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Wie reagiert die Outdoor-Industrie auf jüngste Greenpeace Studie?

Von Regina Henkel

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Am vergangenen Montag hat Greenpeace eine weitere Detox-Studie publiziert, in der 40 Produkte von elf Outdoor-Marken auf Perfluorcarbone (PFC) getestet wurden. Das Ergebnis war vernichtend: In 36 von 40 getesteten Produkten konnten PFCs nachgewiesen werden. Am letzten Samstag gab es in 34 Städten Aktionen gegen Outdoor-Brands. Wie reagieren die Marken?

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie hätte von Greenpeace nicht besser gewählt sein können. Es war der zweite und traditionell besucherstärkste Tag der Ispo, als die Umweltorganisation die Ergebnisse an die Öffentlichkeit gab. Eine Provokation und ein Aufruf zum Dialog zugleich, denn Greenpeace veröffentlichte die Studie in einer Pressekonferenz auf der Sportmesse selbst und hatte dort auch einen Stand, mitten unter denjenigen, die sie seit Jahren anprangert.

*Das Ziel der Studie ist klar: Greenpeace will das Bewusstsein von Verbrauchern, Herstellern und Händlern ändern und darauf hinarbeiten, dass die Outdoor-Industrie komplett auf PFCs verzichtet. Diese Chemikalien werden u.a. von der Outdoor-Branche eingesetzt, um Oberstoffe dauerhaft wasser- und schmutzabweisend auszurüsten. Sie kommen in der Natur natürlicherweise nicht vor und stehen im Verdacht krebserregend zu sein. Hinzu kommt, und das ist vermutlich das eigentlich alarmierende, dass diese Chemikalien in der Natur fast nicht abgebaut werden können. So lagern sie sich über die Jahre hinweg in der Natur und im menschlichen Körper an und lassen sich inzwischen auch an Orten nachweisen, die vom Menschen gar nicht besiedelt sind, wie z.B. die Antarktis. *

Outdoor-Branche unterstützt das Ziel von Greenpeace

* Die Aufforderung von Greenpeace ist nicht neu und auch die Branche wehrt sich nicht dagegen. Seit der ersten Detox-Studie 2011 sind insgesamt drei derartige Testberichte veröffentlicht worden, die allesamt die Outdoor-Branche anklagen. Und seit Jahren bemüht sich die Outdoor-Industrie, in deren Interesse der Erhalt der Natur natürlich liegt, um eine Alternative zu den toxischen Imprägnierungen. So arbeitet z.B. der schweizerische Outdoor-Ausrüster Mammut seit vielen Jahren systematisch an der Reduktion von PFC und setzt sich für die Suche nach Alternativen ein. „Die Forderung von Greenpeace wird von uns unterstützt“, so Unternehmenssprecher Fabian Erhard, „aber sie kann zum jetzigen Zeitpunkt mangels geeigneter Alternativen nicht vollumfänglich erfüllt werden.“ Denn ohne den *dauerhaft wasserabweisenden Effekt (Durable Water Reppelency / DWR) *von Oberstoffen, verliert eine Jacke im Laufe des Gebrauchs ihre wasserdichten Eigenschaften. Auch eine Membran, die in erster Linie für die Wasserdichtigkeit verantwortlich ist, ist ohne eine solche Ausrüstung nicht dauerhaft funktionsfähig. Aber genau das kann im Notfall in den Bergen wichtig sein. Ähnlich reagiert auch The North Face. Wie viele andere auch hat sich die Marke dem Ziel verschrieben, bis 2020 komplett PFC-frei zu sein. Doch aktuell fehle es noch an „*wirtschaftlich tragfähigen, skalierbar nicht fluorierten Lösungen, die unseren Leistungskriterien oder den Bedürfnissen unserer Verbraucher in unserer gesamten Produktpalette gerecht werden“, so das Unternehmen.* Selbst Unternehmen wie Vaude - kürzlich immerhin von der Bundesregierung als Deutschlands nachhaltigste Marke 2015 ausgezeichnet - sind bei den PFCs noch nicht weiter. Auch sie arbeiten am Ziel bis 2020 PFC-frei zu sein, haben im Moment aber noch keine Alternative. *

*Eine Reaktion, die jedoch keine wirkliche Lösung des Problems darstellt, ist die Eliminierung langkettiger PFCs zugunsten von kurzkettingen. Denn die Experten sind sich noch nicht einig, ob das etwas bringt. *Befürworter der kurzkettigen PFC (sogenannte C6 oder C4 Lösungen) attestieren ihnen Unbedenklichkeit, Gegner sagen, dass man über diese lediglich noch nicht genug Informationen habe. *Antje von Dewitz, CEO Vaude: „Wasserdichte Produkte haben wir in einem ersten Schritt auf eine C6-DWR umgestellt, weil die Performance der PFC-freien DWR leider immer noch nicht genügt. Wir sehen dies jedoch nur als Brückentechnologie, das heißt als einen Zwischenschritt auf dem Weg zum kompletten Ausstieg aus PFC. Das ist unser erklärtes Ziel.“ Als Kompromiss beschränken viele Outdoor-Ausrüster die Verwendung von PFC-*Imprägnierungen auf die Produkte, die im hochalpinen Bereich zum Einsatz kommen und für die diese schützenden Eigenschaften unabdingbar sind. Wo die Funktionalität nicht zwingend benötigt wird, wurden PFCs gezielt eliminiert. So konnte der Anteil von PFC-Stoffen z.B. in der Mammut Bekleidung im letzten Jahr von 29 auf 23 Prozent gesenkt werden. Auch bei *Vaude wurde der Prozentsatz an PFC-imprägnierter Kleidung in der Kollektion deutlich reduziert: Von 62 Prozent im Winter 2014 auf 23 Prozent im Winter 2016. *Auch Aufklärung ist wichtig, so haben die meisten Brands Informationen zu PFC auf ihren Websites integriert und* Jack Wolfskin - ebenfalls ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit – veröffentlicht neuerdings die PFC-Werte einiger Produkte auf seiner Website und betreibt damit aktiv PFC-Aufklärung für den Konsumenten. Dennoch: B is 2020 zu warten ist für Geenpeace nicht ambitioniert genug.

Auch Politik und Konsument sind gefragt

*Das Problem PFCs ist auch deshalb noch nicht gelöst, weil es bislang keine international einheitlichen gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Grenzwerte gibt. Nur Norwegen hat ein Gesetz erlassen, wonach Textilien keine PFCs mehr enthalten dürfen. In allen anderen Ländern gelten unterschiedliche Grenzwerte. Und diese Grenzwerte erfüllen die meisten Outdoor Brands, sonst wären sie rechtlich angreifbar. Das heißt auch, offiziell besteht für den Endkonsumenten bei diesen High Performance-Produkten kein Gesundheitsrisiko und auch der intensive Gebrauch ist absolut unbedenklich. Doch Greenpeace reicht das nicht. Nicht einmal die von Bluesign Technologies zertifizierten Marken können ganz auf PFC verzichten, und Bluesign gilt als weltweit strengster Chemiestandard in der Textilindustrie. Es gibt außerdem Marktteilnehmer, die den ganzen Wirbel um PFCs generell infrage stellen. Z.B. kommt W. L. Gore & Associates, Inc. (Gore Tex) in einer neuen Studie zu dem Schluss, dass PFC-freie Alternativen keinen besseren ökologischen Fußabdruck aufweisen. Neu-Produkte erreichen zwar vergleichbare Leistungswerte wie PFC-Imprägnierungen, verfügen jedoch aufgrund des verminderten Schutzes im Vergleich zu PFC-ausgerüsteten Materialien über eine kürzere Lebensdauer. Dies kann zur Folge haben, dass Endverbraucher PFC-freie Produkte bei Leistungsverlust übermäßig häufig waschen, reimprägnieren und früher entsorgen. W. L. Gore investiert etwa 15 Millionen Euro in die Erforschung von alternativen Technologien.

Das Problem ist außerdem, dass viele Jacken zwar für den hochalpinen Gebrauch konzipiert und produziert sind, vom Konsumenten unter wirklich extremen Bedingungen aber nie benutzt werden. „Es werden hochgerüstete Textilien angeboten, die ein Taucher, Feuerwehrmann oder Astronaut benötigt, aber kein normaler Wanderer. Entgiften ist keine Mammut-Aufgabe“, so Manfred Santen, Chemie-Experte von Greenpeace. Der anhaltende Outdoor Boom der letzten Jahre war weniger die Folge eines gesteigerten Interesses am alpinen Bergsport als ein modisches Phänomen. Funktionelle Outdoor-Jacken sind natürlich auch ein hervorragender und sportlicher Wetterschutz in der Stadt, zumal viele Anbieter in ihrem Design immer modischer werden. Insofern ist auch der Konsument gefragt, der unterscheiden muss zwischen Jacken für extreme Bedingungen und für den alltäglichen Gebrauch.*

Insgesamt fühlt sich die Outdoor-Branche ein wenig zu Unrecht derart an den Pranger gestellt. Denn PFCs kommen in hohen Konzentrationen auch in Teppichen, Heimtextilien, Löschschäumen und Lebensmittelverpackungen vor. Dort allerdings schweigt Greenpeace. Gleichzeitig ist es gerade die Outdoor-Industrie, die in den letzten Jahren viel in Nachhaltigkeit investiert hat und nach wie vor auf die Langlebigkeit ihrer Produkte setzt. Im Vergleich dazu klingt die heroische Ankündigung von z.B. Inditex, es werde nun ganz auf PFCs verzichten, irreführend. Besser wäre die Frage, warum der Fast-Fashion Riese es überhaupt eingesetzt hat? Wahrscheinlich ist die Outdoor-Industrie mit ihrem Kult der unberührten Natur einfach eine bessere Zielscheibe.

Photos: Mammut; Vaude / Lars Schneider

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