Sustalytics geht Überproduktion mit Trenddaten an
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Wäre es nicht wundervoll, wenn Modemarken nur noch Bestseller produzieren und sich von Produkten trennen oder solche gar nicht erst produzieren könnten, die in den Regalen liegen bleiben? Wie viele Ressourcen, Anstrengungen und Arbeitsstunden könnten auf diese Weise eingespart werden? Das Problem sind natürlich die Daten. Keine Marke hat eine Kristallkugel, mit der sie genau vorhersagen kann, was sich in der nächsten Saison oder auf lange Sicht verkaufen wird.
Hier kommt die Serviceplattform Sustalytics ins Spiel, die es Marken und Einzelhandel ermöglicht, Produkte zu testen, bevor sie produziert werden. Die 2018 gegründete Plattform ist stolz darauf, Bestseller vorhersagen zu können. Statt auf Magie verlässt sich dabei auf Daten. FashionUnited wollte mehr wissen und sprach mit Sustalytics-Gründerin und Fashion Insights-Direktorin Julie Evans, die zudem eine ehemaligen Inditex-Mitarbeiterin ist, sowie mit Sabine Henshall vom Marketing Communications Team über den Ansatz von Sustalytics und die Ergebnisse auf Marken- und Einzelhandelsseite.
Julie, wie genau funktioniert Sustalytics?
Sustalytics setzt visuelle Technologie ein, um globalen Marken und Einzelhandelsunternehmen dabei zu helfen, die Vorlieben der Verbrauchenden zu verstehen, bevor sie Produktentscheidungen treffen, um unnötige Überproduktion zu vermeiden. Wir versetzen Modemarken in die Lage, weniger zu verschwenden und mehr zu verdienen, indem wir vorhersagen, was ihre Zielgruppe will.
Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Verschwendung und Überproduktion sind große Probleme der Branche.
Ja, in über 13 Jahren im Einzelhandel und durch meine Erfahrung als Leiterin von Einkauf und Design bei der Inditex-Gruppe, Zara und Bershka, wo ich für ein Jahresbudget von 300 Millionen Euro und verschiedene Bekleidungslinien verantwortlich war, habe ich aus erster Hand erfahren, wie verschwenderisch die Modebranche sein kann. Ich habe Sustalytics mit dem Wissen gegründet, dass ein Drittel der gesamten Produktion auf dem Müll landet. Wenn man bedenkt, dass für die Herstellung eines T-Shirts rund 2.650 Liter Wasser benötigt werden, kommt man schnell auf eine geschätzte Verschwendung von 350 Milliarden Euro pro Jahr.
Das sind erschreckende Zahlen. Ist Fast Fashion daran schuld?
Fast Fashion muss aufhören, kein Zweifel, aber es ist eine ganze Industrie, die sich ändern muss. Ein Problem ist die Überproduktion, weil wir nicht wissen, was Verbrauchende wollen. Wir gehen von einem Drittel aus, aber das ist wahrscheinlich noch zu optimistisch. Mit Sustalytics möchte ich allen Marken, nicht nur den großen, das Wissen zur Verfügung stellen, was für Verbrauchende die relevanten Modeprodukte sein werden.
Sie helfen also Modeunternehmen, Produkte anhand von Trends zu entwickeln, aber auch ihre bestehenden Produkte zu analysieren?
Ja, kurz gesagt, wir analysieren den Input von Tausenden von Verbraucherinnen und Verbrauchern durch Umfragen und geben dann ein einfaches Ranking für die Marke heraus, das auch für ihre Designer:innen interessant ist. Sie können dann entweder ihr Design ändern oder ihr Lager aufstocken. Und dies kann auch nach Ländern spezifiziert werden.
Auf diese Weise kann eine Marke Produkte herstellen, in die sich Verbrauchende tatsächlich verlieben, und sie kann in Styles investieren, die Geld einbringen. Die Branche spart so Überbestände, aber auch Wasser und CO2-Emissionen.
Könnten Sie erklären, welchen Service Sie den Unternehmen in Bezug auf Trends bieten?
Wir stellen Aktualisierungen und Berichte über vorhergesagte Trends zusammen, zum Beispiel Tie-Dye, Schlüsselfarben, Schlüsselartikel für Activewear und spezifische Artikel wie den Bucket Hat, Biker-Shorts oder die Top-BHs. Wir bewerten, ob der Trend wirklich ein Trend sein wird oder ob es sich nur um einen Hype handelt, damit die Unternehmen entsprechend planen und gestalten können.
Wie finden Sie interessierte Unternehmen oder kommen diese auf Sie zu?
Wir haben unsere eigene Community. Wenn uns also eine Marke nach einer ganz neuen Zielgruppe fragt, zum Beispiel eine bekannte Denimmarke nach Übergrößen, erfährt sie, wie sie ihre Kundschaft ansprechen kann. Wir leiten sie auf die Website der Marke weiter, nehmen aber keine persönlichen Daten auf, alles ist anonym. Wir wenden uns nur für Umfragen an die Kundschaft, geben aber keine Daten an die Marken weiter.
Welche Marken nutzen Sustalytics bereits?
Das ist ein breites Spektrum, von Marken wie Havaianas, Tally Weijl und Arena bis hin zur Kaufhauskette Galeries Lafayette. Durch die korrekte Vorhersage von Bestsellern in neun von zehn Fällen ermöglichte die Methode bei Tally Weijl einen Umsatzzuwachs von mehr als 15 Prozent, und Arena konnte vermeiden, Lagerbestände zu produzieren, die in den Regalen liegenbleiben würden.
Bevor ich Sabine ein paar Fragen stelle, wie würden Sie Sustalytics in Kürze erklären?
Es ist eine Plattform, die mit Hilfe der Datenwissenschaften die Bedürfnisse von Verbrauchenden für Modemarken und Einzelhandelsunternehmen ermittelt und sie dazu anleitet, nur genau das zu produzieren, was ihre Kundschaft auch wünscht. Würden Unternehmen effektiver einkaufen und verkaufen, hätte dies immense positive Auswirkungen auf die Umwelt. Unsere Datenerkenntnisse können helfen, das Design zu verbessern, die Lagerbestände zu optimieren, den Umsatz zu maximieren und den Abfall zu minimieren.
Sabine, als Vertreterin der Generation Z möchte ich Sie fragen, inwiefern Gen-Z-Verbraucher:innen umweltbewusst, aber auch wirtschaftlich orientiert sind?
Gen Z sagt zwar deutlich „Ja“ zur Nachhaltigkeit und kauft Vintage, Secondhand und Ähnliches, hat aber oft das Gefühl, nicht wirklich Teil der Diskussion zu sein, weil sie ein finanzielles Problem haben, das es schwer macht, sich zu beteiligen. Vor allem die jüngeren Mitglieder der Generation Z verdienen noch kein eigenes Geld und haben daher nicht die finanzielle Kraft, viel zu bewirken.
Könnten Sie ein Beispiel nennen?
Laufschuhe zum Beispiel. Sie sind sehr schwer Secondhand zu bekommen und Gen-Z-Verbraucher:innen sind finanziell noch nicht so weit, ein teures Paar Schuhe kaufen zu können, das nachhaltig ist. Hier klafft also eine Lücke, wo Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit aufeinander treffen müssen.
Wie würden Sie empfehlen, Verbrauchende der Generation Z in dieser Hinsicht einzubinden?
Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, umweltfreundlich zu sein. Es gibt auch andere Themen wie Löhne, Gleichberechtigung und so weiter. Generation Z ist sehr offen und digital sehr vernetzt; sie hat diesen Raum bereits für sich erschlossen und das macht sie zur stärksten Gemeinschaft, weil sie sehr engagiert ist. Aber Marken und Einzelhandel geben oft nicht viel Information und Aufklärung in diesen Bereichen heraus. Wenn sie dies täten, wäre das ein Anfang, um die Generation Z anzusprechen und diese Gemeinschaft aufzubauen.