Vom Fjord in die Welt: 170 Jahre gestrickte Innovation bei Devold of Norway
Wird geladen...
Seit unglaublichen 170 Jahren gibt es die norwegische Outdoor- und Merinomarke Devold of Norway. Ganze Generationen sind mit Wollunterwäsche, Norwegerpullovern, Handschuhen, Mützen und Socken von Devold aufgewachsen. Jetzt hat das Unternehmen aus Langevåg in Ålesund sein Jubiläum mit einer historischen Modenschau und vielen Gästen groß gefeiert.
1853 gründete Ole Andreas Devold aus Ålesund, eine kleine Hafenstadt an der Westküste Norwegens, im Alter von 26 Jahren seine eigene Strickwarenfabrik. Devold hatte dort das Textilhandwerk erlernt und war anschließend bei einem Handwerksmeister in Thüringen in die Lehre gegangen. Nicht um dort zu bleiben, sondern um mit dem neu gewonnenen Wissen wieder in die Heimat zurückzukehren und selbst eine Strickerei zu eröffnen. Arbeiter:innen und Maschinen brachte er gleich aus Deutschland mit. Und dort steht seine Fabrik noch heute, 170 Jahre später. Nur ganz so einsam wie in der Gründerzeit ist es dort inzwischen nicht mehr: Auf alten Fotos steht das Fabrikgebäude nahezu mutterseelenallein am Ufer, lediglich umgeben von ein paar weiter entfernten Bauernhöfen. Dort, am Wasser, konnte Devold die Wasserkraft nutzen, um seine Maschinen anzutreiben und von dort aus fuhren die Kaufleute von Devold mit dem Schiff zu ihren Kund:innen.
Ein Muster für mehr Wärme
Bis heute ist dieser, malerisch am Ufer gelegene Gebäudekomplex der Firmensitz von Devold of Norway. Und noch heute liegt hier eines der Boote vor Anker, mit denen Devold entlang der Küste bis nach Russland fuhr, um seine wärmenden Wollprodukte an Fischer:innen und andere Arbeitenden zu verkaufen. Ein Pullover mit kleinen Pünktchen entwickelte sich zum Verkaufsschlager. Diese Pünktchen hatten nicht in erster Linie dekorativen Charakter: Es war das kleinstmögliche Strickmuster mit zwei Fäden, das deshalb geschätzt wurde, weil die flottierenden Musterfäden auf der Rückseite eine zusätzliche Wollschicht erzeugten, die die Wärmeleistung des Pullis erhöhten (siehe Aufmacherbild). Sogar nach Island und Südafrika gab es um die Jahrhundertwende bereits Geschäftsbeziehungen. Um 1900 beschäftigte Olaf A. Devold, Olaf Andreas Sohn, rund 800 Menschen. Damit war O.A. Devold der größte Industriebetrieb der Region und eine der größten Textilfabriken in ganz Norwegen.
Flakk Gruppe setzt Tradition von Devold fort
„Das Tolle an Devold ist, dass wir eine Geschichte haben“, sagt Knut Flakk, Inhaber von Devold of Norway während der Jubiläumsfeier. Die Familie Flakk ist seit 1989 im Besitz von Devold und in vielen Branchen zuhause, mit weltweiten Investitionen und Beteiligungen in verschiedenen Geschäftsbereichen, darunter Tourismus, Textilien, Luftfahrt, Baumaterialien, Verbundstoffe und erneuerbare Energien. Der Einstieg in die Textilindustrie war anfangs nicht der Anlass für den Kauf der Marke, „wir waren eigentlich nur an den Gebäuden interessiert“, verrät Flakk. Doch die lange Tradition der Marke, ihre tiefe Verwurzelung in der Region, in der auch die Flakk Gruppe zuhause ist, und nicht zuletzt das Potenzial von Devold überzeugte den Investor, weiterhin auf Devold zu setzen.
Produktion befindet sich heute in Litauen
Gestrickt wird in Norwegen heute jedoch nicht mehr. 1999 entschied die Flakk Gruppe, die Produktion nach Litauen zu verlagern. „Keiner wollte das tun, aber die Lohnkosten in Norwegen waren zu hoch, wir mussten reagieren“, erzählt Flakk. Während in Litauen also eine neue, hochmoderne Strickfabrik hochgezogen wurde, verloren in Ålesund etwa 50 Arbeiter:innen ihre Jobs. Daher investierte Flakk in Hotels in Ålesund, um neue Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. Wer in einer so entlegenen Gegend wie Ålesund erfolgreich sein will, darf nicht nur das eigene Business im Blick haben, sondern muss das Wohlergehen der ganzen Region einkalkulieren, damit sie weiterhin als Ort zum Leben attraktiv bleibt.
An die Produktion vor Ort erinnert nur noch das Museum im ersten Stock des Gebäudes, in dem die historischen Maschinen zusammen mit der Firmengeschichte gezeigt werden. Umziehen mussten die Maschinen dafür nicht. Alte Fotos belegen, dass sie einst in genau diesem Raum ihren Dienst taten. Und wer weiß, vielleicht wird es mittelfristig auch wieder Produktion in Norwegen geben. „Die Strickproduktion läuft heute vollautomatisiert, deshalb überlegen wir bereits, ob es möglich ist, auch wieder hier in Norwegen zu produzieren“, sagt Flakk. Denn an das Potenzial von Devold glaubt er fest. Heute macht die Marke einen Umsatz von rund 500 Millionen Norwegische Kronen (rund 42 Millionen Euro). 2004 waren es noch 70 Millionen Norwegische Kronen (knapp sechs Millionen Euro). 44 Prozent des Gesamtumsatzes der Flakk Gruppe (rund 95 Millionen Umsatz im Jahr 2021) entfallen heute auf das Textilbusiness.
Ziel: Internationales Wachstum und Ausbau von Sommer-Merino
Und wie soll es bei Devold weitergehen? „Es wird im Wesentlichen um die Weiterentwicklung der bisherigen Strategie gehen“, erklärt Øystein Vikingsen Fauske. Fauske kam erst im Februar dieses Jahres zu Devold um den CEO-Posten zu übernehmen. Auch das Marketing und der Bereich CSR wurden neu aufgestellt. CSR soll ein Fokusthema werden, auch wenn es schon immer eine Rolle gespielt hat. Dazu gehört beispielsweise, dass Devold den Anteil synthetischer Fasern reduzieren und künftig noch mehr auf Naturfasern setzen will. Weiteres Potenzial sieht Fauske vor allem international. Während sich Devold in Europa - allen voran in Deutschland, Österreich und der Schweiz – sehr gut entwickelt hat, steht das Unternehmen in anderen Regionen noch am Anfang. Auch in den USA ist der Startschuss bereits gefallen, indem eine eigene Niederlassung gegründet wurde.
Für den Vertrieb ist Herbert Horelt zuständig, ein Outdoor-Urgestein aus Deutschland, der seit sieben Jahren bei Devold ist und inzwischen den Vertrieb in Europa verantwortet. Potenzial für weiteres Wachstum sieht er außerhalb von Skandinavien vor allem im Sommer. Horelt: „Merinowolle im Winter versteht jeder, aber wir müssen die Menschen davon überzeugen, dass Merinowolle im Sommer genauso gut funktioniert. In Skandinavien weiß man das schon lange.“
O.A.D. als Hommage an die Tradition
Auch in Sachen Mode gibt es Neuigkeiten. So hat Devold erst vor kurzem eine luxuriöse Schwester-Marke namens O.A.D. gestartet, benannt nach den Initialen des Gründervaters. Die kreative Leitung hat Maria Lilly Flakk übernommen, die Tochter des Familienunternehmers. Auch hier dreht sich alles um Pullover und Accessoires und natürlich um Strick. Verwendet werden neben Merinowolle aus Neuseeland und norwegischer Wolle auch andere Luxusgarne wie Kaschmir, Mohair, Alpaka und Seide. Bei OAD will das Unternehmen zeigen, was alles möglich ist, wenn man Qualität, Handwerkskunst, Funktionalität und Nachhaltigkeit miteinander verbindet.
Bei der historischen Modenschau, die das Unternehmen anlässlich des Jubiläums veranstaltete, liefen beide Marken nebeneinander, ergänzt durch viele historische Stücke, die nicht selten zum Schmunzeln anregten. Devold hatte in Zeitungsanzeigen die lokale Bevölkerung aufgerufen, alte Devold-Schätze für die Modenschau zur Verfügung zu stellen. Es war eine Reise in die Vergangenheit und zeigte einmal mehr, wie zeitlos manche Designs auch nach Jahrzehnten noch sind.