
Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.nl veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ