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Wie Buyer SS21 ordern: André Myburgh, Mode-Chefeinkäufer bei Jelmoli

Von Weixin Zha

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Mode |INTERVIEW

Für die Saison SS21 läuft einiges anders: Anstatt zwischen Showrooms eilen Einkäufer nun von einer Videokonferenz zur nächsten ‒ oder doch nicht ganz? Wie er und sein Team die Balance zwischen physisch und digital halten, erzählt André Myburgh, Head of Merchandise Fashion & Accessoires des Zürcher Traditionskaufhauses Jelmoli. Für die kommende Saison setzt der Einkäufer alter Schule anstelle schneller Trends auf langlebige und nachhaltige Mode.

Brands eröffnen virtuelle Showrooms und das Ordern findet oft auch digital statt. Wie einfach ist der Job des Einkäufers ohne physischen Kontakt tatsächlich?

André Myburgh: Bei gewissen Produkten, die man schon führt ist das einfacher, weil man die Aussagen von den Brands kennt. Wenn es um neue Produkte oder Brands geht, ist es natürlich recht schwierig. Und sobald etwas in dunkelblau oder schwarz ist, sieht man nicht genau, ob das jetzt zum Beispiel wattiert oder gesteppt ist. Wir haben auch angefordert, dass wir - gerade wenn Lieferanten technische Waren anbieten - vorab eine ‘Swatchcard’ bekommen, dass man zumindest den Stoff anfassen kann, was enorm hilft.

Bild: Jelmoli

Außer dass Sie als Einkäufer Ware nicht mehr so einfach wie sonst erfühlen können: Wie unterscheidet sich das Buying für SS21 noch von anderen Saisons?

Alles hat sich etwas nach hinten verschoben. Wir haben in der dritten Juniwoche angefangen, dass heißt etwa drei bis vier Wochen später als sonst. Viele Lieferanten sind nicht rechtzeitig mit ihrer Musterkollektion fertig geworden, sprich die Hauptkollektion und Pre-Kollektion werden zusammen präsentiert. Das ist natürlich für uns gut, dann hast du Einblick in alles und musst nicht dein Budget schon vorab aufteilen. Sonst läuft alles wie normal.

Bleiben Sie dran: Gabriela Holscher-Di Marco, Inhaberin des Düsseldorfer Concept Store Ela Selected, spricht als nächstes in unserer Buyer-Interviewserie darüber, wie sie auch in schwierigen Zeiten auf junge Modetalente setzt und sich das seit mehr als 40 Jahren bewährt.

Planen Sie auch Reisen zum Ordern ein?

Wir versuchen so viel wie möglich in der Umgebung von Zürich oder auch in der Schweiz Termine mit den Brands zu machen, sonst machen wir das über den Showroom. Bei den Brands, die das nicht anbieten, wie Outdoorbrands, schauen wir, dass wir die Stoffmuster vorab bekommen.

Wir werden auch ab und zu nach Mailand oder Paris fahren müssen,weil es einfach nicht so klappt, wie man es braucht. Nur London machen wir wegen den Einreisebestimmungen nicht, wir können es uns nicht leisten, erstmal zwei Wochen im Hotel in Quarantäne zu sitzen.

Klicken Sie durch die Slideshow, um die Etagen von Jelmoli zu entdecken.

Bild: Jelmoli.

War auch Ihre Vorbereitung auf SS21 anders als sonst?

Die Vorbereitung ist jetzt deutlich anders. Wir hatten nicht die Auswertung der laufenden SS20-Saison, wie wir sie uns gewünscht hätten, wegen zwei Monaten Lockdown. Vor dem Lockdown lief es bereits sehr gut und nach dem Reopening waren wir von den sehr positiven Umsätzen überrascht und wir hoffen das es so weiter geht. Aufgrund der Lagersituation bedingt durch die Schließung und um auf weitere mögliche Szenarien vorbereitet zu sein, werden wir jedoch für SS21 weniger Vorordern als im Vorjahr. Das ist abhängig vom Standort und dem jeweiligen Einkaufsbereich.

Welche Produkte liefen nicht so gut bei Ihnen aufgrund der Covid-19 Pandemie?

Was nicht funktioniert ist Business, wegen Homeoffice. Da leiden wir, auch weil die Kleidungsstücke normalerweise einen höheren Durchschnittsbon haben. Produktkategorien wie Übergangsjacken, ein dickeres Strickteil oder Chinos bei Herren, die etwas stabiler waren, sind ebenfalls nur noch schwierig weggegangen.

Versuchen Sie Ihre Order auch so einzurichten, dass einige dieser Teile, auch in die kommende Saison integriert werden können?

Genau, bei Basics von einer Marke, die immer wieder dieselbe Hose bringt oder das Kleid, werden wir versuchen die nochmal zu integrieren - wenn es keine Saisonfarbe war, keine Pünktchen oder Blumen hat.

Was machen Sie mit den trendigen Teilen?

Die muss man jetzt reduzieren oder man versucht einen Swap mit den Lieferanten zu machen, die sie jetzt zurücknehmen. Da sind viele Marken auch sehr kulant gewesen. Die meisten großen Marken haben auch die Möglichkeit mit Outlets zu arbeiten und dann können sie die Ware so noch einmal abbauen. Für uns ist da natürlich nur noch der Rotpreis möglich und dann ist das für beide nicht gut.

In Deutschland sind die befürchteten Rabattschlachten im größeren Umfang noch ausgeblieben. Wie gehen Sie bei den Reduzierungen der Waren vor und wie sieht es in der Schweiz derzeit aus?

Es ist auch recht sauber hier. Wir haben auch erst in der zweiten Juni-Woche angefangen. Es war eine lange Überlegung, wann und wie, aber natürlich hast du auch volle Läger, die weg müssen. Jetzt sind etwa 25 bis 35 Prozent des Bestands mit 30 Prozent reduziert, deutlich mehr als im Vorjahr.

Bild: Menswear von Brunello Cucinelli bei Jelmoli

Wie haben sich die Umsätze bei Ihnen seit der Wiedereröffnung in der Schweiz entwickelt?

Es lief von Anfang an richtig gut. Obwohl wir später im Mai aufgemacht haben, haben wir trotzdem in vielen Bereichen die Vorjahresumsätze des vollen Monats erreicht. Wir haben auch verstärkt über Social Media ‘Support your local’ gespielt und die Kunden haben das angenommen, sie hatten auch Lust auf Neues. Im Juni laufen wir etwa 20 Prozent über Vorjahr, auch der Mai war über 20 Prozent Plus.

Was verkauft sich gerade gut bei Ihnen?

Alles was mehr Wertigkeit und Langlebigkeit bietet. Diese Teile gehen sehr gut raus. Brunello Cucinelli, Stone Island funktionieren sehr gut, bei Frauen ist es Missoni, Tory Burch, Agnona, Ralph Lauren läuft nach wie vor sehr gut. Bei kleineren Marken oder Sportswear funktionieren Closed oder Drykorn gut.

Stichwort: Wertigkeit. Setzen Sie jetzt auch vermehrt auf Nachhaltigkeit?

Ja, da setzen wir vermehrt darauf. Gerade für den Herbst/Winter haben wir sechs oder sieben kleinere Schweizer Brands ins Boot geholt, von Textilien über Sonnenbrillen bis Taschen, die mit uns ein Pop-up über vier Wochen machen. Es geht darum, ihnen eine Plattform zu bieten. Es sind kleine, nachhaltige und lokale Brands, die sonst eher in kleineren Boutiquen verkauft werden, aber jetzt große Frequenzen und Aufmerksamkeit von den Kunden bekommen können. Das finden wir bei Jelmoli wichtig. Alle Einkäufer haben jetzt die Aufgabe zu schauen, welche Green Fashion Brands sie noch kaufen können.

Sind nachhaltige Labels auch etwas, was Sie mehr in die Bestandsmarken aufnehmen werden?

Wir schauen, wer gut funktioniert und wo das reinpasst, dann platzieren wir auch mal eine Order für die SS21. Da sind momentan aus Australien sehr viele neue Brands, die hochkommen, nachhaltig und komplett transparent. Da setzen wir auch drauf, für uns ist es ‘the next big thing’ nach diesen ganzen skandinavischen Marken. Wir schauen uns auch ein, zwei Bademode-Marken aus Südamerika an.

Bewegen Sie Ihre Maus über die Bilder und die runden Symbole, um mehr zu entdecken.

Bilderstrecke: Jelmoli bringt das zeitlose Design nachhaltiger Schweizer Labels in seinen Pop-up.

Welche anderen Trends sehen Sie für SS21? Hat sich auch etwas durch den Lockdown verändert?

Wir merken, dass es sehr wichtig ist, zeitlose Stücke zu haben, die nicht nach einer Saison nicht mehr benutzbar sind. Handwerk kommt auch sehr gut an, wir haben die Taschenmarke, Katrin Langer, aufgenommen und das kommt sehr gut an, weil dieses alte Handwerk wieder zu sehen ist. Oder auch die tollen Leinen-Kleider vom Schweizer Label Linelbi, die von Hand bestickt werden, funktionieren gut.

Wovon werden Sie SS21 eher Ihre Finger lassen?

Trendy, nach einer Saison und wieder weg, das werden wir nicht mehr machen. Alle Einkäufer hatten von mir den Auftrag nach Langlebigkeit zu schauen. Auch wenn es ein paar Franken mehr kostet, wir merken schon, dass die Kunden Wert darauf legen. Die Kunden suchen wirklich nach etwas besonderem und Nachhaltigkeit ist auch ganz wichtig. Wir schauen auch, ob wir da ein oder zwei neue Brands aufnehmen und dafür ein oder zwei wegfallen lassen.

Digitalisierung ist neben Nachhaltigkeit, einer der großen Trends. Sie und Ihr Team arbeiten jetzt viel mit Zoom, Teams oder der digitalen Orderplattform Joor. Wie digital kann das Buying in Zukunft werden?

Notgedrungen wird es funktionieren müssen, es hilft auch wenn die Lieferanten uns Stoffproben schicken. Das könnte für eine Basis-Kollektion funktionieren, aber man braucht es wirklich in den Showroom zu gehen. Es ist nicht nur die Ware, da vermittelt eine Brand seine ganze Stimmung, das bekommst du nur über einen Showroom vermittelt. Das kannst du nicht über einen PC bekommen ‒ was eine Marke sich für die Saison vorstellt, was ihre Vision ist.

Wie denken Sie, wird sich die Pandemie und die Erfahrungen daraus langfristig auf den Einkauf auswirken?

Ich denke, die Einkäufer werden alle vorsichtiger werden und schauen, was und wann einzusteuern ist. Was könnte man als Risiko mit dem Lieferant einkalkulieren? Mehr auf Wertigkeit und Never-Out-of-stock zu gehen ‒ ich glaube das wird sich auf jeden Fall verändern, dass man nicht wild einkauft, weil man das Limit hat und ausgeben muss. Diese Zeiten sind vorbei.

Das niedrigere Budget könnte noch länger beibehalten werden. Aber als Einkäufer kann man mit niedrigeren Budgets auch bessere Saisons hinlegen, weil du wirklich genau überlegst, wie es zusammenpasst und detaillierter für dich selbst arbeitest.

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Bild: André Myburgh / Amanda Nikolic

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