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Vicunha: "Man muss sehr groß sein und scharf arbeiten, um sich behaupten zu können"

Von Simone Preuss

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Mode |INTERVIEW

Die Denim-Produktion ist eine der arbeits- und materialintensivsten Vorgänge der Textil- und Bekleidungsindustrie. Zudem müssen Denim-Hersteller nachhaltig und umweltbewusst produzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, und auch ihren Arbeitern gute Bedingungen bieten.

FashionUnited sprach mit Thomas Dislich, Direktor für Europa und Asien seit 1999 bei Vicunha, dem brasilianischen Denim-Spezialisten mit Sitz in Sao Paolo, über Veränderungen, Herausforderungen und Trends. Ein Produktionsvolumen von 200 Millionen Metern Denim-Stoff (im Jahr 2013) haben den Denim-Riesen an die Spitze der Branche katapultiert. Der Umsatz lag 2014 bei 443 Millionen Euro und der Reingewinn bei 38,5 Millionen Euro.

FashionUnited: Herr Dislich, Sie sind gerade von der B2B-Messe DenimsandJeans in Bangladesch zurückgekehrt. Wie war die Stimmung?

Thomas Dislich: Bangladesch ist sicherlich ein sehr kompliziertes Land. Es gibt immer wieder Erschütterungen und es ist nicht immer leicht, Geschäfte zu machen, aber Bangladesch ist eine Größe für die Textil- und Bekleidungsindustrie, die unumgehbar ist. Obwohl sich die Bedingungen und die Stimmung verbessert haben, könnte es besser sein; es geht langsam voran.

Wie wichtig ist Bangladesch beziehungsweise Asien für Vicunha?

Wir stellen ja ausschließlich Gewebe her und das verkauft man an die Leute, die Hosen machen. Wenn man sich den Jeansmarkt in Europa anschaut, merkt man sehr schnell, dass das Geschäft in Asian passiert. Im Jahr 2014 wurden circa 550 Millionen Hosen (nur Jeans) importiert, von denen China, Bangladesh und Pakista schon allein zwei Drittel kaufen. Ein Großteil der Hosen wird in Asien genäht und Vicunha passt sich entsprechend dem Markt an; wir müssen da sein, wo die Leute den Stoff brauchen.

Wir produzieren unseren Denim-Stoff ausschließlich in Brasilien beziehungsweise in Lateinamerika: Wenn man die Konditionen mit Bangladesch vergleicht, ist Brasilien viel, viel, viel teurer - in etwa so wie die Türkei.

Was nicht heißt, dass wir keine Partnerfabriken in Ländern wie Indien, China und der Türkei haben für den Fall, dass zusätzliche Volumen nötig sind. Zwischen 2004 und 2014 war dies der Fall, aber im Moment brauchen wir diese Zusatzkapazitäten nicht. Wenn wir sie nutzen, sind wir aber konsequent, was die Standards angeht.

Was heißt das konkret?

Persönliche Besuche, "Screenings" und noch mehr Besuche, um sicherzustellen, dass alles ist, wie vorgegeben.

Vicunha verwendet BCI Cotton, also Baumwolle der Better Cotton Initiative, die sich für besser Bedingungen für Arbeiter, Umwelt und Branche einsetzt. Was ist der prozentuale Anteil und wie verteilen sich die Anbaugebiete?

Vicunha verwendet 100 Prozent BCI-Cotton, das ganz aus Brasilien stammt. Hier werden 40-45 Prozent des gesamten BCI-Baumwollertrags erwirtschaftet. Es gibt sehr große und sehr moderne Farmen, insgesamt etwa 40. Dies ist ein großer Unterschied zu Indien oder Pakistan, wo es 20.000 Farmer gibt, die aber pro Betrieb weit weniger herstellen.

Wieviel Baumwolle verbraucht Vicunha pro Jahr?

Vicunha verbraucht 100 Millionen Kilo Baumwolle im Jahr, also über 100.000 Tonnen, was 6 Prozent der gesamten brasilianischen Baumwolle entspricht beziehungsweise 4 Prozent des gesamten weltweiten BCI-Outputs.

Das ist beachtlich. Wie garantieren Sie, dass die Baumwolle der Qualität entspricht, die Sie brauchen und dass sie so angebaut wird, wie Sie wollen?

Wir haben eine sehr strikte Firmenkultur und sind 100 Prozent vertikal: Spinnen und Weben geschieht alles in-house und wir unterziehen der Baumwolle, die wir verwenden, strengen Kontrollen. Abgesehen vom Technischen kontrollieren wir auch sehr genau, unter welchen menschlichen Bedingungen sie angebaut wird. Es gibt zahlreiche soziale Vorgaben und das brasilianische Gesetz ist sehr streng.

Und wie sieht es bei der Produktion in den Fabriken aus?

Vicunha betreibt fünf eigene Fabriken - drei davon befinden sich in Brasilien und jeweils eine in Ecuador und Argentinien. Dadurch können wir die Arbeitsbedindungen sehr genau kontrollieren und bestimmen. Wir haben weltweit rund 8.000 Mitarbeiter, die im Schnitt 1.000 US-Dollar pro Monat verdienen, was weit über dem Durchschnitt liegt. Wir investieren in unsere Arbeiter - schließlich sind wir daran interessiert, dass sie länger bleiben.

Die Arbeitsbedingungen sind in etwa so wie in den USA und es gibt ein gutes Arbeiterrecht und starke Gewerkschaften. Tatsächlich steht Brasilien oft als Beispiel da. Die Wettbewerbsfähigkeit ergibt sich durch die Mengen und durch Technologie.

Stichwort Wettbewerb - inwieweit hat sich der Markt in den letzten Jahren verändert?

Der Markt ist immer konzentrierter geworden und ist auf wenige große Players aufgeteilt. In Europa etwa werden 600-700 Millionen Denim-Hosen verkauft, wovon ein großer Teil nur über ein Dutzend Kanäle läuft. Und große Player wiederum haben starke Compliance-Richtlinien. Unternehmen wie H&M und Zara sind zudem vertikal ausgerichtet.

Was ist Ihre Einschätzung des Fast Fashion-Markts?

Der Fast Fashion-Markt ist unheimlich dynamisch und riesengroße Entfernungen sind selbstverständlich - trotz logistischer Schwierigkeiten muss man unheimlich flexibel reagieren können. Egal wo man ist, es wird dieselbe Reaktionsgeschwindigkeit erwartet. Und das heißt Flexibilität und öfter klein zu liefern als ein paar Mal groß.

Dabei hat die Menge im Denim-Bereich unheimlich zugenommen: Jeanshosen werden immer häufiger, dabei aber auch immer billiger, ein Teil der 'MacDonaldisierung' der Welt, es gibt von allem unheimlich viel. Das ist in Brasilien, in China genauso gelaufen - alles ist groß geworden. Und es gehört zum Geschäftsmodell, viel Konsum zu pushen, das gehört zu den Wachstumsmodellen. Dementsprechend ist sehr viel Produktion da und man muss sehr groß sein und scharf arbeiten, um sich behaupten zu können.

Wie sieht es mit der Umweltverträglichkeit, dem Umweltschutz und der Einsparung von Ressourcen aus?

Unsere Kunden verlangen eine nachhaltige Produktionen und es gibt Richtlinien für Chemikalien. Zudem ist Brasilien weltführend, was den reduzierten Wassverbrauch angeht. Wassersparende Techniken werden verlangt, ebenso Ökostoffe.

Das ist das Stichwort - wie sieht es mit Trends aus? Von Ökostoffen bis zu Stretch über Athletic Denim und bedrucktem und metallischem Denim - was ist im Moment angesagt?

Denim ist ein breiter Fluss, bei dem man manchmal das andere Ufer nicht sieht: Jeans sind nicht mehr nur eine Sache, sondern eben sehr viele. Es gibt derzeit zwei Strömungen: alles was mit neuer Technologie zu tun hat, also Stretch-Levels, an die man vor drei bis vier Jahren noch nicht einmal denken konnte. Zudem gibt es Spinnwebungen, Knitting mit Denim für Yoga Jeans, Perfect Fit und Athletic Jeans. Diese Strömung läuft weiter. Dann gibt es eine andere, entgegengesetzte Richtung, die man "back to the roots" nennen könnte. Frauen hören vielleicht vorher auf, Stretch zu tragen als Männer: Schon jetzt tragen sie 'Boyfriend Jeans'; es gibt einen Trend zurück zu uralten Basis-Jeans. Und die Jeanswelt hat sich gespalten: in Performance und Activewear, mit Denim vermischt.

Fotos: Vicunha
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