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Warum der Tribe für Designer so wichtig ist

Von Jackie Mallon

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Mode

Der moderne Designer arbeitet nicht alleine. Wenn er von einem Modehaus abgeworben wird, bringt er eine Entourage an Freunden und Mitarbeitern mit, die er in sein neues Arbeitsumfeld integriert. Die Bedeutung dieser kreativen Netzwerke wird in den Schlagzeilen oft vernachlässigt.

Der neueste Fall war der von Raf Simons, der zu Calvin Klein wechselte. Er brachte beispielsweise Pieter Mulier mit, seine rechte Hand, bekannt aus der Dokumentation Dior And I. Mit ihm als Creative Director arbeitet er seit 2002 zusammen. Außerdem folgte ihm auch Muliers Lebenspartner Mattieu Blazy, Design Director of Womenswear. Darüber hinaus sicherte Simons sich für seine Kampagnen die weitere Zusammenarbeit mit dem Fotografen Willy Vanderperre den er bereits seit seiner Anfangszeit in den 90er Jahren in Antwerpen kennt. Olivier Rizzo, der Lebenspartner von Vanderperre, wird auch weiter als Stylist gebucht. Dann durfte außerdem die Künstlerin Sterling Ruby, mit der er seit zehn Jahren befreundet ist, den Calvin Klein Flagship Store auf der Madison Avenue umgestalten. Selbst Simons Lebensgefährte, Jean-Georges d’Orazio, kam aus Europa mit und bekam die Position des Senior Director of Brand Experience, was auch immer das heißen mag.

“Mein alter Studio Manager nannte Simons seinen ‚brother from another mother‘,” erzählte Sterling Ruby der New York Times. „Ich wuchs auf einer Farm in Pennsylvania auf; er in einem kleinen Dorf in einer ländlichen Region im flämischen Teil Belgiens…und jetzt führen wir beide einen Drahtseilakt auf, bei dem wir nicht wissen, was wir tun.”

Ein bisschen Zauberei

Das Risiko bei einem solch hochkarätigen Merger zwischen Modehaus und Stardesigner ist auf beiden Seiten hoch. Manchmal ist ein bisschen Zauberei nötig, um eine eingeschlafene Marke wachzuküssen und sie wieder relevant zu machen. Deswegen bringt der Auserwählte seine Selektion an Herminen, Rons, Hagrids und Dumbledores mit, um sich gegen die harsche, schroffe und möglicherweise unbekannte Welt der unrealistischen Unternehmensanforderungen zu wappnen, die Gefahr läuft, seine Kreativität schneller als Voldemorts Todesser aus ihm herauszusaugen.

Natürlich ist die Modebranche ein Business wie jedes andere und die hochbezahlten, gefragten Kreativen müssen Leistung bringen. Doch wenn sie mit widersprüchlichen Anforderungen bombardiert werden—die neue It-Bag kreieren, eine hervorragende Social Media Präsenz auf die Beine stellen, Celebrities einkleiden, das Unternehmen auf den Börsengang vorbereiten und dann auf die Schwankungen des Aktienmarktes reagieren, während sie versuchen, der Brand einen Coolnessfactor verleihen, der dem des Mitbewerbers überlegen ist—dann braucht es manchmal einen alten Vertrauten, der ihnen einflüstert, auf die eigenen Instinkte zu vertrauen. Wenn der Designer sich so weit vorgewagt hat, dass er sich selbst nicht mehr erkennt, dann kann ihm ein Bekannter den Spiegel vorhalten, während die neuen Vorgesetzten ihm nur Zahlen präsentieren. Egal, wie viel der neue Designer nun verdient, wenn er vor zwanzig Jahren mit jemandem die Tanzfläche geteilt hat der heute immer noch an seiner Seite ist, dann kann man den wert dieser Person nicht mit Geld aufwiegen. Der Tribe eines Designers ist mehr als nur Warhols Factory. Er ist keine hippe Entourage mit der er sich gerne sehen lässt, sondern seine Modefamilie, in der man sich gegenseitig den Rücken frei hält.

We are family

Oft beinhaltet der enge Kreis auch biologische Familienmitglieder: Demna Gvasalia rief Vetements zusammen mit seinem Bruder Guram ins Leben, bevor Stylistin Lotta Volkova dazustieß. Dann zog das beherzte Trio gemeinsam, Arm in Arm, in das Luxushaus Balenciaga um und verzauberte es mit seiner Magie. „Lotta ist eine Energiequelle auf Beinen“, so Gvasalia gegenüber Vogue. „Wir trafen uns auf einer Party vor vier Jahren und dann kam sie vorbei, um sich die Kollektion anzusehen. Sie sagte: ‚Ich will ein paar der Sachen tragen, aber das Styling ist furchtbar.‘“ Diese Methode der Teambildung hat wenig mit dem klassischen Human Resources Department zu tun, ist aber keine neue Erscheinung. Auch das Milliarden-Dollar-Unternehmen Giorgio Armani, das er 1975 mit seinem damaligen Lebensgefährten Sergio Galeotti ins Leben rief, besteht im Kern aus Armani und seinen Nichten Silvana und Roberta, obwohl es im Laufe der Jahre auch andere loyale Anhänger gefunden hat. „Weil er keine Freunde hat“, sagte Armanis Schwester Rosanna der Vanity Fair im Interview. Auf Nachfrage zu dem Kommentar erörterte er: „Sagen Sie mir: Wann habe ich denn Zeit, Freunde zu finden?“ Aber die Aussage wird in diesem Statement besonders klar: „Was immer ich in der Arbeit getan habe, habe ich für Sergio getan. Und Sergio tat alles für mich. Das ist der Kern unserer Arbeit.“

Der Hofstaat des Königs

Oft sind die Jobtitel der Entourage des Designers nicht ganz leicht nachzuvollziehen. Amanda Harlech, die seit seiner Abschlusskollektion mit John Galliano zusammengearbeitet hatte, dann aber öffentlich zu Karl Lagerfeld überlief, weil sie, wie sie der Sunday Times Style Section verriet, nach ihrer Scheidung ein höheres Gehalt benötigte, erzählte: „Karl hat keine Muse – er hat eine sehr enge Familie, die alle unglaublich loyal sind.“ Sie erklärte ihre eigene Rolle folgendermaßen: „Ich habe eine Fähigkeit, die Landkarte zu lesen und den Weg zu finden. Ich verstehe mich nicht als Muse. Eine Muse inspiriert – aber Karl wird von anderen Frauen, Männern, Büchern, Möbelstücken, einem Musikstück inspiriert.“

Auch Alexander McQueen vertraute zwei Frauen im Zentrum seines Hofstaats: Isabella Blow, die ihn seit seiner Abschlusskollektion unterstützt hatte, und Sarah Burton, das junge Designtalent, das unter ihm seine Ausbildung absolvierte. Sie sollte, nach seinem viel zu frühen Tod, die kreative Leitung des Hauses übernehmen.

Für Kreative ist die Gründung einer Designdynastie wichtiger als das Geschäft. Emotionale Bindungen sind wichtiger als Businessstrategien und Wachstumsprojektionen. Aktuelle Schlagzeilen suggerieren, dass Designer wie Outfits gewechselt werden können, aber der Tribe eines Designers muss in die Verhandlungen miteinbezogen werden. Diese tiefe Verbindung ist nicht reproduzierbar, doch die Menschen, die er wertschätzt um ihn zu haben, gibt dem gefeierten Designer die Möglichkeit, zu gedeihen und zu florieren. Mitglieder dieses Tribes halten den Designer davon ab, wie Ikarus zu nah an die Sonne heran zu fliegen. Sie unterstützen und beschützen ihn, inspirieren, beleben, verarzten Wunden und stimulieren den Geist. Der Designer ist die Gallionsfigur des Vorsprungs eines Hauses vor einem anderen, aber es ist der Tribe, in dessen Arme er sich flüchtet, wenn er nach seiner Verbeugung von der Bühne zurückkehrt.

#TribeGoalz

“Squad” ist ein Instragram-Wort für die Clique mit der ein celebrity sich umgibt. Taylor Swift beispielsweise hat ein paar Victoria’s Secret Models um sich sowie Lena Dunham, die sie alle gelegentlich bei Konzerten auf die Bühne bittet. Leonardo di Caprios Freunde sind ein modernes Hollywood Brat Pack, darunter Orlando Bloom und Toby Maguire, das gerne mit Models auf Yachten abhängt. Der Designertribe liegt nicht in der Sonne oder zelebriert den Ruhm auf der Bühne, nicht einmal Paparazzi folgen ihm. Seine Mitglieder sind am glücklichsten, wenn sie hinter den Kulissen von Nutzen sein können. Yves Saint Laurent beschrieb einst die Essenz seiner besonderen Beziehung zu seinem Lebens- und Geschäftspartner Pierre Bergé: „Seine Kraft hieß für mich, dass ich mich bei ihm ausruhen konnte, wenn ich aus der puste geraten war.“

Dies ist eine Übersetzung eines englischen Beitrags von Jackie Mallon. Jackie Mellon unterrichtet in NYC verschiedene Modekurse und ist die Autorin des Buches ‚Silk fort he Feed Dogs’, ein Roman, der in der internationalen Modeindustrie angesiedelt ist.

Aus dem Englischen von Barbara Russ

Fotos von den Calvin Klein, Armani und Chanel Facebook Pages.

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