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Westwood, Galliano und Alaïa: PR-Chefin Sylvie Grumbach schwelgt in Erinnerungen

Von Florence Julienne

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Mode|Interview
Sylvie Grumbach Crédits: 2e Bureau

Vivienne Westwood, John Galliano oder Azzedine Alaïa: Die Versteigerung von Stücken aus der Sammlung von Sylvie Grumbach, Gründerin des Pressebüros 2e Bureau, mit dem Titel „De l’avant-garde à aujourd’hu”* – von der Avantgarde bis heute – ist eine Gelegenheit, um in ihren Erinnerungen zu schwelgen. Durch ihre Sammlung taucht eine ganze Epoche der Mode wieder auf.

Wie haben Sie Vivienne Westwood kennengelernt?

Ich habe Vivienne Westwood 1980 zum ersten Mal im Palace [Anm. d. Red.: ein Nachtclub in Paris] getroffen. Sie war mit Malcolm McLaren, einem Manager englischer Bands, zusammen. Damals gab es bereits die Londoner Boutique Worlds End, die Bandmitglieder, Punks und auch die Anhänger:innen der Musik- und Stilrichtung, die als New Romantic bezeichnet wurde, einkleidete.

1983, nach dem Tod von Fabrice Emaer, verließ ich das Palace und eröffnete mein Pressebüro 2e Bureau** mit Vivienne Westwood, Swatch und Jean-Paul Goude. In diesem Jahr beschloss Vivienne Westwood, nach Frankreich zu kommen, um dort auf dem Laufsteg zu zeigen. Ihre erste Show fand bei Angelina, einer Patisserie in der Rue de Rivoli, neben dem Hotel Meurice] statt. Natürlich kamen wir zwei Stunden zu spät.

Die etablierten Marken zeigten bereits in Paris, aber diese Zeit fiel mit der Ankunft junger internationaler Designer bei der Fashion Week Paris zusammen, ein Phänomen, das vom Créateurs & Industriels initiiert wurde [Anm. d. Red.: einer Plattform von Didier Grumbach, Silvie Grumbachs Bruder, initiiert wurde]. Vivienne Westwood erkannte, dass eine Show in Paris ihr ein internationales Image verleihen und ihr bei der Vermarktung in Amerika helfen würde.

Bild: Image: Vivienne Westwood

Wie erklären Sie sich die Begeisterung für Modenschauen in Paris?

Paris ist dank der Couture, die für französische Exzellenz steht, zur Modehauptstadt geworden.

Können Sie eine Anekdote erzählen, die Sie mit Vivienne Westwood erlebt haben?

‌Ich betreute ein Wanderfestival für Modefotografie, das in Monaco stattfand. Vivienne war Mitglied der Jury. Wir spazierten Arm in Arm durch Monte Carlo. Sie war so gekleidet, wie wir sie kennen, und lief auf Plateaus. Ich selbst war wie Vivienne Westwood gekleidet: ein großer rosa Trenchcoat und Jean-Paul-Gaultier-Turnschuhe mit Plateausohle. Wir kamen nicht ins Casino rein.

Wann und wo haben Sie John Galliano kennengelernt?

In London besuchte ich 1984 seine die Modenschau seiner Absch Kollektion bei Central Saint Martins, die von den „Incroyables“ des Direktoriums inspiriert war. Es war so toll, dass ich ihm sagte, wenn er nach Paris kommen wolle, würde ich ihn gerne betreuen.

Zu dieser Zeit betreute ich Vivienne Westwood. John hatte eine große Bewunderung für sie und kleidete sich in ihren Kleidern. Wie alle jüngeren Generationen hatte er wahrscheinlich den Wunsch, sie zu übertreffen. Ich erinnere mich an Szenen, in denen John zu Viviennes Füßen saß und ihr zuhörte. Sie teilen die gleiche Art, in ihren Modenschauen eine Geschichte zu erzählen. Beide sind sehr britisch.

Galliano Tasche Herbst/Winter 2018, Ready-to-Wear. Bild: Launchmetrics Spotlight

Er hatte seine Marke mithilfe eines britischen Investors gegründet. Die Geschichte endete nicht gut, denn natürlich gab es keine ausreichend schnelle Rendite für die Investition. Er kam mit seinem Assistenten nach Paris und hatte keinen Cent. Vivienne übrigens auch nicht.

Wie konnte er ohne Geld Kollektionen entwickeln?

Er genoss die Unterstützung von Anna Wintour, die damals Chefredakteurin der britischen Vogue war. Alle fanden ihn toll und er wurde von Fayçal Amor gefördert, der ihm seine Ateliers in der Rue Servan in Paris öffnete und ihm einen Raum zur Verfügung stellte. Er unterstützte ihn von seiner Ankunft bis zu seinem Treffen mit LVMH-Chef Bernard Arnault, das von Anna Wintour und André Leon Talley inszeniert wurde.

Welche Erinnerung haben Sie an John Galliano?

Als er ankam, war er ein bisschen wie Cedric, der kleine Lord Fauntleroy aus dem Film „Der kleine Lord“. Er war sehr elegant und gutaussehend. Wenn man sieht, wie er sich verändert hat, ist das natürlich ein bisschen traurig. Wir standen uns sehr nahe, ich könnte fast sagen, dass ich ihn in seinen Anfängen in Paris durchgefüttert habe, er mochte meine Suppe übrigens sehr gerne.

Zusammen mit Philippe Pasquet [Anm. d. Red.: früher Première Vision, jetzt GL Events] organisierten wir eine viertägige Modekreuzfahrt zu den Fjorden. 400 Personen aus der Modewelt gingen an Bord. Es gab Vorträge, Zwischenstopps, Filmvorführungen, jeden Abend eine neue Ausstellung und so weiter.

Zu den jungen Designer:innen der Zeit gehörten Vivienne Westwood, John Galliano, Jean Colonna, Olivier Guillemin und einige andere. Es war Juni, es war 24 Stunden am Tag hell und die jungen Leute tanzten die ganze Nacht auf der Brücke. Am letzten Abend hatte John so viel Angst, nicht rechtzeitig aufzuwachen, dass er auf dem Klavier einschlief, das in der Mitte des Schiffes stand, damit man ihn nicht vergisst.

Standen Sie Azzedine Alaïa nahe?

Ich habe Azzedine Alaïa 1978 durch Andrée Putman kennengelernt. Von da an trug ich täglich seine Kostüme und Jersey-Kleider. Damals hatte er noch nicht das entworfen, was ich als sein Skaterkleid bezeichne. Ich habe erst spät mit ihm zusammengearbeitet. Er lief außerhalb des Kalenders und bat mich gelegentlich und aus Freundschaft, ihm bei organisatorischen Fragen zu helfen. Er brauchte keine Presseabteilung, er bekam alles, was er wollte. Eines Tages bat ihn Didier Grumbach, damals Präsident des französischen Verbands der Couture, in den offiziellen Couture-Kalender aufgenommen zu werden. Er stimmte zu.

Azzedine Alaïa war ein Freund. Er verbrachte jede Nacht an seinem Nähtisch, aber ab und zu kam er auch zum Feiern. Er liebte es, sich zu amüsieren und ging oft aus. Ich habe ihn im Palace mit Grace Jones gesehen. Er tanzte nicht in der Mitte der Tanzfläche.

Wie erklären Sie sich, dass er sich am Rande des Modesystems bewegte?

Er hat immer nach seinem eigenen Rhythmus gelebt. Er wollte seine Kleider zeigen, wenn er dachte und fand, dass sie endgültig fertig waren. Er schnitt die ersten Modelle zu, machte Anproben, erstellte Schnittmuster. Er war mehr oder weniger allein. Heute gibt es viele Modedesigner:innen, die nicht nähen können.

Gibt es eine Anekdote mit Azzedine Alaïa?

Mit ihm persönlich, nein. Mit einem seiner Kleider, ja. Ich trug häufig dieses berühmte Kleid aus schwarzem Jersey mit Reißverschlüssen, die sich um den Körper zu wickeln scheinen. Es reichte mir bis zu den Knien. Vorne hatte es einen Kragen, aber hinten war es so tief ausgeschnitten, dass man mir mit der Hand über den Rücken streichen konnte. Jedes Mal, wenn ich dieses Kleid anzog, machten mir alle Komplimente, dass ich an diesem Abend sehr hübsch aussah.

Eines Tages lieh ich das Kleid einer Freundin. Wir waren in der Bar des Palace und die Leute kamen auf sie zu und machten ihr die gleichen Komplimente. Ich merkte, dass es das Kleid war, das sie anzog, nicht meine Person.

Ausstellung Freedom, Azzedine Alaïa und Arthur Elgort. Bild: Azzedine Alaïa Foundation

Sind die Outfits die Sie vor kurzem in einer Auktion versteigerten aus Ihrer persönlichen Sammlung?

Einige habe ich selbst getragen und andere sind Teile von Laufstegen. Damals haben viele Designer:innen nicht auf ihre Archive geachtet, hatten keinen Ort und sehr oft wurden sie nicht bezahlt. Zum Glück hatte ich einige Kund:innen, die es mir ermöglichten, als Mäzenin in der Modebranche zu arbeiten. Ich habe diese Archiv-Stücke behalten, entweder als Bezahlung oder weil die Designer:innen sich nicht darum kümmerten.

Verkauf auf einer Auktion. Links Vivienne Westwood. Rechts John Galliano. Bild: Pénélope Blanckaert, Jérôme Macé.

Warum trennen Sie sich von diesen materiellen Erinnerungen?

Die ersten fünfzehn Jahre des 2e Bureau schlummerten auf einem Dachboden im ländlichen Faverolles, den wir gerade zu einer Stiftung für die Kreativwirtschaft in Kunst und Mode ausbauen. Die Kleiderbibliothek hat sich in eine Bücherbibliothek verwandelt.

Verspüren Sie beim Anblick Ihrer Sammlung Nostalgie?

Ja. Einerseits, weil es viele Berufe noch nicht gab und wir den Designer:innen sehr nahe waren. Sie waren selbstbestimmt und gründeten ihr eigenes Haus. Sie hofften, Geld zu verdienen und von ihrem Beruf leben zu können, aber ihre Kreativität wurde nicht mundtot gemacht. Heute sind wir alle von Marketing und Kommerz abhängig. Außerdem finde ich, dass die Mode auf den Straßen sehr hässlich geworden ist. Sportkleidung ist dazu da, Sport zu treiben.

*Die Auktion “De l’avant-garde à aujourd’hui” fand bei dem Onlineauktionshaus Drouot, bis zum 7. September 2023 statt. Die Stücke stammen von Vivienne Westwood, John Galliano, Azzedine Alaïa, aber auch von Jean Paul Gaultier, Kenzo, Jean Paul Knott, Kenta Matsushige, Claude Montana, Thierry Mugler, Saint Laurent Rive Gauche, Koji Tatsuno.

**Bevor Sylvie Grumbach ihr Pressebüro Deuxième Bureau eröffnete, arbeitete sie bereits in der Modebranche: bei Valentino, Ungaro, Créateurs & Industriels.

Dieser Artikel wurde auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ

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