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Zwischen Kaufhaus und Theater: ein Rückblick auf die Berliner Modenschauen

Von Jan Schroder

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Mode

Vergangenheit und Zukunft, Kommerz und Kunst – die Kollektionen, die auf den Laufstegen der Berliner Fashion Week zu sehen waren, verbanden wieder einmal vermeintliche Gegensätze. Doch auch die Gebäude, in denen die Schauen diesmal stattfanden, reflektierten diese für Designer so wichtigen Gegenpole – und lieferten damit ein Abbild der Vielfalt, die für die Modestadt Berlin so typisch ist.

Da war das ehemalige Kaufhaus Jandorf. Das neue Zentrum der Mercedes-Benz war vor dem zweiten Weltkrieg eine glanzvolle Shopping-Adresse gewesen. Nach einer Reinkarnation als „Haus der Mode“ zu DDR-Zeiten ist es mittlerweile zum nur selten genutzten Rohbau verkommen. Da war die Baustelle des Humboldt-Forums, die einige der anspruchsvollsten Modenschauen beherbergte und für die Zukunft der Stadt stehen kann. Und da war die Volksbühne, Ost-Berlins Vorzeigetheater, in dem Esther Perbandt zeigte, wie man auch mit einer Show, die so gar nicht den Gesetzen der Mode folgen mochte, stürmische Ovationen ernten konnte.

Roher Charme: Baustellen bestimmen das Bild der Fashion Week

Das ehemalige Kaufhaus Jandorf kann symbolisch für vieles stehen, was die Gegenwart der deutschen Mode und der Berliner Fashion Week ausmacht. Da ist der verblasste Glanz. Die Textilbranche hat hierzulande ein ernüchterndes Jahr hinter sich. Zwar waren die Verbraucher allen Statistiken zufolge in glänzender Kauflaune, doch für Kleidung mochten sie ihr Geld eher nicht ausgeben. Und da ist die Rolle der Mercedes-Benz Fashion Week in Berlin. Mit dem jahrelang genutzten großen, weißen Zelt hatte sich die Veranstaltung immer wieder in den öffentlichen Raum gedrängt, hatte auf dem Bebelplatz, an der Siegessäule oder zuletzt am Brandenburger Tor ein unübersehbares –von vielen Berlinern kritisch beäugtes – Zeichen gesetzt. Nun zog sich die Fashion Week in einen vernachlässigten Altbau an einer unscheinbaren Straßenecke im Stadtteil Mitte zurück. Eine temporäre Leuchtreklame an der Fassade, das war es diesmal mit der Außenwirkung.

Die Zurückhaltung war erfrischend und ehrlich. Denn die Mercedes-Benz Fashion Week, über deren Zukunft immer wieder spekuliert wird, ist in der Hauptstadt nie zu dem großen Ereignis geworden, von dem sich über das engere Modepublikum hinaus breite Bevölkerungsschichten begeistern ließen. Und auch wenn es im Nachhinein einige Kritik zu hören gab: Als Ort für Modenschauen funktionierte das Gebäude hervorragend. Zwar fehlte ein echter Laufsteg, wie es ihn früher im Zelt gegeben hatte, aber die improvisiert und geradezu spartanisch wirkende Ausstattung einer früheren Kaufhausetage mit ein paar Bierbankreihen, zwischen denen die Models flanierten, lenkte den Blick auf das Wesentliche: die gezeigten Kollektionen. Aller oberflächlicher Glamour war verschwunden.

Verlässlich gut: Schumacher, Odeeh und die Berliner Designer

So passte es auch, dass Dorothee Schumacher die neue Location eröffnen durfte. Die war in Berlin schließlich jahrelang unterschätzt worden. Die Designerin aus Mannheim in der Hauptstadt, die sich für besonders hip und unkonventionell hielt? Anfangs hatte die Berliner Modewelt nur ein leicht abschätziges Lächeln für sie übrig gehabt. Doch Dorothee Schumacher blieb hier, und seit einigen Saisons werden ihre Entwürfe von der deutschen Vogue und den wenigen ernstzunehmenden Modefeuilletons hierzulande gefeiert. Sie hat sich über die Jahre mit ihren selbstbewussten Kollektionen, die nicht jedem kurzlebigen Trend hinterherhecheln, aber immer aktuell sind, zu einer festen Größe in Berlin entwickelt. Und anders als viele anfangs hochgelobte, aber schnell wieder vergessene Labels hat sie sich eine solide Kundenbasis im schwierigen deutschen Modehandel erarbeitet.

Auch in dieser Saison vereinte ihre Kollektion einige der Elemente, die vielerorts auf dem Laufsteg zu sehen waren – und zu verstehen gaben, dass modischer Minimalismus im kommenden Herbst eher wenig angesagt sein dürfte: scharfe Materialkontraste, asymmetrische Schnitte und opulente, teilweise hippieesk romantische Muster.

Ansonsten dominierte die zweite Generation der Berliner Designer die Fashion Week. Einige Labels, die in den Anfangsjahren als Pioniere dabei waren, sind mittlerweile trotz unbestrittener Qualität von der großen Bühne verschwunden – wie C.Neeon oder Mongrels in Common. Andere sind durchaus erfolgreich, benötigen den Auftritt auf der heimischen Fashion Week aber nicht mehr. Lala Berlin verzichtete einmal mehr auf den Laufsteg und lud handverlesene Gäste zur Präsentation neuer Entwürfe zum intimen Abendessen. Ihre vollständige Modenschau veranstaltet Leyla Piedayesh mittlerweile in Kopenhagen. Und auch das Label Kaviar Gauche, lange mit großartigen Shows ein verlässliches Highlight der Modewoche, ist längst nicht mehr in Berlin auf dem Laufsteg zu sehen.

Nachgerückt sind Designer, die inzwischen auch schon als etabliert gelten können. Sie liefern Saison für Saison zuverlässig hohe Qualität, wobei die wirtschaftliche Relevanz ganz unterschiedlich ist. Zu diesen festen Größen der Mercedes-Benz Fashion Week zählt neben Vladimir Karaleev oder Michael Sontag das Designerinnen-Duo Perret Schaad. Auch die neue Kollektion überzeugte durch das spannungsvolle Zusammenspiel klarer, harmonischer Schnitte und schroffer Materialgegensätze: Luxuriös schimmernde Stücke aus Samt und beschichteten Stoffen kombinierten Johanna Perret und Tutia Schaad mit rauen, asketisch anmutenden Materialien und abstrakten Drucken. Die Kunst des Kontrasts beherrschen sie in Perfektion.

Während Perret Schaad im Kaufhaus Jandorf zu sehen waren, bevorzugten andere Marken spektakulärere Räumlichkeiten. Der Berliner Mode Salon, der parallel zur Mercedes-Benz Fashion Week eine Auswahl hochkarätiger deutscher Designer präsentiert, hatte erneut die Baustelle des Humboldt-Forums zum Ort einiger Modenschauen erkoren. Dort zeigten international erfolgreiche Marken wie Odeeh, aber auch einheimische Labels wie Malaikaraiss.

Großes Spektakel: Marina Hoermanseder

Nicht auf dem offiziellen Terminkalender der Mercedes-Benz Fashion Week tauchte auch das größte Showtalent auf, das Berlin derzeit zu bieten hat. Die gebürtige Wienerin Marina Hoermanseder, die nach einem Studium an der Berliner Modeschule Esmod ihr Label in der deutschen Hautstadt etabliert hat, wählte für ihre Show diesmal den Lichthof des ehemaligen Kaiserlichen Telegraphenamts, in dem vor einigen Jahren die Deutschen Telekom ihre Hauptstadtrepräsentanz eingerichtet hat – und zeigte dort, wie eine Modenschau auch richtig Spaß machen kann. Mit schmissigen Hits aus den Achtziger- und Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts und einer ganz auf Schauwerte ausgelegten Kollektion.

Hoermanseder wird sie seit Jahren in Berlin für ihre Entwürfe gefeiert. In ihrer österreichischen Heimat ist sie noch etwas mehr: Als Designerin für die dortige Post und die Fluggesellschaft Air Austria hat sie es mittlerweile zum offiziellen Modedarling der Nation gebracht. Auf der Berliner Bühne lieferte sie nun eine Show ab, die mit ihrer unbeschwerten Euphorie und der Lust am visuellen Knalleffekt so wirkte, wie man sich eine Modenschau in einer guten Comic-Verfilmung vorstellen möchte.

Das traf auch auf die Entwürfe zu: Die typischen Hoermanseder-Elemente – die orthopädischen Lederriemen, die steifen Kunststoffkleider, die Anklänge an die Mode des 19. Jahrhunderts – waren alle vertreten, aber diesmal leicht überzeichnet. Die Riemen wirkten noch etwas fetischistischer als sonst, die tragbaren Kunststoffskulpturen waren noch ein wenig weiter von natürlichen Körperproportionen entfernt, die Materialien und Dekors noch ein wenig opulenter. Manchem Besucher war das dann doch etwas zu cartoonesk, der Rest durfte eine großartige, ebenso mutige wie selbstironische Show bejubeln, bei der Kriterien wie Tragbarkeit und Eleganz hinter den puren Spaß am Spektakel zurückstehen mussten.

Echtes Theater: Esther Perbandt

Eine andere Art von Theater bevorzugt Esther Perbandt. Nämlich richtiges Staatsschauspiel. Im großen Saal der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz versammelte sie ihre mittlerweile gewaltige Fangemeinde, die tatsächlich mehr an ein Theaterpublikum als an die üblichen Fashion-Week-Besucher erinnert. Und der bot sie, was sich für die Räumlichkeiten gehört: Kleidung mit Kunstanspruch – stilecht vorgeführt in Kulissen, die der im vergangenen Jahr verstorbene Bühnenbildner Bert Neumann entworfen hatte.

Eine simple Modeschöpferin ist Perbandt längst nicht mehr – auf der Homepage des Theaters wurde sie als „Designerin, Visionärin, Performerin, Zeremonienmeistern und Entertainerin“ angekündigt. Mit strengem Haarschnitt und schwarzen Outfits hat sie sich inzwischen selbst zur Kunstfigur stilisiert. Und so verarbeitete sie für ihre neue Kollektion dann auch Inspirationen aus dem mittlerweile klassischen Bildungskanon, namentlich Schwarz-Weiß-Filme aus der glanzvollen Ära Berlins in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Herausgekommen ist dabei eher Kleidung mit Kunstanspruch als handelsübliche Mode – aber es ist ermutigend, zu sehen, dass auch die im Berlin der Gegenwart noch eine Rolle spielen kann.

Fotos: ©Stefan Kraul(5), ©Mercedes-Benz Fashion(3), Getty Images(2), Kowa-Berlin (1)

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