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Von Animal Crossing bis E-Sports: Die Modebranche setzt auf Gaming

Von Huw Hughes

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Mode |HINTERGRUND

Eine der größten Herausforderungen für Modemarken besteht darin, ihre Relevanz in einem sich schnell verändernden Marktumfeld aufrechtzuerhalten, indem sie sich immer wieder auf neue und innovative Weise mit den Konsumenten auseinandersetzen. Obwohl die Vermischung zwischen der Gaming- und der Modebranche keineswegs neu ist, ist die Beziehung zwischen den beiden in den letzten Jahren unbestreitbar gewachsen. Heute setzen Fast-Fashion-Giganten ebenso wie Luxushäuser auf digitale Strategien, die Gaming beinhalten.

Es ist vielleicht nicht überraschend, dass die Mode die Welt der Videospiele und des E-Sports (elektronischer Sport) integrieren möchte, wenn man sich die explosive Wachstumsrate des Gamings genauer ansieht. Laut einer Marktanalyse von Newzoo wird erwartet, dass der globale Spielemarkt 2020 einen Umsatz von 159,3 Milliarden US-Dollar generieren wird - das sind 9,3 Prozent mehr als im Vorjahr.

Während andere Branchen - einschließlich der Modebranche - stark und negativ von der Covid-19-Pandemie betroffen sind, hat das Gaming floriert. Klar, eine bessere Entschuldigung als einen von der Regierung erzwungenen Lockdown gibt es kaum, um den Staub von der Spielkonsole zu pusten.

Animal Crossing - eine neue Art, Mode zu präsentieren

Eine besondere Erfolgsgeschichte der letzten Monate war Animal Crossing: New Horizons. Für diejenigen, die es nicht kennen, eine kurze Zusammenfassung des Spiels: New Horizons, das im März auf den Markt kam, ist die jüngste Version von Animal Crossing, einem Spiel, das erstmals vor fast 20 Jahren von Nintendo veröffentlicht wurde. Es handelt sich dabei um eine "soziale Simulation", bei der die Spieler digitale Avatare kreieren, auf einer einsamen Insel umherwandern und Gelegenheitsjobs für einen Typen namens Tom Nook erledigen können. Hört sich simpel an und hat, vielleicht gerade deshalb, die Welt im Sturm erobert.

Ein Feature, das das Spiel so populär gemacht hat - und insbesondere die Aufmerksamkeit der Modeindustrie auf sich gezogen hat - ist die Möglichkeit, die Kleidung ihrer Charaktere aufwendig individuell zu gestalten und so modische Begeisterungsstürme beim Publikum auszulösen. Instagram-Profile wie Nook Street Market haben sich diesen Hype um modisch versierte Avatare zunutze gemacht, indem sie Looks von Top-Designerlabels wie Chanel, Off-White, Vivienne Westwood und Fendi virtuell abgebildet und anderen Spielern über Codes zur Verfügung gestellt haben.

Der Account wird von der in New York City lebenden Grafikdesignerin und Fotografin Vivian Loh, der DJ und Designerin Michele Yue und dem Model Fernanda Ly betreut. „Am Anfang haben wir drei im privaten Rahmen maßgeschneiderte Outfit-Designs erstellt und miteinander geteilt. Es war fast schon komisch, wie sehr unsere Entwürfe denen im wirklichen Leben ähneln konnten, und wir verliebten uns in diesen Prozess", sagte Loh zgegenüber FashionUnited.

Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg des Spiels ist sein interaktives Format. Die Spieler können mit den Charakteren anderer Spieler interagieren und so das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken - in einer Zeit, in der sich viele isoliert fühlen.

„Nook Street Market wurde aus reinem Spaß und als eine Möglichkeit für uns geschaffen, miteinander und mit unseren Freunden in Kontakt zu treten. Das ist jetzt besonders wichtig geworden, da wir uns mitten in einer globalen Pandemie befinden", sagte Loh. „Ich glaube, dass sich die Menschen, die unseren Feed besuchen, sich alle in einer ähnlichen Situation befanden - sie waren in ihren Häusern eingesperrt, suchten nach Normalität und fanden Wege, sich in ihrer Kleidung auszudrücken, wenn auch nicht in der Realität."

Foto: Chanel (links) und Off-White-Looks, Nook Street Market

Foto: Vivienne Westwood (links) und Fendi-Looks, Nook Street Market

Das britische Streetwear-Label Lazy Oaf rief im April einen Wettbewerb aus, bei dem es seine Instagram-Follower aufforderte, Looks der Marke im Spiel mit dem Hashtag #oafcrossing nachzubilden. Der Hauptgewinn für das beste Outfit: eine 250-Pfund-Geschenkkarte des Labels. Das Engagement für diesen Beitrag lag laut dem Softwareunternehmen für visuelles Marketing Dash Hudson 25 Prozent über dem Durchschnitt.

Und auch große Marken haben die Reichweite des Spiels bemerkt. Das italienische Luxuslabel Valentino hat im Spiel ikonische Archiv-Looks nachgebildet, die es über seinen Instagram-Account mit Nutzern teilt. Das kam beim Publikum gut an. Laut Dash Hudson wurde die Interaktion im Vergleich zur Vorwoche um 100 Prozent gesteigert.

„Das Interessante an Animal Crossing und anderen populären Spielen ist, dass 'traditionelle' Konsummuster in virtuellen Räumen existieren", sagte Victoria Loomes, Senior-Trendanalystin bei Trendwatching, gegenüber FashionUnited. "Einige Leute stehen Schlange für einen begrenzten Drop Supreme-Schuhe - man sieht dasselbe Muster in digitalen Warteschlangen, die auf exklusive Inhalte warten oder ihren Avatar in maßgeschneiderter Kleidung sehen wollen."

Genau das ist der New Yorker Modedesignerin Sandy Liang passiert. Im April tat sie sich mit Paige Rubin, Einkäuferin bei What Goes Around Comes Around, zusammen, um digitale Versionen der Looks ihrer Marke als Teil eines virtuellen Pop-ups in Animal Crossing zu erstellen. Anschließend lud sie Fans zu der Veranstaltung ein, war aber durch die Kapazität des Spiels auf acht Avatare limitiert, so dass sie über eine externe Website eine Warteschlange einrichten musste. Teilweise standen 100 Leute Schlange, sagte sie der Zeitschrift Nylon.

„Digitale Erlebnisse - wie in einem Spiel, mit VR oder mit AR - können für die Konsumenten genauso bedeutsam sein wie die Erfahrungen, die sie in der realen Welt machen"

Loomes erklärte, dass dieses Verhalten - der Wunsch der Konsumenten, sich auch in einem digitalen Format dazugehörig zu fühlen, und ihre Bereitschaft, dafür Schlange zu stehen - Teil eines Trends ist, den sie als "virtuelle Erlebnisökonomie" bezeichnet. "Es ist im Wesentlichen die Vorstellung, dass digitale Erlebnisse - wie in einem Spiel, mit VR oder mit AR - für die Konsumenten genauso bedeutsam sein können wie die Erfahrungen, die sie in der realen Welt machen", sagte sie. "Die Geschichten und Erfahrungen, die sie in Spielen sammeln, können ihnen einen Status-Boost verschaffen."

Eine Möglichkeit, wie Spieler diesen 'Status-Boost’ bekommen, ist der Kauf von Kleidung - oder 'Skins' - für ihre Online-Charaktere. Das Konzept gibt es schon lange, aber in letzter Zeit haben Spiele wie Fortnite den Trend vorangetrieben, wo die Spieler mehr reales Geld als je zuvor für virtuelle Kleidung ausgeben.

Im April veranstaltete Travis Scott ein virtuelles Konzert innerhalb von Fortnite. Die 10-minütige Show zog 12 Millionen Menschen an, die einen digitalen Avatar des Musikers sahen. Nach Angaben des Herstellers Epic Games war dies die größte Veranstaltung, die jemals stattgefunden hat. Als Beweis dafür, dass sie dabei waren, konnten die Besucher auch exklusive Merchandise-Artikel aus dem Konzert - oder "Skins" - für ihre virtuellen Avatare kaufen. "Für Marken geht es darum, digitale Erlebnisse nicht als 'Unterhaltung' zu betrachten, sondern als eine Plattform für Erlebnisse", sagte Loomes. "Sobald man einmal umgedacht hat, sind die Möglichkeiten unendlich."

Fashion investiert massiv in Gaming

Wenn wir diese Idee eines digitalen 'Status' betrachten, dann bleibt der Blick in Richtung Luxusmode nicht aus, sie ist der ultimate Indikator für Reichtum und soziale Positionierung im ‘echten’ Leben. Und auch wenn Videospiele und Luxusmode auf den ersten Blick nicht kompatibel erscheinen, so ergibt die Kombination doch Sinn, wenn man bedenkt, dass dieser Markt stark von jüngeren chinesischen Konsumenten abhängig ist.

Im Dezember 2019 verkündete Louis Vuitton, die treibende Kraft des französischen Luxuskonglomerats LVMH, die erste Zusammenarbeit zwischen einem Luxusmodehaus und einer globalen E-Sport-Marke, als es sich mit Riot Games' League of Legends, dem beliebtesten PC-Spiel der Welt, zusammenschloss. Der künstlerische Leiter des Luxuslabels, Nicholas Ghesquière, entwarf eine Kapselkollektion, die von dem Spiel inspiriert wurde und sowohl im realen Leben als auch von den Charakteren im Spiel getragen werden kann. Eine echte Lederjacke aus der Kollektion kostete 5.000 US-Dollar, während ein digitales Outfit für einen Avatar etwa 10 US-Dollar kostete.

Foto: Louis Vuitton x League of Legends, mit freundlicher Genehmigung von Louis Vuitton

Die Popularität von League of Legends wurde seither auch von Gucci genutzt. Das Label lud das League of Legends-Sportteam des Londoner Verein Fnatic ein, bei seiner H/W20-HAKA-Modenschau auf der Mailänder Modewoche im Januar in der ersten Reihe zu sitzen, und stattete sie mit Gucci-Bekleidung aus. "Da die Ausgaben für Gaming steigen, werden die Spieler zu Berühmtheiten, und es wird für Modemarken unmöglich, die Bedeutung von Videospielen zu ignorieren", sagte Loomes.

Tatsächlich haben sich im vergangenen Jahr die Absätze von Bekleidungsmarken im E-Sport mehr als verdreifacht, so ein Bericht des Nachrichtenportals Sportcal. Nike schloss den größten Deal ab - einen mit der League of Legends Pro League, dessen Wert auf über sieben Millionen US-Dollar pro Jahr geschätzt wird.

Conrad Wiacek, Leiter Analyse und Beratung bei Sportcal, sagte in dem Bericht, er erwarte, dass die Marken weiterhin von diesem wachsenden Markt profitieren werden. „E-Sports trotzt weiterhin den Erwartungen. Da das Sponsoring durch Marken einen entscheidenden Teil der Einnahmen im Sport ausmacht, ist es vielleicht keine Überraschung, dass E-Sports den traditionellen Sportarten bei der Generierung von Einkommen über Markenpartnerschaften nacheifert.

„Da fast die Hälfte des E-Sports-Publikums in Asien ansässig ist, sehen viele Marken E-Sports als einen Weg, diese Community zu erreichen. Louis Vuitton ist zwar bereits in China präsent, doch die Partnerschaft mit E-Sports spricht sowohl das jüngere Publikum, als auch die wachsende Mittelschicht des Landes an."

Marken und Spiele

Und es sind nicht nur Partnerschaften, an denen Marken interessiert sind. Einige experimentieren auch mit eigenen Handyspielen. Das macht Sinn: Mehr Menschen besitzen Smartphones als je zuvor, und mit der Geschwindigkeit, mit der sich die Mobiltechnologie entwickelt, verbessern sich diese Spiele enorm. Laut Newzoo wird erwartet, dass Handyspiele im Jahr 2020 einen Umsatz von 77,2 Milliarden US-Dollar erwirtschaften werden - 13,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist mehr Wachstum als bei PC- und Konsolenspielen.

Gucci ist eine der aktivsten Luxusmarken in diesem Sektor. Im Juli 2019 veröffentlichte Gucci in ihrer App die 8-Bit-Arcade-Spiele Gucci Bee und Gucci Ace. Im Mai diesen Jahres, kündigte das Label eine Partnerschaft mit dem Tennisspiel Tennis Clash an. Am 18. Juni startete die Zusammenarbeit, die es den Spielern erlaubt, ihre Avatare in Gucci-Outfits zu kleiden und an einem speziellen Gucci-Turnier teilzunehmen.

Sehen Sie oben, wie diese Marken mit Spielen experimentieren. Multimedia erstellt von Belén Bednarski für FashionUnited.

Das britische Label Burberry lancierte im Oktober 2019 sein erstes Online-Spiel mit dem Namen B-Bounce. Das Spiel wurde bisher von zwei Millionen Menschen in über 40 Ländern heruntergeladen, sagte eine Sprecherin gegenüber FashionUnited. Die Marke habe unter ihren jüngeren Konsumenten, insbesondere aus China, eine wachsende Spielfreudigkeit festgestellt, sagten sie. Burberry brachte später eine Erweiterung des Spiels heraus, diesmal mit dem Namen Ratberry, die zu Ehren des Jahres der Ratte herauskam.

Im Oktober 2019 war Adidas der erste Anbieter, der es seinen Kunden erlaubte, Artikel innerhalb eines Snapchat-Spiels zu kaufen. Der deutsche Sportbekleidungsriese schloss sich mit Snapchat zusammen, um ein 8-Bit-Spiel mit dem Namen "Baseball's Next Level" auf den Markt zu bringen, das von Oldschool-Videospielen und dem Beginn der Playoffs der Major League Baseball inspiriert wurde. Die '8-Bit'-Stollen waren direkt über das Snapchat-Spiel sowie über die Adidas-Website für 130 US-Dollar erhältlich.

Einige Marken haben begonnen, Hardware für Spiele zu verkaufen - was die Schnittmenge zwischen physischen und virtuellen Welten noch weiter verwischt. Im Dezember 2019 brachte die deutsche Sportbekleidungsmarke Puma ein Paar Socken/Schuhe auf den Markt, die beim Gaming getragen werden sollen. Sie werden für 80 Britische Pfund auf der britischen Website des Unternehmens verkauft.

Foto: 'Active Gaming Footwear, Puma

Im März brachte Adidas zusammen mit dem Fußball-Videospiel Fifa GMR auf den Markt. Dabei handelt es sich um eine intelligente Einlage, die die Spieler in ihren Fußballschuhen platzieren können, um ihre realen Bewegungen auf dem Spielfeld zu verfolgen und Schüsse, Schusskraft, Distanz und Geschwindigkeit zu messen. Die Spieler können virtuelle Challenges bewältigen, um virtuelle Belohnungen im Spiel zu gewinnen und in den globalen Ranglisten aufzusteigen.

„Adidas GMR sitzt an der Schnittstelle von Gaming und der materiellen Welt, denn dort befindet sich das Publikum", sagte Moritz Kloetzner, Director of Business Development bei Adidas Football, in einem Statement auf der Website der Marke. „Durch die Erforschung und Infragestellung traditioneller Ansätze in der Produktentwicklung, neben Jacquard von Google und FIFA Mobile von EA Sports, konnten wir den Spielern eine ganz neue Möglichkeit bieten, ihre Kreativität für die Verbesserung ihrer Spieltechnik einzusetzen."

Für die Zukunft der Modeindustrie bietet Gaming eine Menge neuer Möglichkeiten in einem weitgehend unerschlossenen Territorium. Eine Idee, die Loomes besonders interessiert, ist, wie sich Marken in virtuellen Charakteren ausdrücken können, so dass sie über digitale Kanäle enger mit den Konsumenten in Kontakt treten und interagieren können. „Für Modemarken wäre es sehr interessant, sich zu fragen: ‘Wenn unsere Marke ein lebendiger Charakter wäre, wie würde er aussehen? Welche Werte würde er haben? Es könnte helfen, mit den Konsumenten auf einer neuen Ebene in Kontakt zu treten", sagt sie. „Modemarken sollten auf keinen Fall traditionellere Marketingstrategien aufgeben. Aber sie sollten darüber nachdenken, wie sie Kampagnen für die reale und digitale Welt erstellen und die Verbraucher an mehr als einem 'Ort' abholen können."

Ob es sich um digitale Avatare, Multimillionen-Dollar-Sponsorenverträge zwischen den Branchen, die Einführung von Markenspielen oder ein Paar "Performance"-Socken handelt, die Modeindustrie hat bewiesen, dass sie Lust auf Spiele als neue Möglichkeit hat, mit einem zunehmend digital-affinen Publikum in Kontakt zu treten. Laut Newzoo wird der Computerspielemarkt bis 2023 voraussichtlich 200 Milliarden US-Dollar übersteigen, und es ist sicher, dass die Modeindustrie diese Gelegenheit mit Interesse verfolgen wird.

Dieser Artikel wurde in ZUsammenarbeit mit Belén Bednarski erstellt und zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

Homepagebild: Burberry, Chanel and Prada looks created by Nook Street Market on Animal Crossing

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