Wolle auch im Sommer: Joe Merino will in Deutschland expandieren
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Das niederländische Menswear Label Joe Merino will weiter international expandieren, auch mit neuen Geschäften in Deutschland, aber dabei eine hauptsächlich online-ausgerichtete Marke bleiben. Nach der dritten Sommer-Kollektion aus Merino-Polos und Shirts, tat sich das Amsterdamer Unternehmen auch mit Woolmark zusammen um das Tragen von Wolle bei warmen Wetter zu bewerben. FashionUnited sprach mit Ron Beckers, dem Mitgründer der Marke klassischer Woll-Basics, über steigende Wollpreise, Zukunftspläne und die Vorteile Wolle im Sommer zu tragen.
Warum sollten Männer Wolle im Sommer tragen?
Wolle ist einfach zu pflegen und in der Waschmaschine zu waschen. Das Material ist sehr weich und juckt nicht. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass es angenehm und kühl ist und Farbe wie Form behält. Wolle ist antibakteriell. Die Bakterien, die Gerüche verursachen, dringen nicht in die Faser ein, es riecht nicht. Ein Kleidungsstück aus Wolle kann für ein paar Tage hintereinander getragen werden. Der beste Beweis dafür sind Socken, Männer können sie für zehn Tage oder länger tragen. Aber das ist eine etwas dreckige Angelegenheit. (lacht) Der Schmutz geht auch weg, wenn Wollsachen draußen aufgehängt werden.
Wie realisiert Joe Merino diese Eigenschaften in seinen Kleidungsstücken?
Wir suchen die Wolle sorgfältig aus. Auch die Stärke der Faser ist wichtig. Je feiner die Faser ist, desto weniger kratzt es. Wir nutzen ultra-feine Fasern. Die handelsüblichen sind extra-fein mit 19,5 Micron (ein Micron ist ein Tausendstel Millimeter), unsere Fasern messen 15 Micron. So fühlt es sich zart an. Die einzigen Menschen, die das nicht tragen können, sind die, die allergisch auf Wolle reagieren. Auch bei 30 Grad ist es immer noch sehr komfortabel.
Warum arbeiten Sie mit der Woolmark Company zusammen, einer Organisation, die für australische Schafzüchter Forschung und Öffentlichkeitsarbeit betreibt?
Wir müssen an dem Vorurteil arbeiten, dass Männer denken, dass Wolle nicht komfortabel ist. Sie denken, es ist zu warm und zu kratzig. Es ist eine große Chance für die Wollindustrie die Konsumenten zu überzeugen, Wolle im Sommer zu tragen. Deshalb haben wir das Video gemacht. Wolle wird wegen seiner Eigenschaften auch bereits viel im Sportbereich verwendet.
Der Trend zu natürlichen Fasern, hat auch den Gebrauch von Wolle erhöht. Zur gleichen Zeit versuchen mehr Menschen vegan zu leben und tierische Produkte werden kritischer beäugt. Erfüllt Sie die jüngste Diskussion um Mohair mit Sorgen?
Als Schafzüchter sollte es logisch sein, sich um diese Dinge zu kümmern. Wir wissen, wo wir die Wolle kaufen und wer die Pullover herstellt. Die Wollindustrie ist natürlich auch “Big Business”. Es wird immer Dinge geben, die schief laufen und Schafe, die nicht gut behandelt werden. Aber es gibt kaum Gelegenheit die ganze Geschichte zu erzählen. Einige werden in den Nachrichten sein, oft die reißerischen. Es passiert vieles in der Industrie, es gibt auch junge Schafzüchter, die sich sehr gut um ihre Tiere kümmern.
Die Nachfrage und der Preis von Wolle ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Wie hat das Ihr Unternehmen beeinflusst?
Einer der größten Nachteile dieser Entwicklung ist, dass Wollpreise gerade wie verstückt steigen. Die chinesischen Konsumenten haben nämlich Wolle entdeckt, vor allem für schwere Mäntel. Aber man kann nicht einfach eine Dose mit neuen Schafen aufmachen, das braucht einige Jahre. Aber wir werden auch von dem hohen Preis profitieren, weil Fast-Fashion-Unternehmen zu Materialien wie Baumwolle, Polyester und Acryl wechseln werden um das Preisniveau für einen Pullover bei 29 bis 39 Euros zu halten.
Wie wird das die Preise der Artikel von Joe Merino beeinflussen?
Wir müssen Preise erhöhen. Es ist nicht unsere Art unsere Lieferanten auszupressen. Wir arbeiten mit Südwolle, einer der größten Garnhersteller weltweit, zusammen. Letztenendes, macht die Woll-Komponente etwa ein Drittel unseres Einkaufpreises aus. Wenn Wollpreise um 50 Prozent steigen, würden sich die Preise meiner Artikel wahrscheinlich um 15 Prozent erhöhen.
Joe Merino hat Läden in Amsterdam, Antwerpen und vergangenes Jahr auch eins in Düsseldorf eröffnet — Was ist der Grund hinter dem Wachstum?
Wir machen Herrenmode. Wir beschäftigen uns nicht mit Fashiontrends, aber Qualität. Und um ehrlich zu sein, ist unseren Kunden ein Preisanstieg von zehn Euros recht gleichgültig. Sie wollen einfach denselben Pullover, in derselben Passform und Qualität, immer wieder. Es ist schwer sie zu gewinnen, weil sie ihre eigenen Marken und Vorstellungen von Mode haben. Aber wenn sie einmal überzeugt sind, bleiben sie sehr treu, solange sie guten Service bekommen. Wir geben keine Preisnachlässe, das ist für Männer verwirrend, wenn ein Shirt heute 100 Euro kostet und morgen 50. Dafür gibt es Rabatt, wenn mehr gekauft wird.“
Wo gibt es Raum für mehr Wachstum und planen Sie mehr Läden in Deutschland?
Wir generieren ein Umsatzwachstum zwischen 30 und 40 Prozent jedes Jahr, wir machen auch Gewinn. 70 Prozent des Umsatzes machen wir online. Wir versenden über unsere englische Website weltweit, aber wir konzentrieren uns jetzt auf den deutschen Markt. Wir haben einen Laden in Deutschland, ich denke das Land ist groß genug um drei weitere zu eröffnen, wie zum Beispiel in München, Berlin, Hamburg oder Stuttgart. Aber wir wollen keine Kette oder Ladenkonzept werden. Wir wollen ein Onlinehändler bleiben. Das Geschäft ist nur da um Service zu bieten, damit die Menschen uns kennenlernen und fühlen können.
Die Besinnung auf hochwertige Basics ist nicht nur für Männer gerade ein Thema. Haben Sie auch Pläne für eine Damenkollektion?
Zu diesem Zeitpunkt wollen wir uns auf Männer konzentrieren. Frauen sind ganz schön kompliziert. Wir haben mal ein V-Neck-Shirt für Frauen ausprobiert und dann kam eine Dame in das Geschäft und sagte ‘Was für eine wundervolle Qualität, haben Sie denselben V-Neck-Pullover, aber nur ein bisschen tiefer? Oder haben Sie einen Cardigan? Passt das zu meinem Rock?’ Ein Mann kommt herein und sagt ‘Oh ihr habt das T-Shirt? Ich nehme eins, zwei, drei.’ Ich hatte ein Damenlabel für zwanzig Jahre, ich bin so erleichtert, dass ich gerade mit diesem Geschäft nichts zu tun habe. (lacht)
Fotos: JoeMerino