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Wir recyceln, wir upcyceln, wir downcyceln, doch was bringt's?

Von Jackie Mallon

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Mode|HINTERGRUND

Aus Kunststoff entsteht Polyester, aus Pilzsporen entsteht Leder, und aus dem Dialog entstehen Anregungen, die Textilindustrie neu zu erfinden. Eine Podiumsdiskussion während der Messe Texworld liefert einen Statusbericht über die Bereiche Recycling und Upcycling, die beide scheinbar an Popularität gewinnen. Vier Experten analysieren die Entwicklung und zeigen die nächsten Schritte auf.

Aufruf an Verbraucher

Yimin Deng, Sprecher von Remake, einer nachhaltigen Non-Profit-Organisation, ist ein Parsons-Absolvent, der das Thema Nachhaltigkeit mit dem Can-Do-Geist eines Millennials angeht, aber an die Macht des Dollars glaubt. „Bei Remake ist es wichtig, Verbraucher und Designer über die Auswirkungen ihrer Kaufentscheidungen aufzuklären“, sagt er. „Man kann sich nicht aus diesem Schlamassel herausreden. Der Überkonsum ist die Ursache der Krise. Um nachhaltiger zu sein, müssen wir zuerst umverteilen und rekonstruieren, bevor wir etwas Neues entwickeln. Wir brauchen mehr von den Denkweisen, wie die von Eileen Fisher, die ganze Textilien verwendet, um etwas Neues zu schaffen. Aber recycelte Materialien sind nicht die magische Lösung für unsere Krise.“

Malvina Hoxha, Managerin für Business Development bei dem Unternehmen Lenzing Fibres, das seit 25 Jahren Tencel Lyocell aus 80 Prozent Holzabfällen herstellt, fragt das Publikum: „Was verlangen wir als Verbraucher? Innovation kostet Geld. Man braucht Ressourcen, um das Richtige zu tun, aber niemand ist bereit, dafür zu bezahlen. Was brauchen wir, um überzeugt zu werden?“

Jessica Kelly Gründerin von THR3EFOLD, einer Organisation, die es Designern ermöglicht, sich mit ethischen Fabriken zusammenzuschließen, um Stoff zu kaufen und zu verkaufen, glaubt, dass Marken und Verbraucher sich verbessern wollen, aber es gibt ein Ungleichgewicht. „Ich komme aus North Carolina und meine Freunde und Familie denken nicht über Nachhaltigkeit in der Kleidung nach. Das Gespräch aus der Nische dieses Raumes zu drängen, ist notwendig, um die Einstellung des Verbrauchers zu verändern.“

Foto: Adidas

Überprüfen Sie Ihre Werte

„Es geht um Gemeinschaft“, sagt Kelly, die Abfällen neues Leben einhaucht und den Begriff "Deadstock-Marktplatz" verwendet, um den Schwerpunkt ihres Geschäfts zu beschreiben. Sie glaubt, dass wir, als die Produktion nach Übersee verlagert wurde, jede Verbindung zu den Menschen verloren haben, die unsere Kleidung herstellen. Dies trage zur mangelnden Wertschätzung der Arbeit, die in die Kleidung geht, bei.

„Ich arbeite in der dunklen Welt der Sortieranlagen“, sagt Adam Baruchowitz, Gründer von Wearable Collections, einem Textilrecyclingunternehmen. Obwohl er kein einziges Textil entwickelt, steht er täglich bis zum Hals in ihnen. „Gebrauchte Kleidung ist eine Ware und wird wie andere Materialien behandelt - Glas, Kunststoff, Papier“, sagt er. „“Ich versuche, die Sortieranlagen darüber aufzuklären, was beim Downcycling vor sich geht, wenn Gewebe für Isolierungen, Teppichböden, akustische Polsterungen und andere minderwertige Faserprodukte verwendet werden können. Jeder kann von recycelten Materialien profitieren, aber derzeit wird kein Wert darauf gelegt. Wir brauchen mehr Engagement von Unternehmen wie Adidas oder Nike. Wenn mehr Wert auf die Materialien in meinem Truck gelegt wird, gibt es mehr Anreiz für mich, Materialien zu sammeln.

Deng hat kürzlich eine eigene Bewertung vorgenommen: „Jedes Jahr liegt der Anteil der importierten Textilien bei 4,7 Prozent der Gesamtimporte. Das bedeutet ungefähr 348 Dollar pro Person. Es ist wichtig, den Leuten zu sagen, dass sie aufhören sollen, zu kaufen. Der globale Süden entwickelt sich weiter, die Textilabfälle werden unweigerlich zunehmen, und es ist falsch, den Rest der Welt davon zu überzeugen, ein amerikanischer Verbraucher zu sein. Das ist ein sehr verschwenderisches Konzept. Derzeit reicht unsere Konsumaktivität über Raubtier-Status hinaus, wir können es uns nicht leisten, dass der Rest der Welt zu uns aufblickt.“ Für ihn liegt die Rettung in Bildung: „Die Verbraucher haben die politische Macht, Veränderungen zu fordern, anstatt nur darauf zu warten, dass Marken ein Gewissen entwickeln.“

Investieren Sie in Innovation

„Ein großes Problem ist, dass Materialien in großen Lieferungen ankommen und es keinen schnellen Weg gibt, Fasern zu trennen, also setze ich auf die Idee, das Sortieren zu verlangsamen“, sagt Baruchowitz, der das größte Problem für wichtige Innovationen bei den Investoren sieht. „Im Vergleich zur Größe der Branche ist eine Investition von 50 Millionen Dollar nichts.“

Deng sieht die Technologie als Schlüssel zur zukünftigen Kreislaufwirtschaft. „Man muss digitale Systeme in Kleidungsstücke einbetten, so dass Sie auch in einem Gebrauchtwarenladen noch die Herkunft des Produkts sehen können.“

Bei Lenzing wird der globale Textilabfall vor allem durch die markengeschützte Refibra-Technologie adressiert. „Wir sammeln Baumwollreste aus Fabrikhallen, machen daraus Zellstoff, mischen 20 Prozent davon mit Lyocell zu einer neuen Faser“, sagt Hoxha, im November 2018 gab das Unternehmen Pläne bekannt, den Baumwollanteil auf 30 Prozent zu erhöhen.

Foto: Marine Serre SS19, Catwalkpictures.com

Ist Fast Fashion immer noch der Bösewicht?

„Bei Remake sind wir fest entschlossen, Fast Fashion ein Ende zu bereiten“, sagt Deng. Die Organisation bringt Modeschüler aus verschiedenen Institutionen zu Fabriken in China, Nepal, Kambodscha und Mexiko, um sich mit Textilarbeitern zu treffen. „Es ist von größter Bedeutung, den Menschen hinter der Mode ein Gesicht zu geben“, sagt er. Ein Film, der eine solche Reise mit dem Titel „Made in Mexico“ dokumentiert, wird in diesem Frühjahr in ausgewählten Städten gezeigt.

Bei der Reputation von Fast Fashion gehen die Meinungen auseinander: „Diese Unternehmen erfüllen unsere Wünsche als Konsumenten“, sagt Hoxha. „H&M und Zara würden nicht existieren, wenn wir diese Produkte nicht wollten. Diese Marken sind für uns da. Wenn wir Besseres wollen, müssen wir Besseres verlangen.“

Kelly dankt H&M sogar, weil das Unternehmen das Gespräch über Nachhaltigkeit vorangetrieben hat, und Baruchowitz stimmt zu: „H&M wird oft als Übeltäter hingestellt und auf der anderen, der guten, Seite steht Eileen Fisher. Aber ob es nun Unternehmen sind, die das Thema nur ein wenig vorantreiben oder solche, die wie Patagonia Verantwortung übernehmen, es geht um die Disruption von alten Modellen, die wir sehen, die ermutigend ist. Unabhängig von der Größe kann jeder daran teilhaben.“

Kelly erinnert sich an einen ermutigenden Besuch in einer H&M-Fabrik in Indien: „Sie hatte tolle Arbeitsstandards, Kindertagesstätten für die Kinder der Mitarbeiter, eine Maschine, die Denim mit einem Glas Wasser färbt. Dies ist keine lineare Diskussion. H&M steckt mehr Dollar in Nachhaltigkeit als viele andere Unternehmen und ist bereit, öffentlich die Schuld auf sich zu nehmen, wenn sie es vermasseln."

Optimismus für die Zukunft?

„Der Konsum von gebrauchter Kleidung steigt, während der Einzelhandel stagniert“, sagt Baruchowitz. „Die Trends ändern sich. Wir erleben eine Implosion. Eine der coolen Sachen, die ich höre, ist, dass Produzenten Verantwortung übernehmen. Der Verzicht auf Kunststoff führt zu massiven Disruptionen und das ist gut. Ich bin optimistisch", sagt Baruchowitz

„Wir sprechen sowohl mit Start-ups als auch mit Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen, sagt Hoxha. "Sie laden uns ein, wir bilden sie im Umgang mit unseren Fasern aus, aber eine neue Organisation oder Direct-to-Consumer-Brand, oder sogar eine zehnjährige Marke, ist mehr in Kontakt mit ihren Kunden, sie hat mehr Kontrolle über ihre Botschaft und ist stärker bereit zur Zusammenarbeit als ein Unternehmen, das Milliardenumsätze erwirtschaftet.”

Deng vergleicht die aktuelle Krise mit dem Leben inmitten eines Sturms. "Aber was danach kommt, ist der Regenbogen. Wir müssen diese Zeit nutzen, um die Menschen zu mobilisieren, die gewünschten Veränderungen zu schaffen. Mode ist ein Mikrokosmos von globalen Themen und Sie kann ein Katalysator für positive soziale Veränderungen sein."

"Ich habe verschiedene Zyklen gesehen", ergänzt Baruchowitz. "Im Jahr 2011 hatte ich ein Treffen mit Sourcemap über ihr Unternehmen für Rückverfolgbarkeitssoftware und ich sagte, ich würde gerne wissen, was mit den Millionen Pfund an Materialien passiert, die ich sammle. Wir kamen zu dem Schluss, dass die Modebranche nie darauf eingehen würde. Heute hostet Sourcemap den Higg-Index, der Marken und Einzelhändler bei der Überwachung ihrer Nachhaltigkeitsleistung unterstützt. Das ist ein großer Schritt."

Dies ist eine Übersetzung eines englischen Beitrags von Jackie Mallon. Jackie Mallon lehrt Mode in New York und ist die Autorin des Buches ‚Silk for the Feed Dogs’, ein Roman, der in der internationalen Modeindustrie spielt. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ.

Foto: The Wearable Collections

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