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Wissensrecycling in der Mode: „Deutschland muss Mode anders akzeptieren”

Von Martina Michalsky

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Mode

Was passiert eigentlich mit all dem Wissen über die Modebranche, wenn sich beispielsweise Designer aus dem Business zurückziehen? – Das Wissen wird an die nachfolgende Generation von Designern weitergegeben! FashionUnited wollte natürlich auch etwas von diesem Wissen erfahren und hat sich an den deutschen Universitäten und Hochschulen umgehört, um sich von Professoren, die für große Labels tätig waren, etwas über den Alltag in der Modebranche und die Gründe für den Austritt erzählen zu lassen.

Den dritten Fund machte FashionUnited in Düsseldorf an der AMD (Akademie Mode und Design), wo Peter Schmies als Professor für Mode- und Designmanagement tätig ist. Zusätzlich ist er selbständiger Berater und Coach für die Bereiche Personal- und Organisationsentwicklung. Um jedoch genügend Wissen zu sammeln, um diese beiden Jobs erfolgreich zu meistern, durchlief Peter Schmies einige Stationen quer durch die Modebranche. Unter anderem war er bei Hugo Boss als Abteilungsleiter für den Einkauf von Oberstoff verantwortlich, worüber er FashionUnited im Interview mehr erzählte.

Herr Schmies, wie sind Sie zur Mode gekommen?

Ich fand das Thema und allgemein die Branche immer schon sehr spannend. Das, was ich damals, das heißt nach dem Abitur, von der Branche mitbekommen habe, machte den Eindruck, als könnte man sich damit gut beschäftigen. Als ich nach meinem Schulabschluss verschiedene Optionen abwägte, habe ich mich relativ schnell für die Mode entschieden.

Entschieden heißt, Sie haben Ihr Studium an der FH Niederrhein in Mönchengladbach absolviert und sind anschließend direkt ins Berufsleben eingestiegen?

Genau, ich habe direkt nach dem Studium als Junior-Produktmanager bei der ‘Artländer Bekleidungswerke AG’ gearbeitet. Was für mich schon nach dem Abitur klar war, dass ich keinen Spaß daran haben würde, ein eigenes Label zu gründen oder einen eigenen Laden zu führen. Für mich war immer der Zusammenhang zwischen Produkt und wirtschaftlichen Themen viel interessanter. Als ich bei Artländer den Ein- und Verkauf kennen lernte, habe ich gemerkt, dass ich gerne weiterhin in diesem Bereich arbeiten möchte.

Sie waren von 1994 bis 2000 bei Hugo Boss als Abteilungsleiter im Einkauf tätig, also genau das, was Sie machen wollten. – Wie stressig und hektisch ging es dort zu?

Überraschenderweise war es dort gar nicht so hektisch, wie man es sich bei einem solch großen Label vielleicht vorstellt. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass Hugo Boss ein sehr gut organisiertes Unternehmen ist, das eine gute Balance gefunden hat, Produkte zu machen, mit denen man Geld verdienen und ein entsprechendes Image aufbauen kann – und das Ganze in einer gut funktionierenden Organisation. Insofern habe ich meine Zeit dort als unglaublich interessant empfunden. Ich habe zudem diverse Veränderungen im Unternehmen miterlebt. Als ich bei Hugo Boss angefangen habe, das war kurz nachdem die drei-Marken-Strategie entschieden und am Markt etabliert wurde. Das bedeutet, neben der Stammmarke wurden zusätzlich Hugo und Baldessarini eingeführt. Zudem war ich dabei, als die Entscheidung für eine Boss Woman Linie gefällt wurde, beziehungsweise, in der Vorstufe hieß das Projekt zunächst Hugo Woman. Aber auch diverse Vorläufer von Boss Orange gab es zu meiner Zeit bei Hugo Boss bereits. Das waren alles Entwicklungen, die ich damals miterlebt habe – es war also alles unglaublich lebhaft.

Was genau waren Ihre Aufgaben?

Ich war für den Einkauf von Oberstoff für die Marken Baldessarini, Hugo und Boss Sportswear verantwortlich. Ich habe also sehr eng mit den verschiedenen Design-Teams zusammengearbeitet sowie der Technik, wo die Stoffe weiterverarbeitet wurden. Aber auch nach außen hin hatte ich viel mit Lieferanten zu tun, bin dafür oft nach Italien und in andere Länder gereist, um dort Stoffe auszuwählen.

Seit 2002 sind sie selbstständiger Berater und Coach für Organisations- und Personalentwicklung und arbeiten für Unternehmen wie Joop, Armani oder auch die Otto Group. Wie genau helfen Sie den Unternehmen?

Ich habe während meiner Zeit als Abteilungsleiter gemerkt, dass ich immer mehr Spaß an der Zusammenarbeit mit Menschen, aber auch an der Entwicklung von Mitarbeitern hatte, und mich das irgendwann mehr interessiert hat, als der nächste große Modetrend. Deshalb habe ich dementsprechend eine Ausbildung zum Coach und Berater bei ‘Eva Kuper’ gemacht. Um nun auf Ihre Frage zu antworten, ich berate Menschen und Unternehmen in Veränderungssituationen. Das heißt, wenn ein Unternehmen seine Organisation ändern möchte, um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen zu verbessern oder auf die veränderten Bedingungen des Marktes zu reagieren, dann berate ich, wie man das am Besten macht – welche Strukturen dafür gut und richtig sind. Aber andererseits bringe ich auch bei, was nötig ist, damit so eine Struktur in einem Unternehmen entsprechend umgesetzt werden kann.

Auf Ihrer Website findet man das Zitat: „Lehre die Sehnsucht nach dem weiten Meer, statt beizubringen wie man Schiffe baut”, von Antoine de Saint-Exupery. Unterrichten Sie auch Ihre Studenten nach diesem Leitmotiv?

Ja, ich glaube schon – ich versuche es zumindest. Wir haben verschiedene Studiengänge an der AMD und der, für den ich maßgeblich verantwortlich bin, Mode- und Designmanagement, da geht es tatsächlich um Zusammenhänge, darum, zu verstehen, was eine Design-Entscheidung in der Produktion bewirkt – das ist es, was ich den Studierenden nahebringen möchte. Ich möchte, dass sie diesen Zusammenhang verstehen und das drückt das Zitat von Antoine de Saint-Exupery sehr gut aus.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, als Professor tätig zu werden?

Das hat sich Stück für Stück entwickelt. Als ich mich damals selbstständig gemacht hatte, sprach mich zunächst eine Freundin an, die an der AMD den Studiengang Textilmanagement leitete. Sie meinte, ob ich nicht Lust hätte in dem Bereich etwas zu machen. – Hatte ich! Das Ganze fing erst mal klein an, aber es schien, als würde es meinen Opfern, also meinen Studenten, genauso viel Spaß machen wie mir. Deshalb ist dann irgendwann tatsächlich mehr daraus geworden. Ich habe verschiedene Vorlesungen gehalten, aber auch Projekte geleitet, wie man einem Designer betriebswirtschaftliche Themen nahebringen kann. Dementsprechend habe ich neue Konzepte entwickelt und neue Kurse, wie ‘Existenzgründung’, ins Leben gerufen. Es ging mir dabei darum, Studenten auf eine praxisnahe Weise an betriebswirtschaftliche Themen heranzuführen. Irgendwann habe ich gemerkt, dass die Studenten sogar Spaß daran hatten.

Mit der Zeit wurde ich an der AMD immer aktiver, bis man mich fragte, ob nicht gerne einen Studiengang leiten möchte. Dadurch hat sich dann auch irgendwann die Professur ergeben.

Mal eine Frage, die nichts mit Ihrer Professur zu tun hat: Wie sehen Sie Deutschland als Modestandort – haben wir auf dem internationalen Markt Chancen, zu bestehen?

Ich glaube, die haben wir. Ich merke allerdings auch, dass Mode und Deutschland wie eine ungeliebte Liebschaft ist. Wir haben eine große Modeindustrie in Deutschland, die Mode ist ein enormer Wirtschaftsfaktor, aber irgendwie ist es kein Faktor, über den das Land gerne redet. Auch in der Politik hört man da wenig Interesse, Maschinenbau oder Autos sind scheinbar doch viel spannender. Aber auch wir Deutschen selbst gucken immer wieder ganz fasziniert in andere Länder, egal ob es nun Frankreich, Italien oder sonst wo ist. Ich glaube, wenn Deutschland und wir Deutschen, Mode einfach anders akzeptieren würden, als einen Wirtschaftsfaktor, der viel Spaß machen kann, der attraktiv ist, sich mit schönen Produkten beschäftigt, dann würden wir uns das Leben im Bezug auf Mode ein bisschen leichter machen.

Was ist das Wichtigste, das Sie Ihren Studenten mit auf den Weg geben?

Das Wichtigste ist, kritisch zu denken. Das heißt, sich mit Gegebenem nicht einfach zufrieden zu geben, sondern Sachen zu hinterfragen, verstehen zu wollen und hin und wieder auch zu verändern. Denn das ist es, wovon nicht nur die Mode, sondern auch die Wirtschaft im Allgemeinen, lebt.

Fotos: Peter Schmies, Projektarbeit mit Studenten im Centro Oberhausen

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